Keine Wahl – und doch viel Grund zum (Fremd)schämen

Es ist also offiziell: Saudi-Arabien wird Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2034. Meine Begeisterung ob dieser jetzt feststehenden Tatsache habe ich schon letzte Woche zum Ausdruck gebracht.

https://blickueberdenteich.de/erbaermliche-entscheidung-erbaermlicher-dfb/

Ich sehe auch jetzt nicht einen einzigen Grund, warum der DFB nicht seinen Unmut ob dieser
a) Entscheidung an sich
b) des Zustandekommens dieser Entscheidung, nämlich dass es
– keinen Gegenkandidaten gab durch Schmutzeleien des Herrn FIFA-Präsident Gianni Infantino
– es eine Doppelwahl 2030/2034 war, die die FIFA-Statuten eigentlich ausschließen
– dass es nicht mal eine geheime Wahl war, sondern eine Akklamation (bleiebt auch bei SED-Parteitagen).

Wer wirklich nachlesen will, wie toll das gewesen ist, den verweise ich auf meine Freunde der SZ
https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-fussball-wm-2034-saudi-arabien-infantino-vergabe-kritik-li.3164505

Danke Norwegen für wenigstens ein ganz kleines bisschen Sand im Jubel-Getriebe.

All das lässt nur den Schluss zu, dass der DFB nichts gegen diese undemokratischen Tricks des GA hat und auch nichts gegen SA als WM-Ausrichter. Es bleibt nur der absolute Offenbarungseid der längst nicht mehr mächtigen europäischen Verbände. Die sich trotzdem zusammentun hätten können (wenigstens ein paar von ihnen nach der norwegischen Vorlage), um mit starker Stimme aufzubegehren, zu kritisieren. Doch wegen des praktisch einstimmigen Votums für Saudi-Arabien sind jetzt auch sämtliche vielleicht noch bestehende Vorbehalte gegen einen Gastgeber irrelevant. Mit keinerlei Berechtigung darf eines der zustimmenden Länder jetzt Kritik üben oder gar Forderungen stellen. Denn die grauenhaften Umstände in Saudi-Arabien sind bekannt: das Kaltstellen von Kritikern, die gerne (wahrscheinlich im Wortsinn) auch ermordet werden, die erbärmliche Behandlung von Frauen als Menschen zweiter oder dritter Klasse: vor allem aber die Abertausenden von Bauarbeitern, die jetzt bei der Errichtung der Superduper-Stadien zu Tode kommen und  wie Leibeigende, ja wie Sklaven, behandelt werden ohne jegliche Rechte. All das ist bekannt durch unermüdliche NGOs, durch Amnesty Inernational etc; keiner darf sich herausreden, er habe nichts gewusst. Blanke Geldgier hat jegliche nach dem Katar-Desaster vielleicht noch existierende Moral über Bord geworfen. Exemplarisch das saudämliche Geschwätz von DFB-Präsident Bernd Neuendorf: dieses in jeder Beziehung unfähigen Mannes, der in den nächsten vier Jahren eine Million Dollar fürs Nichtstun einsackt (ich sehe die Dollarzeichen förmlich in seinen Augen samt der lächerlichen Brille auf der Stirn).

Warum hat niemand die Infantino-Show gecrasht mit Aufbegehren, mit lauter Kritik an SA und seinen Foltersknechten, den Kashoggi-Mördern. Niente, nada, nichts. Auch nicht von Trainern (danke für Nichts, du jämmerlich mutloser Nagelsmann), von den millionenschweren Profis, nichts und niemand! Nur das ganz kleine und gleich abgebügelte nel takk. Heja Norge.

Erbärmliche Entscheidung vom erbärmlichen DFB

Nächste Woche werden auf einer FIFA-Sitzung die WM-Gastgeber für 2030 und 2034 vergeben. Das Besondere und Absonderliche: Es gibt jeweils nur einen Kandidaten und es gibt nur eine Abstimmung, die auch keine geheime Wahl, sondern online geschieht. Es steht also jetzt schon fest, dass es 2030 zur obskuren 3-Kontinente-WM (je ein Spiele: Argentinien, Paraguay, Uruguay, dazu Marokko, Portugal und vor allem Spanien. 2034 kommt dann im Zuge der Kontinente-Rotation gezwungenermaßen Asien und damit Saudi-Arabien zum Zug, weil Australien dankend abwinkte.

So weit, so schlecht und traurig genug. Gerade ein Gastgeber Saudi-Arabien weckt bei Menschenrechtlern schlimmste Befürchtungen in punkto Frauenfeindlichkeit, katastrophale Bedingungen für die Stadion-Bauarbeiter. Katar mal 10, möge man sich das vorstellen, kritisieren Umwelt- und Menschenrechsverbände. Auch Fangruppen protestieren gegen die erneute Wüsten-WM.

Und die Verbände, gerade die in Europa? Sie tun: nicht, nada, niente. Das liegt natürlich an der perfiden Zusammenführung der Wahlen für 2030 und 2034. Man kann also nur gemeinsam beide Kandidaten gutheißen ode ablehnen oder sich enthalten, was aeiner Ablehnung gleichkommt. Diese Zusammenlegung, das dear FIFA-Chef Gianni Infantino praktisch im Alleingang verfügte, sorgte zwar durchaus für Grummeln, aber alle fügten sich, auch der DFB, immerhin der größte Sportverband der Welt und somit auch der größte Fußball-Verband der Welt. Kein Aufbefehren, nichts.

Die jetzige Zwickmühle sehe ich natürlich auch: Ein Nein des DFB zu Saudi-Arabien hätte unweigerlich auch ein Nein für die beiden befreundeten Europa-Verbände Spanien und Portugal zur Folge. Wobei auch dazu anzumerken sei, dass diese WM mit dem Südamerika-Trip auch der helle Wahnsinn ist, auch eine der fantastischen Infantino-Ideen.

Aber jetzt soll es um das Ja des DFB zu Saudi-Arabien gehen: Und dass es diese Ja-Stimme gibt, ist seit heute offiziell. Einstimmig beschloss das Präsidium dieses Votum, das der Chef Bernd Neuendorff nächste Woche also online abgibt. „Es gab keine Stimme, die gesagt hat, dass wir hier falsch unterwegs sind“ versicherte. er. Es hatte also keiner den Mut, aufzubegehren gegen diesen Schritt, der den Gipfel des Sportswashing, das Saudi-Arabien betreibt, anzweifelt. Es gab also niemanden, der den absoluten Unrechtsstaat geißelt, der Kritiker gerne mal auch im Ausland verfolgen und ermorden lässt. Neuendorff nannte das „kritisch“, welch ein Euphemismus. Vielleicht hatte vielleicht der  oder die andere (es gibt mittlerweile sogar mehr als eine Frau im Präsidium)  Bedenken, doch da fehlte der Mut, frei nach Oliver Kahn (man möge mir verzeihen): die Eier, die Cojones, die Balls. Niemand will es sich verscherzen mit, ja mit wem eigentlich? Mit Neuendorff??? Und wwarum eigentlich zieht der DFB so erbärmlich den Schwanz ein? Man habe Angst, isoliert zu werden bei einem Nein, betont Neuendorff. Und dieses Nein wäre auch rein symbolhaft, weil Saudi-Arabien ohnehin gewählt würde. Und so folgert Neuendorff in verquerer Logik: Nur, wenn der DFB jetzt Ja zu Saudi-Arabien sage und die Menschenrechte somit ignoriere, könne der Verband seriös danach auf Menschenrechte pochen.

Meine Kritik an Sportverbänden und ihren Repräsentanten ist jedem bekannt, der hier länger dabei ist. Aber dieses Gebahren ist ein weiterer Tiefpunkt. Nicht, dass ich Herrn Neuendorff selbst auch nur ansatzweise Mut oder so etwas zugetraut hätte. Aber dass alle im Verband wie die Lemminge folgen, zum tausendsten Mal die Stimmen der Fans nicht einmal ignoriert werden, macht mich traurig, ja fuchsteufelswütend. Getrieben von purer Geldgier, riesigem Geltungsdrang wird hier abgestimmt, weil ja sonst angeblich nie, nie, nie mehr Deutschland auch nur das geringste mehr zu sagen haben oder sogar Gastgeber eines Sommermärchens. Die Fußballer dürfen es dann 2034 ausbaden (was ich hoffentlich noch erlebe), und wie das dann fantastisch schiefgeht, haben wir 2022 gesehen. Also heißt das Motto: Nimm jedes Geld und ignoriere auch die schlimmsten Schandtaten.

Si tacuisses, Herr Nagelsmann

„Wir haben in Katar gesehen, dass zu viele politische Themen eine Mannschaft schon belasten können. Da sollten wir alle draus lernen. Dass nicht alle Dinge top funktionieren in Saudi-Arabien, glaube ich, liegt auf der Hand. Aber das sind nicht unsere Bewertungsgrundlagen. Wir müssen uns sportlich so präparieren … dass wir ein gutes Turnier spielen.“ (Julian Nagelsmann, deutscher Bundestrainer)

Was für ein Armutszeugnis, was für ein Offenbarungseid eines doch intelligenten Mannes (muss ich dieses Attribut aus meinem Hirn löschen?). Deutlicher könnte einer seine Abgehobenheit nicht zum Ausdruck bringen. Da ist ein Mann, der in Deutschland als Bundestrainer durchaus ein Standing hat, dessen Worte Gewicht haben, der mit diesen eine Gesellschaft aufrütteln könnte. Dieser Mann hat sogar erkannt, dass die Menschenrechte und vieles andere mehr in Saudi-Arabien mit Füßen getreten werden. Nicht einmal diesen Umstand will er klar benennen, sondern euphemisiert („nicht alle Dinge top funktionieren“). Und zu was entscheidet er sich? Nichts dazu zu sagen und eben noch schlimmer: Auch noch zu sagen, dass er nichts sagt. Wie schrieb schon Erich Kästner sinngemäß?: „An allem Unrecht sind nicht nur die Schuld, die es begehen, sondern auch diejenigen, die es nicht verhindern.“

Dabei wäre genau jetzt der Zeitpunkt des Fußballs und seinen seinen Funktionären, den Sportdirektoren, den Trainern, dass sie dem vom geldgeilen FIFA-Chef Gianni Infantino ausbaldowerten WM-Teilnehmer 2034 (!) Saudi-Arabien den Stinkefinger zeigen. Denn höchstwahrscheinlich am 11. Dezember wird das Land offiziell gewählt, da es keinen Gegenkandidaten gibt (unter anderem aufgrund der irrsinnigen 3-Kontinente-WM 2030  – ein Trauerspiel für sich -, die am selben Tag kurz zuvor durchgewinkt werden wird. Und das, obwohl in Saudi-Arabien Bauarbeiter für Großprojekte laut Amnesty International noch furchtbarer behandelt werden als in Katar anlässlich zur WM 2022, ich kann es mir kaum vorstellen. Was wäre das für ein Zeichen, wenn der DFB mit seiner sportlichen Führung klar benennen würden, was für eine erbärmliche, indiskutable, menschenverachtende Entscheidung es ist, dieses zutiefst frauenfeindliche Land, das Morde im Ausland an kritischen Menschen beauftragt  (Kashoggi), zum WM-Gastgeber zu küren. Warum schaffen es die großen europäischen Verbände nicht, sich gemeinsam gegen den FIFA-Diktator Gianni Infantino zu stellen. Aber nein: Alle kuschen, freuen sich auf die blutgetränkten Milliarden-Einnahmen. Scheiß da doch auf die Menschenrechte, scheiß auch auf die erbärmliche Behandlung der Bauarbeiter, die die Stadien unter unwürdigsten Bedingungen hochziehen müssen, die wie Sklaven behandelt werden.

Natürlich wird ein einzelner Bundestrainer die Entscheidung nicht verhindern können. Aber was wäre das für ein Zeichen: Julian Nagelsmann und der Prädident des größten nationalen Fußball-Verbandes der (okay, bei diesem trostlosen, dafür von der FIFA-Mafia bestens dotierten DFB-Chef Bernd Neuendorff wäre das in etwa so wahrscheinlich, wie wenn die Hölle zufriert) geißeln die Entscheidung, geißeln Saudi-Arabien, geißeln Infantino und all seine geldgierigen Vasallen. Und suchen dafür wichtige Mitstreiter in Europa, in Südamerika, die noch einen Hauch Anstand in ihren Funktionärsseelen haben. Die muss es doch geben!, hoffe ich  – noch nicht völlig desillusioniert. Aber nein, hübsch diplomatisch bleiben, kuschen, vielleicht darf Deutschland ja bald wieder Gastgeber eines großen Turniers sein. Final Four der Nations League 2025 etwa. Neues Geld auch für die eigene Funktionärskasse, und die Geltungssucht kann erneut befriedigt werden.

Und ein heutiger Aufruhr würde wohl kaum das sportliche Abschneiden von 2034 belasten wie das unselige Binden-Theater 2022. Zumal es höchst unwahrscheinlich ist, das Julian Nagelmann bis dahin noch Bundestrainer ist. Und deswegen könnten mutige Menschen einen Aufstand anzetteln. Schade, dass ein Julian Nagelsmann diesen Mut, der ihm persönlich gar nicht viel abfordern würde, nicht aufbringen will.

Urteil gegen Fanprojekte, und letztlich gegen den Fußball

Im Namen des Volkes. Aber bestimmt nicht ein Urteil im Sinn des Fußballs und vor allem diejenigen, die das Fanwesen zumindest ein bisschen einhegen wollten. Am Montag befand das Amtsgericht Karlsruhe drei Mitarbeiter eines Fanprojekts des KSC der „versuchten Strafvereitelung“ für schuldig. Diese hatten sich in einem anderen Fall, in der die Staatsanwaltschaft wegen eines Pyrotechnik-Vorfalls mit 11 Verletzten ermittelte, die Aussage verweigert und beriefen sich auf ein Zeugnis-Verweigerungsrecht. Dieses allerdings gibt es für diese Mitarbeiter eines sozialen Dienstes nicht und das war ihnen auch bewusst. Das Gericht blieb bei seinem Strafmaß unter dem Strafbefehl von 120 Tagessätzen und mit 90  haarscharf unter der Grenze von 91, damit die drei Frauen wenigstens nicht vorbestraft sind. Die Staatsanwaltschaft hatte gar 160 Tagessätze gefordert. Nur mal zum Vergleich: Jens Lehmann wurde zu einer Geldstrafe mit 150 Tagessätzen verurteilt wegen Sachbeschädigung und versuchten Betrug. Er hatte mit einer Kettensäge den Dachbalken eines Nachbarn angesägt.

So weit, so ungut. Fan-Beauftragte sind im durchaus zerrütteten Verhältnis zwischen Fans und Staatsgewalt (Polizei) ein mediativ arbeitendes Organ. Oft haben nur noch sie von außen  Zugang zu den Ultras. Eben durch Vertrauen, das sie sich nach und nach erarbeitet haben. Dieses Vertrauen basiert elementar darauf, dass Sachen, die die Mitarbeiter erfahren, nicht an die Öffentlichkeit geraten auch nicht an Staatsorgane. Wenn jetzt diese Mitarbeiter per drohender Strafe, die ja durchaus auch noch viel höher ausfallen  und schlimmstenfalls sogar Haft bedeuten kann, ist dieses Vertrauen naturgemäß weg. Davon abgesehen, dass kaum ein vernünftiger Mensch sich der Gefahr einer Ermittlung noch aussetzen will und diese so elementar wichtige Tätigkeit also überhaupt ausüben will. Die große Frage lautet also, die im übrigen auch der urteilenden Richterin klar war und die sie auch benannte: Sollen derlei Fanprojekte, die ja oft Projekte einer Stadt oder öffentlichen Einrichtung sind, und ihre Mitarbeiter von einem Zeugnisverweigerungsrecht geschützt werden. Wie also ein Rechtsanwalt, ein Geistlicher, aber auch ein Journalist, aber bisher bei Sozialarbeitern nur in absoluten Ausnahmefällen. Im vorliegenden Fall beriefen sich die Mitarbeiterinnen darauf, dass sie ihre Arbeit schützen wollten, aber nicht eventuelle Straftäter. Nebenbei angemerkt sei es auch sehr unwahrscheinlich, dass sie zur Lösung des ursprünglichen Falls beitragen hätten können, auch weil die Täter vermummt gewesen wären.

Wegen der besonderen Bedeutung von solchen Fanprojekte bundesweit geht der Fall in die nächste Instanz, vielleicht sogar bis zum bundesverfassungsgericht, wo dann vielleicht in 5 Jahren ode so ein endgültiges Urteil gesprochen wird. Es geht darum, dass die vor allem jugendlichen Fans einen Ansprechpartner außerhalb ihrer Blase finden. Mit denen sie über alles reden können, die ihnen auch andere Wege aufzeigen können. Die sie vor allem nicht sofort verurteilen. Und es geht meistens ja nicht um schwere Straftaten.Ich frage mich: Warum werden Mitarbeiter eines Sozialdienstes wie auch Streetworker, die so wertvolle Arbeit leisten (nicht nur bei Fanprojekten), nicht besser geschützt, wenn sie schon so dürftig bezahlt werden. Ist der jetzigen Regierung nicht sexy genug.

Wie zerrüttet das Verhältnis Fans/Obrigkeit grundsätzlich ist, zeigte sich ja eine Woche vorher. Da tagte die Sportminister-Konferenz, und einige der Teilnehmer wie etwa CSU-Innenminister Joachim Herrmann überboten sich in Aushandeln eines möglichen Strafenkatalogs. Als sei ein Stadion der reinste Sündenpfuhl, wo es nur Mord und Torschlag gäbe und es vor Chaoten und Kriminellen nur so wimmele. Fußball-Schnellgerichte, Kollektivstrafen, Geisterspiele, Punktabzüge und personalisierte Tickets – ohne diese Maßnahmen würde es nicht gehen, um diesem sündhaften Treiben ein Ende zu bereiten.
Es gab also einen Austausch der Politiker mit Innenministerin Nancy Faeser und eben Herrmann, Mäurer (Bremen), Behrens (Niedersachsen) unc Co., zu dem auch Vertreter von DFL und DFB geladen wurden. Es fehlten: Die Fans und auch alle Fan-Vertreter, die deren Ansicht hätten vortragen können.Die Zahlen belegen eher, dass die Horror-Szenarien eines Herrmann eher eine Gewaltfantasie sind. In der Saison 2022/23 wurden in den ersten drei Bundesligen insgesamt 1176 Fans verletzt, bei insgesamt 22,8 Millionen Besuchern. Das sind 0,00516 Prozent, inklusive derjenigen, die von der Polizei bei ihren Einsätzen verletzt wurden.

Jeder Verletzte ist natürlich einer zu viel. Aber (nicht nur statistisch): Ein Fußball-Stadion viel sicherer als etwa der Besuch eines Wiesnzeltes. Wirklich nervend und auch gefährlich sind sogenannte Fans, die auf dem Weg ins Stadion und gerne schon auf den Auswärtsfahrten im Zug randalieren. Da kann ich tatsächlich die Bahn verstehen, die diese Leute nicht mehr transportieren will, auch wenn auch friedliche Schlachtenbummler von ausfallenden Zügen betroffen wären.

 

DFB: Marktwirtschaft oder Vaterlandsverrat

Nike statt Adidas

Die Meldung ploppte gestern relativ unscheinbar per Pressemitteilung auf: Der DFB wird ab 2027 nicht mehr wie bisher von Adidas ausgestattet, sondern von Nike. Wohlgemerkt, nur Trikots, Hosen und Stutzen, also keine Schuhe, und die sind doch eigentlich das wichtigste Utensil. Dem Vernehmen nach hat Nike mit 100 Millionen Euro etwas das Doppelte geboten, wie Adidas zuletzt an den größten Sprtverband der Welt gezahlt hat. Nach Schockstarre (?) gibt es Reaktionen, und die fallen nicht sehr schmeichelhaft aus. Vor allem die große Politik kriegt sich gar nicht mehr ein in ihrer selten einhelligen Kritik, ja Verdammung. Ein Auszug.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte sich mehr Standortpatriotismus (sehr schönes Wort von einen Grünen) seitens des Verbandes gewünscht
  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Kommerz hat Tradition und ein Stück Heimat vernichtet.
  • Markus Söder: entscheidung ist falsch, schade und unverständlich. Deutscher Fußball ist Heimat pur – und kein Spielplatz internationaler Konkurrenzkämpfe

Man möchte meinen, das Ende des Vaterlandes sei eingeläutet. Naja, gab auch aus deren Sicht sonst nichts Wichtiges. Cannabis-Freigabe, so what? Den Vogel abgeschossen an Trauer- und Unmutsbekundungen hat aber der hessische Ministerpräsident Boris Rhein. Wörtlich sagte er: „Der Weltmeister trägt Adidas und nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke.“ Er ergänzte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der DFB das am Ende durchhalten kann. „Dazu ist dreierlei anzumerken. Den Marktführer in Sachen Sportbekleidung als Fantasiemarke zu bezeichnen – darauf muss man erst mal kommen als MP eines Bundeslandes, das den wichtigsten Börsenplatz in Deutschland beherbergt. Allerdings hat er Recht, wenn er sagt, dass der Weltmeister Adidas trägt. Blöd halt, dass er blau-weiß gestreifte Trikots hat und kein schwarz-rot-goldenes. Ach ja, Eintracht Frankfurt (Hessen!) ist in Nike-Ausrüstung 2022 EL-Sieger geworden. War in den Jubelarien kein Thema, warum auch?

So gerne ich den DFB kritisiere. Wenn die Zahlen stimmen, ist das die einzig richtige Entscheidung. Es geht ja nicht um ein paar Millionen hin oder her, wo vielleicht die Empathie ausschlaggebend ist, sondern um einen Unterschied von insgesamt 400 Millionen Euro (10 Jahre Laufzeit). Der DFB ist (aus eigenem Verschulden, Akademie!) klamm, das Geld kann er bestens gebrauchen für seine Einrichtungen, mehr Personal für den Nachwuchsfußball. Die Profis selbst dürften wenig bis gar nicht von dem Deal profitieren (hoffe ich zumindest). Wäre daa eine öffentlich-rechtliche Ausschreibung, wäre der DFB quasi vepflichtet gewesen, dieses Angebot anzunehmen.

Und wenn die Vaterlandskeule schon so heftig geschwungen wird, darf ich schon die Frage stellen, warum die beiden Milliardenkonzerne Adidas und Puma nicht mehr geboten haben für des Deutschen liebstes Kind. Sie werden gerechnet haben. Nike geht es offenbar darum, seine Position weiter auszubauen. Mit Trikotverkauf wird diese Summe nicht erwirtschaftet werden. Die Anleger sehen das Ganze erst mal kritisch. Der Kurs von Nike brach ein, sicher nicht nur wg dieser Entscheidung, sondern weil das insgesamt Ergebnis nicht gefiel

Aber der Zeitpunkt – ein Desaster

Nur wäre der DFB nicht der DFB, wenn er nicht den Zeitpunkt der Bekanntgabe Bekanntgabe völlig verhunzt hätte. Eine Woche nach der Vorstellung der neuen (Auswärts)-Trikots für die Heim-EM, in der Woche vor zwei ganz wichtigen Länderspielen so ein Fass aufzumachen, ist absolut indiskutabel. Größer und gereckter kötte der Stinkefinger gegenüber dem bis dahin doch sehr treuen Vertragspartner nicht sein. Aber für die katastrophalen Zeitpunkte von wichtigen Bekanntgaben ist der DFB berüchtigt, man denke an die Vertragsauflösung mit dem damaligen Bundestrainer Hansi Flick punktgenau zu dem Zeitpunkt, als die deutschen Basketballer im Finale gegen Serbien drauf und dran waren den Titel zu holen

 

Ein Versuch über Tennisbälle

Die gute Nachricht zuerst. Auch heute (Stand 18.30 Uhr) sind alle Spiele in der 1. und 2. Bundesliga beendet worden. Doch wieder flogen Tennisbälle, fuhren ferngesteuerte Autos sogar mit Pyrotechniküber den Rasen. Wieder standen einige Partien vor dem Abbruch, aber eben nur kurz davor, weil die Schiris Geduld zeigen und es auch von den Fans nicht zum Äußersten geht. 20 bis 25 Minuten scheinen gerade eine Schmerzgrenze zu sein. Für mich war das heute in einer ansonsten mal wieder recht lahmen Konferenz ein neuer Spannungsmoment. Der Übersicht allerdings ist es nicht dienlich, wenn die Spiele zu einem so großen Zeitunterschied abgepfiffen werden.

Und noch eine gute Nachricht: Widerliche Fadenkreuzplakate, in denen eine bestimmte Person abgebildet wurde wie vergangene Woche Martin Kind von den eigenen 96er-„Fns“, hab ich nicht gesehen. So eine entwürdigende Entgleisung gibt es auch gar nichts zu beschönigen, wie das in der vergangenen Woche ein Fanvertreter im Doppelpass versucht hat. Auch wenn das kein Aufruf zum Mord ist, wie die Bild etwa geifert, eine strafwürdige schwere Beleidigung ist das allemal. Und das Gefasel, das Fadenkreuz sei nunmal das Kennzeichen des Protestes allgemein gegen die Professionalisierung des Fußballs, finde ich niur noch hanebüchen. Warum nicht zugeben, dass man damit weit übers Ziel hinausschießt und es zudem der Sachen absolut nicht dienlich ist.

Ansonsten kann ich die Proteste gut verstehen. Die Art und Weise, wie die DFL ihren Investor an Land ziehen will, ist immer noch sehr intransparent. Sie hat keine offene und nachvollziehbare Abstimmung gemacht, sondern eine Geheimabstimmung abgehalten. Doch diejenigen, die abgestimmt haben, hatten eigentlich jeweils einen klaren Stimmauftrag ihrer Vereine, und jetzt weiß niemand (zumindest offiziell nicht), wer wie abgestimmt hat und ob alle ihren Vereinsvoten gefolgt sind.

Dann ist es natürlich ultrablöd für die DFL gelaufen, dass die erforderliche 2/3-Mehrheit auf die Stimme gerade so erreicht wurde mit 24 Ja-Stimmen und zumindest sehr große Indizien dafür sprechen, dass zumindest Martin Kind nicht im Sinne seines Vereins Hannover 96 mit Ja gestimmt hat: Das wäre aber ein klarer Verstoß zumindest intern gegen die von der DFL angeblich so heilige 50+1-Regel (kein Investor oder Einzelperson oder Werbe-Gremien dürfen eine Mehrheit haben), diese bleibt dem Mutterverein.

Die Proteste zeitigen Wirkung. Einige Clubs drängen auf eine neue, dann transparentere Abstimmung. Juristisch scheint die DFL sogar auf sicherem Boden, weil sich das Innenverhältnis Kind/Hannover nicht aufs Außenrhältnis, also die Gültigkeit der Abstimmung, haben soll. Schon das finde ich offen gesagt zumindest strittig, denn im allgemeinen Vertretungsrecht, remember meine 1. Jura-Hausarbeit im Frühjahr 1985 (seufz) ist zumindest dann der Makel dann von Belang, wenn die andere Vertragspartei davon Kenntnis hatte. Und 1. wusste die DFL, also der Vertragspartner, wie die Meinung der 96-Mitglieder ist, sie wusste, dass ihr Vertreter Martin Kind ein Befürworter des Inverstors ist. Was sie nicht positiv weiß und offensichtlich auch nicht wissen wollte ist, wie letztlich Kind tatsächlich gestimmt hat. was ich nicht weiß, ob sich das so 1 zu 1 aufs Vertrags- oder Stimmrecht übertragen lässt

Klar muss doch jeden sein, dass der Investor, es ist ja nur noch ein Kandidat übriggeblieben, mit dieser Bürde ein riesiges Handicap hat, weil das Mandat nicht eindeutig ist. Und auch wenn es juristisch vielleicht sogar schwierig ist:  Angesichts der immensen Bedeutung dieser Abstimmung, sie wirkt 20 Jahre nach, muss doch doch alles getan werden, damit nicht der Hauch eines Zweifels am richtigen Zustandekommen der Entscheidung dazu besteht, und damit meine ich nicht nur juristisch sattelfest, sondern auch moralisch. Und die habe nicht nur ich extrem große Zweifel.

Noch ein Nebengeräusch

Sky, dem derzeitigen Rechteinhaber der Konferenz, können diese zeitversetzt endenden Spiele überhaupt nicht gefallen. Bisher konnte man in der Pause vor und nach der Analyse, die aufgrund ihrer erbärmlich kurzen Dauer von höchstens 2 Minuten diesen Namen eh nicht verdient hat, einige Werbesports zeigen. Kann man ja immer noch, aber die Zuschauer können jetzt zu einem noch laufenden Spiel indie Einzeloption wechseln. Das werden sich die Werbepartner nicht mehr lang anschauen.

Interessant wird das vor allem deshalb, weil im Frühjahr die die Fernsehrechte ab 2025 vergeben werden. Da könnte ich mir vorstellen, dass, wenn nicht sogar schon geschehen, die Werbepausen ohne Konkurrenz zu laufenden Spielen zu geschehen haben. Zumindest ich als Firmen-Verantwortlicher würde mir das in den Vertrag einschreiben lassen.

Es bleibt also spannend. Vielleicht kann man ja wetten, wann die Proteste aufhören, ob die DFL einknickt, ob de letzte vebliebene Interessent auch noch abspringt ode ob es gar zu einem Spielabbruch kommt.