DFB: Marktwirtschaft oder Vaterlandsverrat

Nike statt Adidas

Die Meldung ploppte gestern relativ unscheinbar per Pressemitteilung auf: Der DFB wird ab 2027 nicht mehr wie bisher von Adidas ausgestattet, sondern von Nike. Wohlgemerkt, nur Trikots, Hosen und Stutzen, also keine Schuhe, und die sind doch eigentlich das wichtigste Utensil. Dem Vernehmen nach hat Nike mit 100 Millionen Euro etwas das Doppelte geboten, wie Adidas zuletzt an den größten Sprtverband der Welt gezahlt hat. Nach Schockstarre (?) gibt es Reaktionen, und die fallen nicht sehr schmeichelhaft aus. Vor allem die große Politik kriegt sich gar nicht mehr ein in ihrer selten einhelligen Kritik, ja Verdammung. Ein Auszug.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte sich mehr Standortpatriotismus (sehr schönes Wort von einen Grünen) seitens des Verbandes gewünscht
  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Kommerz hat Tradition und ein Stück Heimat vernichtet.
  • Markus Söder: entscheidung ist falsch, schade und unverständlich. Deutscher Fußball ist Heimat pur – und kein Spielplatz internationaler Konkurrenzkämpfe

Man möchte meinen, das Ende des Vaterlandes sei eingeläutet. Naja, gab auch aus deren Sicht sonst nichts Wichtiges. Cannabis-Freigabe, so what? Den Vogel abgeschossen an Trauer- und Unmutsbekundungen hat aber der hessische Ministerpräsident Boris Rhein. Wörtlich sagte er: „Der Weltmeister trägt Adidas und nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke.“ Er ergänzte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der DFB das am Ende durchhalten kann. „Dazu ist dreierlei anzumerken. Den Marktführer in Sachen Sportbekleidung als Fantasiemarke zu bezeichnen – darauf muss man erst mal kommen als MP eines Bundeslandes, das den wichtigsten Börsenplatz in Deutschland beherbergt. Allerdings hat er Recht, wenn er sagt, dass der Weltmeister Adidas trägt. Blöd halt, dass er blau-weiß gestreifte Trikots hat und kein schwarz-rot-goldenes. Ach ja, Eintracht Frankfurt (Hessen!) ist in Nike-Ausrüstung 2022 EL-Sieger geworden. War in den Jubelarien kein Thema, warum auch?

So gerne ich den DFB kritisiere. Wenn die Zahlen stimmen, ist das die einzig richtige Entscheidung. Es geht ja nicht um ein paar Millionen hin oder her, wo vielleicht die Empathie ausschlaggebend ist, sondern um einen Unterschied von insgesamt 400 Millionen Euro (10 Jahre Laufzeit). Der DFB ist (aus eigenem Verschulden, Akademie!) klamm, das Geld kann er bestens gebrauchen für seine Einrichtungen, mehr Personal für den Nachwuchsfußball. Die Profis selbst dürften wenig bis gar nicht von dem Deal profitieren (hoffe ich zumindest). Wäre daa eine öffentlich-rechtliche Ausschreibung, wäre der DFB quasi vepflichtet gewesen, dieses Angebot anzunehmen.

Und wenn die Vaterlandskeule schon so heftig geschwungen wird, darf ich schon die Frage stellen, warum die beiden Milliardenkonzerne Adidas und Puma nicht mehr geboten haben für des Deutschen liebstes Kind. Sie werden gerechnet haben. Nike geht es offenbar darum, seine Position weiter auszubauen. Mit Trikotverkauf wird diese Summe nicht erwirtschaftet werden. Die Anleger sehen das Ganze erst mal kritisch. Der Kurs von Nike brach ein, sicher nicht nur wg dieser Entscheidung, sondern weil das insgesamt Ergebnis nicht gefiel

Aber der Zeitpunkt – ein Desaster

Nur wäre der DFB nicht der DFB, wenn er nicht den Zeitpunkt der Bekanntgabe Bekanntgabe völlig verhunzt hätte. Eine Woche nach der Vorstellung der neuen (Auswärts)-Trikots für die Heim-EM, in der Woche vor zwei ganz wichtigen Länderspielen so ein Fass aufzumachen, ist absolut indiskutabel. Größer und gereckter kötte der Stinkefinger gegenüber dem bis dahin doch sehr treuen Vertragspartner nicht sein. Aber für die katastrophalen Zeitpunkte von wichtigen Bekanntgaben ist der DFB berüchtigt, man denke an die Vertragsauflösung mit dem damaligen Bundestrainer Hansi Flick punktgenau zu dem Zeitpunkt, als die deutschen Basketballer im Finale gegen Serbien drauf und dran waren den Titel zu holen

 

Versuch über den Anstich

Liberalitas bavariae nach Söderscher Art

Vorbemerkung: Als ich diesen Blog startete, schwor ich mir, beim Sport zu bleiben und mich höchstens noch in die Niederungen der Sportpolitik zu begeben. Hier kenne ich mich am besten aus, hier kann ich mich mehr oder weniger kenntnisreich äußern. Und das reine Sportgeschehen ist eben trotz allem nicht so elemantar wichtig (auch wenn er bzw  die Verantwortlichen das manchmal von ihm zu glauben scheinen).
Doch nach einem guten halben Jahr reift die Erkenntnis: Das reicht mir nicht. Es gibt so viel, worüber ich mich aufrege, und diese Aufregung möchte ich aufschreiben, mitteilen und vor allem, warum. Mit der Einschränkung, das ich eine rein parteipolitische Debatte hier nicht anzettele. Die, die mich kennen oder auch nur hier lesen, werden hoffentlich ungefähr ahnen, wie ich ticke und was für mich ein No Go ist. Ebensowenig möchte ich, zumindest Stand heute, hier eine pro-und-contra-Diskussion zu Gesetzesvorhaben anzetteln oder gar eine Diskussion zu Wahlen. Mal schauen, ob und wie lange und wie konsequent ich das durchhalte.

Eher das, was so gesellschaftspolitisch in diesem Land passiert. Und hoffentlich immer so, dass ich niemandem extrem auf die Füße steige. Und heute, der 29. Februar mit seiner Besonderheit, schien mir ein guter Zeitpunkt. Zumal ich jetzt genau zur Hälfte ein Sechzger, ein 60er, bin. Und das aktuelle Thema habe ich auch, nämlich den gestrigen Starkbieranstich. Keine Angst: es gibt keine Kritik oder Rezession über die Salvatorrede und das Singspiel selbst, sondern eher Anmerkungen über das Große Ganze, das Drumherum.

Also: Für all jene, die nicht wissen, was der starkbieranstich ist. Immer zwei Wochen nach Aschermittwoch beginnt in Bayern die Starkbierzeit. Das heißt, große und kleine Brauerreien brauen ein spezielles Bier und wie der Name Starkbier schon vermuten lässt, dieses ist bedeutend alkohollastiger, haut also richtig rein. Das Starbier hat einen besonderen Namen, Triumphator, Salvator and so on. Dieses Ereignis wird in Bayern gebührend gefeiert, mit der traditionellen Starkbierprobe im am Nockherberg im Salvatorkeller. Und hier findet das sogenannte Derblecken statt, in der Festrede zieht der Fastenprediger über die zahlreich erschienene politische Prominenz her, die das mehr oder weniger lächelnd aufnimmt. Diese wird vom Gastgeber, der Paulaner-Brauerei persönlich eingeladen. Wer dieser Einladung nicht folgt, muss zumindest als wichtiger Landespolitiker, enorm gute Gründe haben. In der Festrede macht sich der Prediger also über die Politiker lustig, zählt die tatsächlichen  und vermeintlichen Fehler und Fehlerchen auf. Am besten sind die Reden, wo einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Also weniger Dampfhammerwitz denn feine Klinge, enorm schwierig und für den Auserwählten Redner ein Ritterschlag; allerdings einer mit Tücken, denn natürlich wird die Rede in allen Facetten seziert: von den Politikern selbst , von jedem Medium und jetzt halt von jedem, der sichdazu bemüßigt fühlt. Eine kleine Auswahl: Walter Sedlmayr, Bruno Jonas, Django Asül, Luise Kinseher und aktuell Maxio Schaffroth.

Mittlerweile überträgt der BR live. Es ist wohl jedes Jahr das wichtigste Fernseh-Ereignis des Senders. Dieses Jahr schauten mehr als 2,6 Millionen Menschen zu, allein in Bayern 1,8 (MA 43%). Und jetzt komme ich zu dem, was mich wirklich beschäftigt: dem eigentlichen Hauptdarsteller, dem Bier, dem Alkohol darin. Denn dieses fließt reichlich (mit besagter Wirkung). Gestern durfte der scheidende Paulaner-Chef eine gut viertelstündige Rede halten: (stark verkürzt) auf das schöne Bayernland, das wunderschöne München und das tolle Bier und die tolle Brauerei. Und dann servierte er dem natürlich anwesenden Ministerpräsidenten Markus Söder die erste Maß, und der MP nach einen tiefen genussvollen Schluck aus dem Bierhumpen. Und alle 600 geladenen Gäste prosteten sich zu, wohlgemerkt zur besten Sendezeit, zu der auch Kinder noch nicht im Bett sind.

Und auch während der Rede und dem nachfolgenden Singspiel immer wieder Bildschnitte auf das sich amüsierende Publikum und dessen Anstoßen mit dem so wunderbar schmeckenden Bier. Naja, wir sind ja auch in Bayern, wo vor einigen Jahren der damalige Ministerpräsident Günter Beckstein, einst Schwarzer Scheriff genannt, befand, nach 2 Maß auf der Wiesn könne ein gestandeneMannsbild doch noch selbst mit dem Auto nach Hause fahren. (Auch das Wiesn-Bier ist auch etwas stärker wie das normale, wenngleich nicht so alkohollastig wie Starkbier).
https://www.sueddeutsche.de/bayern/beckstein-zu-alkohol-am-steuer-zwoa-gehn-scho-1.709751

Soweit zur Vorbildfunktion der Politiker. Wobei: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, das in dem blickdichten Maßkrug des MP Markus Söder gar kein Starkbier drin ist, sondern Coca Cola. Also nicht so schlimm? Ich sage: im Gegenteil, das würde die Sache noch schlimmer, weil verlogener machen.

Immer vorausgesetzt, dieses Gerücht stimmt:
Dann wird Söder in all seiner Weisheit erkannt haben, dass ihm so eine Maß Starkbier nicht sonderlich gut bekommt und er lieber seine 5 Sinne beisammen hält für seine verantwortungsvolle Tätigkeit. Meine Idealvorstellung, die aber eher im Lande Utopia Realität wird, er würde der Allgemeinheit seine Bedenken mitteilen. Gar nicht in Form eines erhobenen Zeigefingers oder gar eines Verbotes, aber so ein kleiner Ausflug in die Risiken und Nebenwirkungen … Denn das würde in Deutschland, zumal in Bayern heiß diskutiert werden.

Nun würde ich mich erheblich weniger über diese Verlogenheit oder eben tatsächlicher Alkoholgenuss aufregen, wenn derselbe Ministerpräsident bei anderen Genussmitteln genauso entspannt wäre. Ist er aber eben nicht – im Gegenteil, Der Feldzug gegen Cannabis beweist das. Und jetzt, da ganz sanft und mit vielen Einschränkungen zumindest der Konsum von Cannabis zulässig ist und man nicht mehr wg eines Joints die Härte des Gesetzes spüren muss, ist für ihn und so vielen seiner Parteigenossen das Ende des Vaterlandes nicht mehr weit. Das sei katastrophal, wütet er. Er überlege sich eine Verfassungsklage dagegen – leider, leider mit nicht so guten Aussichten, wie er bedauert. Aber dann, so donnert er weiter, wird in Bayern das besonders eng ausgeübt, also ohne den geringsten Spielraum für die Exekutive. Die armen Polizisten müssen das also ausbaden, das schreibe ich ohne jede Ironie. Liberalitas bavaritas nach der bayerischen Art, also Freiheit fürs Volk genau dann, wenn es dem MP gefällt.

Diese völlig ungleiche Behandlung zweier gesundheitsschädigenden Drogen erzürnt mich, zumal alle Experten sagen, dass letzten Endes der Alkoholkonsum schädlicher ist: Findet den Fehler …

Und ich gönne übrigens jedem seine Maß (Stark)Bier und/oder einen Joint dazu.

Der Münchner Löwe einen

P.S. Ich male mir gerade aus, es gäbe einen ähnlichen Aufmarsch live im Fernsehen, wo eine Haschzeremonie abgehalten wird. Auch mit noch so viel Fantasie: Dieses Utopia kann nicht in Bayern sein.