talien raus, Deutschland weiter – und endlich mal wieder eine Diskussion über den VAR. Und aus dem Sommermärchen ward ein Donnermärchen
Italien – Schweiz 0:2
Was für eine furchtbare Vorstellung für Italien. Der Europameister von 2021 schied sang- und klanglos aus mit einer haarsträubend schlechten Leistung vorne und hinten. Die Schweiz dagegen bekommt endlich ihr Potenzial auch umgemünzt.Sicher nicht frei von Schwächen, aber doch sehr kompakt. Sie haben eine tolle Achse
Mann des Spiel
Ruben Vargas: Kaum zu stoppen von den Italienern mit vielen feinen Aktionen. Und nicht nur für die Galerie. Das 1:0 durch Urs Remo Freuler bereitete er mustergülig vor, das zweite Tor erzielte er selbst durch einen sehenswerten Schlenzer. Auch wenn er von der italienischen Abwehr hier nur Geleitschutz erzielt, den Ball muss man erst mal so kunstfertig treffen. Ehemalige italienische Verteidigungsheroen wie Cannavaro, Chiellini und alle anderen werden entgeistert zugeguckt und gedacht haben: wo zum Teufel ist bei uns der gute alte Catenacchio geblieben?
Stark trotz der Niederlage
Gianluca Donnarumma: Am Torwart lag es wirklich nicht. Der Kapitän hielt, was es zu halten gab, und er bewahrte sein Team durch einige Glanzparaden vor weiteren Gegentreffern. 2021 wurde er zum besten Spieler des Turniers gewählt. Das wird ihm dieses Jahr nicht gelingen.
Ausblick des Siegers
Die Schweizer haben endlich mal ein echtes Team. Newben Vargas hat mir besonders Granit Xhaka gefallen. Gott sei Dank für die Schweizer, dass er und Trainer Yakin ihre Auseinandersetzung beigelegt haben und an einem Strang ziehen. Und der so engagierte Xhaka kam auch ohne Gelb(sperre) aus. Das Viertelfinale muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein, egal ob gegen England oder die Slowakei.
Und der Verlierer?
Ein Turnier, bei dem von vorne bis hinten (fast) alles schiefging. Erinnert sei an das Gegentor gegen Albanien in der ersten Partie nach nur 22 Sekunden. Ich habe wirklich gedacht, dass der Last-Minute-treffer gegen Kroatien Italien beflügeln könnte, ein ekliger Kontrahent in einer K.-o.-Phase waren sie eigentlich immer. Nichts von alledem. Welche Schuld Luciano Spalletti daran trägt, vermag ich nicht zu urteilen aus der Ferne. Tatsache ist, dass er zu keiner Zeit den Zauber versprühte, mit dem er die SSC Napoli 2023 zum Meistertitel führte.
Deutschland – Dänemark 2:0
Eine Partie für die Geschichtsbücher. Nicht, weil das Spiel an sich besonders aufregend war, aber wegen der Umstände. So sorgte ein Gewitter direkt über dem Westfalenstadion nach 35 Minuten für eine rund halbstündige Pause. Die den Deutschen durchaus zupass kam, denn nach einer fulminanten Anfangsviertelstunde den Faden verlor. Zunächst mehrere Großchancen und eine aberkannten Tor von Nico Schlotterbeck (für mich die richtige Entscheidung, aber den Einsatz zuvor von Kimmich, der einen Gegner wegblockte, hätte ein großzügigerer Schiri, zumal ein Engländer, auch durchgehen lassen können. Auffällig war, wie viele Kopfballduelle die Deutschen im dänischen Strafraum für sich entschieden.Nach einer knapp halbstündigen Pause, in der die zum Teil völlig durchnässten Zuschauer lautstarke Kostproben ihrer Sangeskunst ablegten, ging es weiter. Trainer Julian Nagelsmann hatte die Unordnung erkannt, das Team wirkte wieder sicherer.
Nach 10 Minuten folgte die reguläre Halbzeitpause, wobei die Frage schon gestellt werden darf, warum man sich diese nicht schenkte. Magenta hatte zwar mit Ittrich einen Schiedsrichter an Bord, diese Frage wurde aber nicht gestellt. Regeltechnisch wäre das wohl möglich gewesen.
Seis drum. Kurz nach der Pause folgten fünf Minuten, die der dänische Sportskamerad Joachim Andersen Zeit seines Lebens nicht vergessen wird. In der 48. Minute drosch er nach einem Getümmel im Strafraum den Ball ins Netz. Unhaltbar für Neuer, aber der hat ja den beühmten Reklamierarm. Tatsächlich konsultierte Schiedsrichter Michael Oliver den Fernseher am Spielfeldrand, und relativ schnell kam er zum Entschluss: Abseits, Tor zählt nicht. Im Vorfeld stand der Däne Thomas Delaney um einen Zentimeter tatsächlich in der verbotenen Zone, vermittelte uns zumindest ein Standbild. https://www.sueddeutsche.de/
Fluch der Technik, und wer sagt mir bitte, dass dieses Standbild wirklich auf die Hunderstelsekunde genau im entscheidenden Moment gemacht wurde? Laut UEFA ist das tatsächlich der Fall wegen der sogenannten Semi-automated offside technology, SAOT, die alle Spieler zu jedem Zeitpunkt an 26 Stellen des Körpers trackt. „Semi“, also halb nur deshalb, weil anders als etwa im Tennis noch ein Mensch, also der Schiri, anhand der übermittelten Daten zu einer Entscheidung führen muss; er muss also auf dem Fernsehschirm richtig erkennen, was ihm die Maschine zeigt.
Unglück Nummer 1, und Unglück Nummer 2 sollte folgen. Praktisch im Gegenzug flog ein Ball an Andersens Hand, soweit so unstrittig. Doch die Regeln velangen auch eine Absicht des „Täters“ für eine Strafe. Da die Schiris nicht in die Köpfe der Spieler schauen können (KI hilf bitte auch!“), gibt es Kriterien, unter anderem das der unnatürlichen Armbewegung. Jeder, der sich mal bewegt hat weiß, dass gerade bei schnellen Wendungen die Arme automatisch vom Körper wegfliegen. Und der scharfe Ball an Andersens Hand kam aus höchstens einem Meter. Für Mr. Oliver reichte es trotzdem für einen Elfmeter, regelkonform und ohne Ermessensfehler. Kai Havertz ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und verwandelte sehr gekonnt. das war die Entscheidung gegen doch sehr limitierte Dänen, die dann Jamal Musiala endgültig herbeiführte. Bei dem Treffer den Nico Schlotterbeck mit einem weiten Ball vorbereitete, stellt sich allerdings schon die Frage, ob der ansonsten sehr gut haltende Kasper Schmeichel nicht durch konsequentes herausstürmen den Ball hätte abfangen können. Danach hatten die Deutschen noch einige Riensenchancen, die sie aber vergaben, schade bei meinem 3:0-Tipp. Besonders sehenswert: eine geniale Ball-Annhame von Havertz an einem Dänen vorbei, aber dann ein leider nicht so genialer Abschluss.
Letztlich ein verdienter Sieg der Deutschen, das sahen auch die Dänen so. Und doch halt die Frage aller Fragen, wie sie einen Rückstand verkraftet hätten. Aber von diesem „what if“ lebt der Sport, lebt der Fußball.
Mann des Tages
Nico Schlotterbeck: Souveräne Vorstellung hinten (weit besser als sein Nebenmann Anthony Rüdiger). Pech, dass sein Kopfballtor nicht zählte. Mit vielen guten Aktionen. Mehr als nur ein Ersatz für den Gelb-gesperrten Jonathan Tah. Ich bin gespannt, ob er sich auch im Viertelfinale beweisen darf.
Stark trotz der Niederlage
Kasper Schmeichel: Also auch hier der Torwart, der ein paar wirklich tolle Taten zeigte. Ansonsten nur ganz vereinzelte gute Aktionen eines insgesamt enttäuschenden Teams.
Ausblick des Siegers
Die Deutschen haben das Minimalziel Viertelfinale erreicht, was folgt, ist erfreuliche Zugabe. Wenn aber wie allgemein erwartet nächsten Freitag in Stuttgart Spanien (heute vs Georgien) der Kontrahent sein sollte, muss eine gehörige Steigerung her. Sogar die so harmlosen Dänen legten Abwehrschwächen offen. Gerade wenn es schnell geht, wirkt der Defensivverbund überfordert. Auf der anderen Seite gibt es offensiv viele Optionen – und zwar nicht nur den spielerisch so federleichten Musiala und den Brecher Niklas Füllkrug.
Und die Verlierer?
Danish Dynamite – das war einmal. Höchstens Fehlzündungen. Letztlich fährt man ohne Sieg und mit nur zwei Toren (eines sehr sehenswert) nach Hause, und niemand wird sie vermissen. Zumindest die Spieler, nicht die wunderbaren Fans, von denen ich mir ja am Dienstag in München ein Bild machen durfte. Einfach nette Leute, die Spaß haben wollten. Ob sie diesen in den nächsten Jahren an ihrem Team haben werden, wage ich zu bezweifeln.
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