So viel mehr als Elfer links unten

Eine sehr traurige und für mich völlig überraschende Meldung ereilte uns diese Nacht. Andy Brehme ist im Alter von nur 63 Jahren gestorben, offenbar wegen akuten Herzversagens. Nichts hatte sich angekündigt, noch vor einem Monat fand er ergreifende Worte für Franz Beckenbauer, der sein Teamchef war, als Deutschland 1990 den Weltmeister-Titel errang. Brehme ist der erste deutsche Weltmeister, der von uns gegangen ist.

Und dieses Endspiel in Rom, ein ziemliches Gewürge gegen ein ultra-defensives Argentinien, wird immer mit dem Namen Andi Brehme verbunden bleiben. Als es nach einem, nunja, Foul an Rudi Völler Elfmeter gab, schritt er zur Tat, weil er sich im Gegensatz zu Kapitän Lothar Matthäus sicher fühlte. Und gegen den Strafstoßkiller Sergio Goygochea vewandelte er ganz sicher: hart, platziert ins linke untere Eck.

Doch Andy Brehme täte jeder bitter Unrecht, reduzierte er ihn auf diesen Elfmeter. Das ganze Turnier in Italien war das Seine, es war ja auch quasi ein Heimspiel für ihn, der gerade seine beste Fußballzeit bei Inter Mailand in der Serie A erlebte. Im Achtelfinale gegen Holland in „seinem“ Mailänder San-Siro, diesem fulminanten Spiel mit Rijkaards Spuckattacke gegen Rudi Völler und dem folgenden Doppel-Rot, war es sein grandioser Schlenzer etwa zehn Minuten vor Schluss ins lange Eck, der die Vorentscheidung brachte. Und im Halbfinale gingen die Deutschen durch seinen grotesk grotesk abgefälschten Freistoß gegen England in Führung, der sich per unhaltbarer Bogenlampe hinter Keeper Peter Shilton ins Tor senkte. Und es versteht sich, dass er im notwendigen Elfmeterschießen seinen Versuch sicher verwandelte.

Brehme war so etwas wie das Lieblingskind von Beckenbauer, von allen Abwehrspielern kam er mit seiner fantastischen Technik der Leichtigkeit des Kaisers am nächsten. Mir fällt auch nach längerem Überlegen kein (nicht nur) deutscher Spieler ein, der mit beiden Füßen gleichermaßen so begabt war.

Sein Herzensverein neben Barmbek Uhlenhorst war für den Hamburger Jung der 1. FC Kaiseslautern, wo er als Profi durchstartete. Unvergessen sind für mich die Bilder nach dem Abstieg der Roten Teufel 1996 (er war nach seiner Erfolgskarriere in München und Mailand in die Pfalzzurückgekehrt), als er nach dem entscheidenden Spiel gegen Bayer Leverkusen wie ein Schlosshund heulend in den Armen von Bayer-Stürmer Rudi Völler lag. Da zeigte einer in der Niederlage echte Trauer und einer im Erfolg keinerlei Triumphgeste, sondern echtes Mitgefühl. Echte Freude blieben Brehme und Völler – bis zuletzt.

Umso schöner für Brehme, dass er mit den Lauterern noch die bisher einmalige Erfolgsgeschichte schreiben durfte. Sofortiger Wiederaufstieg und dann als Aufsteiger die Meisterschaft. Er war da nicht mehr der Hauptakteur, aber immer mit all seiner Klasse ein wichtiger Helfer, wenn ihn Trainer Otto Rehagel brauchte.

Ruhe in Frieden, Andy Brehme. Schöne Worte fand Walter Zenga, der Torwart der so erfolgreichen Inter-Mannschaft. „Ciao amico mio, das hättest du mir nicht antun dürfen, das hättest du uns allen nicht antun dürfen“, schrieb er auf Instagram: „Du bist zu früh weggegangen, mein Freund, aber ich weiß, dass du uns von oben beschützen wirst. Und wie immer wirst du dort stehen und die Elfmeter schießen, einen mit dem Rechten und einen mit dem Linken…“

https://www.sport1.de/news/fussball/champions-league/2024/02/inter-trauert-um-brehme-emotionale-worte-von-zenga