Insgesamt ein großer Spaß

Endlich wieder ein Fußbal-Großereignis in einem Fußball-Land. Und die Deutschen haben ihre EURO von Beginn an gut aufgenommen, die zahllosen Gäste konnten und durften sich wohlfühlen. Was bleibt übrig, was war vielleicht doch nicht so gut, und wie schaut mein sportliches Resümee aus, nicht nur aus deutscher Sicht.

Das Turnier

Um erst mal mit einem Begriff aufzuräumen. Es war kein zweites Sommermarchen, erst recht kein Sommermärchen 2.0, das sollte es auch nie sein, auch wenn es so viele herbeischreiben und -reden wollten. Märchen gibt es nur einmal, oder haben die Grimms ein zweites Rotkäppchen geschrieben, Anderson eine zweite Meerjungfrau ins Leben gerufen.
Vielmehr war die EURO 2024 ein eigenständiges Turnier, mit der eigenen Geschichte. Unter völlig neuen Bedingungen, denn 2006 tobte nicht ein Krieg fast vor der Haustür. Was nicht heißt, das ich nicht trotzdem fast zwangsläufig Vergleiche ziehe.
Die Organisatoren um Chef Philipp Lahm haben das von vornherein erkannt, und entschieden, dass sie nichts nachahmen wollten und würden, auch wenn 9 der 10 Stadien schon 2006 genutzt wurden – ein Paradebeispiel für nachhaltige Arenen übrigens. Und Lahm selbst wollte nie Franz Beckenbauer sein, dieses Vorhaben wäre eh zum Scheitern verurteilt gewesen. Während der Kaiser omnipresent war, per Hubschrauber es schaffte, auch drei Spiele am Tag zu besuchen, blieb Lahm fast unsichtbar, vielleicht sogar zu viel. Wirklich zur Kenntnis genommen habe ich ihn während des Turniers erst, als er mal zu spät zu einer Partie gekommen war, weil sein Zug steckengeblieben war – ein Schicksal, das er mit so vielen Besuchern teilte.
Die Bahn wurde zum Ärgernis, was vor allem die auswärtigen Anhänger sehr überraschte. 2006 hatte noch alles wie am Schnürchen geklappt. Allerdings hätten die Fans sich zu Hause informieren können, denn fast alle Korrespondenten hatten gewarnt vor dem maroden Bahnnetz und den nie erscheinendenoder vespäteten Zügen. Dass allerdings auch der ÖPNV vielerorts in die Knie gehen würde und die Zuschauer teilweise nicht hin- und zurücktransportieren konnte, überraschte mich dann schon. Wozu wird eigentlich geplant, wenn es dann an Personal und Zügen fehlt. Echt ärgerlich wurde es, wenn wie in München geschehen, die Fans zur Abreise in Busse getrieben wurden, in denen sie dann vollgepfropft eine Stunde stehen mussten, ohne dass der Bus sich auch nur einen Millimeter fortbewegte.
Ansonsten waren die Deutschen großartige Gastgeber für großartige Gäste. Angesichts der gewaltigen Menschenmengen ist wenig passiert; viele hatten gar keine Eintrittskarten und kamen trotzdem erwartungsfroh hierher, um zu feiern. Ein paar Scharmützel, auch einige nationalistische Gesänge, aber alles hielt sich doch sehr in Grenzen. Der Fanmarsch in die Stadien wurde Allgemeingut zum Happening, hier waren die fröhlichen Holländer mit ihrem mit ihrem wiegenden und wogenden Links-rechts-und doch auch nach vorne Tanz eine Klasse für sich. Die nettesten Gäste unter den so vielen netten waren die Schotten, denen es sogar gelang, Münchner Bierkneipen leerzutrinken. Schade, dass sie früh wieder abreisen mussten nach dem für sie allerdings gewohnten Vorrundenaus.
Die UEFA wollte zeigen, wie fortschritllich sie ist. Eintrittskarten auf Papier gab es nicht, alles elektronisch per Handy und Apps, auch für die Zugfahrten. Das klappte auch weitgehend, Und wenn es hakte, halfen die fantastischen Volonteers. Und das im Bargeldland Deutschland, wo in vielen Geschäften elektronisches Zahlen immer noch unmöglich ist. Nehmt Euro mit, lautete dementsprechend eine Reisewarnung in fortschrittlicheren Ländern

Fürs Wetter kann niemand was(naja), aber was da zum Teil an Regen runterkam, war schon bemerkenswert. Und siehe da, es wurden die Grenzen deutscher Baukunst sichtbar. So entluden sich wahre Sturzbäche voller Regenwasser vom Dach des Dortmunder Westfalenstadions auf die Zuschauer. Anders sei der Ausbau architektonisch nicht möglich gewesen, hieß es zur Begründung. Manche flüchteten, manche genossen tanzend das kühle Nass. Ikonische Bilder in schöner Regelmäßigkeit. Erstaunlich gut vertrugen die Rasenflächen das Nass, die Drainage funktionierte einwandfrei; es gab also keine Wasserschlacht wie 1974 in Frankfurt, wo die Bälle dauernd in riesigen Pfützen steckenblieben. Andererseits: Der Rasen in Frankfurt war dennoch eine Katastrophe. Angeblich nicht zu reparieren wegen zweieer Footballspiele letzten  April Novmber.

Und wie war der Sport?

Zum dritten Mal waren es 24 Teams, und diese Aufstockung war durchaus eine Belebung. Gerade die echten Außenseiter wie Albanien und Georgien hatten tolle, unterhaltsame Spiele, weil sie vielleicht nicht ganz so taktisch dachten. Das 24er-Format ist und bleibt allerdings ein Ärgernis, weil es eben keine Zweierpotenz ist, man also mit dem Kunstgriff von vier besten Dritten auf eine solche Zahl kommen muss. Da werden einerseits Äpfel mit Birnen verglichen, andererseits haben die späteren Gruppen einen Riesenvorteil. Wenn schon Erweiterung, dann halt auf 32, die acht zusätzlichen Länder hätten noch mehr Leben, noch mehr Geschichten gehabt. Haalands Norweger seien nur beispielhaft erwähnt.
Ansonsten wurden die Spiele immer taktisch geprägter, je weiter das Turnier fortschritt. Wirklichen Offensivfußball zeigten nur die Spanier und die Deutschen, die das Los dann schon im Viertelfinale zueinanderführte. Sehr gut fand ich die Österreicher unter Ralf Rangnick, die nur mit viel Pech schon im Achtelfinale an den Türken scheiterten. Ein echtes Ärgernis waren für mich die Franzosen und noch mehr die Engländer. Hier heiltigte der Zweck (Weiterkommen um jeden Preis) alle Mittel (Defensive trotz brillanter Offensivkräfte). Weit gekommen sind sie, die Engländer sogar ins Finale, aber Spaß hat das nicht gemacht, dem zuzuschauen. Und gerade England hat in den kurzen Sequenzen von Offensive gezeigt, wie sie eine Defensive knacken können. Sie durften nicht: Wie frustrierend muss das für die Fodens, Bellinghams und Kanes gewesen sein.
Mit Spanien gab es den würdigen Europameister, darüber dürfte es keine zwei Meinungen geben. 7 Siege in 7 Spielen, darunter gegen alle europäischen Weltmeister (Italien, Deutschland, Frankreich). Erstmals auch ein Sieg über den Gastgeber einer EM.
Sehr erfreulich war, wie fair es auf den Spielfeldern zuging. Brutalo-Fouls gab es kaum, auch keine Betrugsschwalben.

Die Stars

Es war kein Turnier des einen Superstars, der alle anderen in den Schatten stellte. Torschützenkönig wurde man mit nur 3 Treffern, den Titel teilten sich gleich 6 Spieler. Die mit den größten Namen enttäuschten meist – aus den unterschiedlichsten Gründen. Kylian Mbappé war durch einen herben Nasenbeinbruch sichtlich gehandicapt, an Cristiano Ronaldo nagt der Zahn der Zeit, Kevin de Bruyne war Sinnbild auf der ganzen Linie enttäuschender Belgier, und Phil Foden Opfer der furchtbaren Defensiv-Taktik der Engländer. Bezeichnend, dass mit Rodri ein Defensivspezialist zum Spiueler des Turniers gewählt wurde, das gibt es äußerst selten.
Spaß gemacht haben dagegen einige Talente, die ihre besten Jahre hoffentlich noch vor sich haben. Hier seien vor allem die Spanier Lamine Yamal und Nico Williams genannt sowie jamal Musiala und Florian Wirtz aus Deutschland. Aufgetrumpft hat oft auch Cody Gakpo, der auffälligste Holländer. Ein tolles Turnier spielte auch der italienische Verteidiger Riccardo Calafiori vom FC Bologna, den ich bisher sehr wenig auf dem Schirm hatte, mea culpa.

Die Schiedsrichter und der VAR

Klar, es gab erstaunliche Entscheidungen, aber im Großen und Ganzen haben die Referees einen guten Job gemacht. Ein Ärgernis ist und bleibt das Handspiel und seine Auslegung und wie unterschiedlich die Nachspielzeit gehandhabt wird. Ein echter Gewinn ist, dass nur noch die Kapitäne protestieren dürfen. Das hat insgesamt gut geklappt, auch weil die Schiris die Regel mit Augenmaß handhabten. Toll, dass das jetzt auch in Europa und Deutschland eingeführt wird.
Hand: Es war natürlich aus deutscher Sicht der größte Aufreger, als der Spanier Marc Cucurela mit abgespreitztem Arm dem Torschuss von Jamal Musiala im Weg stand. Natürlich keine Absicht, aber doch ein klares Hindernis. Nicht wirklich zufreidenstellend war danndie (verspätete) Begründung des Schiedsrichter-Gremiums, Cucurela habe doch versucht, die Hand wegzuziehen. Potenziert wurde der Grad der Erregung, weil die Deutschen im Spiel gegen Dänemark zuvor einen geradezu absurden Handelfmeter nach einer viel ungefährlicheren Situation zugesprochen bekamen, als erst ein Sensor im Ball selbst ermittelte, dass es zu einer Berührung kam. Wie man dieses Problem löst, weiß ich nicht. Der Vorschlag Hand ist Hand wäre zwar klar und ohne Ermessen, hätte aber nur zur Folge, dass die Stürmer versuchen, die hand des Gegners zu treffen. Vielleicht hilft ein Umweg/Sonderweg, in dem man bei heuiklen Situationen nicht gleich Elfmeter geben muss, sondern einen Freistoß.
Sensor im Ball, angeblich punktgenaue Kalibrierung per Computer und künstlicher Intelligenz bei Abseits – die Technik hält vermehrt Einzug. Ob das wünschenswert ist, bleibt dahingestellt, denn die Regeln bzw der Sinn dahinter werden auf en Kopf gestellt wie etwa beim Zehennagel-Abseits eines Dänen vor dem vermeintlichen Führungstor gegen Deutschland oder dem Kniescheiben Nicht-Abseits eines Spaniers gegen England. Romelu Lukaku hieß der belgische Unglücksrabe, dem gleich drei Treffer (wahrscheinlich zu Recht) aberkannt wurden, die mit menschlichem Auge nie im Leben als regelwidrig erkannt worden wären.
Und was die Nachspielzeit betrifft: Ich bin seit Längerem ein großer Anhänger der effektiven Spielzeit, wenn die Uhr also angehalten wird bei Unterbrechungen, entweder bei jeder wie im Basketball oder bei einer längeren wie im Handball. Dort funktioniert das meist einwandfrei, und das Ende des Spiels steht fest und ist nicht im Ermessen der Schiedsrichter, wo der eine acht Minuten gibt und der andere 4 und diese wie im Endspiel sogar pünktlich abpfeift, obwohl die Partie mindestens anderthalb Minuten unterbrochen war.

Analyse der Deutschen

Das Team hat sich gut geschlagen, und die Fans haben ihre Nationalmannschaft wieder lieb. Keine Selbstverständlichkeit, denn  nach dem WM-Titel hat sich das Team mehr und mehr entfremdet von der Wirklichkeit. Und nach desaströsen Auftritten noch im November befürchteten einige gar Fürchterliches. Als absolute Bereicherung seitdem muss die gelungene Wiedereingliederung von Toni Kroos gelten, der sofort meist glänzender Taktgeber war. Für mich am Erfreulichsten, dass die Nagelsmann-Truppe ihr Heil in der Offensive gesucht hat. Nicht ohne Fehler, und manchen fehlte auch schlicht die Klasse. Aber der Coach hat es geschafft, eine Einheit zu formen, und meistens lag er auch mit seinen Pewrsonalien richtig. Wobei wir nie wissen werden, ob nicht ein anderer Torwart oder der erfahrene Abwehrmann Mats Hummels im Kader noch besser gewesen wären. Auf jeden Fall lässt sich auf der Leistung aufbauen, gerade die partie gegen Spanien zeigte, dass man zumindest in einem Spiel mit der Spitze auf Augenhöhe ist. Nagelsmann hat jetzt das Vertrauen verdient, die WM in den USA mit vielleicht brutalem Klima, langen Reisen und dem 48er-Feld hat allerdings viel zu viele Unwägbarkeiten, um jetzt schon irgendwelche Prognosen abzugeben. Sie sollen schön spielen, dann wäre ich persönlich schon zufrieden. Wie weit es dann geht: Schaun mer mal.

 

Verdiente Sieger

Vorbemerkung: In diesem Text gehe ich auf die Finali um die EURO und die Copa ein. Ich plane für morgen noch eine längere Analyse der EM samt EM-Elf. Heute Nachmittag folgt noch der Wochenrückblick mit Hauptaugenmerk Wimbledon und Tour.

Spanien – England 2:1

Keine Frage: Spanien ist der verdiente Europameister: 7 Spiele, 7 Siege. Den Engländern ist letztlich ihr Ergebnisfußball zum Verhängnis geworden.
Die 1. Halbzeit kann ich getrost vergessen. Insgesamt gab es einen einzigen Torschuss beider Mannschaften. Lange krebsten die Engländer bei einem expected goals Wert von 0,02 (wer zum Teufel ermittelt eine 2-prozentige Torchance?).
Umso verheißungsvoller begann die 2. Halbzeit, als Jungstar Nico Williams ein Zuspiel des anderen Jungstars Lamine Yamal verwertete. In der Folge hätte Spanien nachlegen können, vergabn aber einige sehr gute Möglichkeiten, auch weil Englands Schlussmann Jordan Pickford vorzüglich hielt. Mitte der 2. Halbzeit lösten die Briten ihre auferlegten Fesseln, und siehe da nach einer wunderbaren Kombination über Saka und Bellingham traf der eingewechselte Palmer zum Ausgleich. Danach zog sich England für mich völlig unverständlich wieder zurück und ließ die durchaus beeindruckten Spanier wieder zurück ins Spiel. Ich hoffte schon auf eine Verlängerung, doch der eingewechselte Mikel Oyarzabal von Real Sociedad San Sebastian traf nach Zuspiel des erneut ausgepfiffenen Marc Cucurella. Dabei stand der Stürmer hauchzart nicht im Abseits, wie uns zumindest das Computer-Standbild vermittelte. Darf ich glauben oder eben auch nicht. Es folgte ein letzter Ansturm der Engländer, doch spätestens, als Dani Olmo für seinen geschlagenen Torwart auf der Linie per Kopf rettete, waren die Hoffnungen vorbei

Mann des Spiels
Nico Williams: Nicht nur wegen seines Tors der auffälligste Spanier. Ein ständiger Gefahrenherd

Stark trotzt der Niederlage
Bukayo Saka: Der Arsenal-Profi war defensiv stark und leitete auch einige vielversprechende Angriffe ein. Insgesamt ohnehin der konstanteste Engländer des Turniers.

Ausblick der Sieger
Was für eine rasante Entwicklung der Spanier. Im Vorfeld gehörte das Team höchstens zum erweiterten Kreis der Favoriten, es galt noch zu unerfahren für so ein langes Turnier, und der Höhepunkt war eigentlich erst für 2026 oder gar 2028 geplant. Die perfekte Mischung aus jung (Yamal, Nico Williams), mittel (Rodri, Fabian) und alt (Carvajal, Laporte). Und wer da noch so alles auf der Bank saß (Grimaldo, Ferran Torres) bzw verletzt fehlte (Pedri, Gavi) – es muss einem Angst und bange werden. Und Trainer de la Fuente, schon erfolgteich mit dem Olympia-Team und diversen Junioren-Mannschaften, hat gezeigt, dass er auch die Seleccion anleiten kann.
Fazit: Das Maß aller Dinge in Europa und vielleicht eine neue Ära.

Und die Verlierer?
Jetzt ist die EM rum, und ich weiß immer noch nicht Bescheid, was dieses Team wirklich auf der Pfanne hatte. Sie wirkten für mich wie ein Windhund, der nicht von der Leine gelassen wird. Immer wenn sie doch mal in den Offensiv-Modus schalteten (1. Halbzeit vs Holland, die 10 Minuten vor dem Ausgleich vs Spanien), zeigte sich das enorme Potenzial, und das obwohl einige Topspieler (Kane, Foden) nicht mehr in Top-Form waren. Ich wage die Behauptung, das andere Trainer als Southgate, nach dem 1:1 vs Spanien die Entschedung offensiv gesucht hätten, die Iberer nicht mehr ins Spiel zurückgelassen hätten.
Auf dem Papier ist die 2. Finalteilnahme bei einer EM hintereinander sicher ein Erfolg, auch für Gareth Southgate, aber es bleibt immer das blöde Gefühl des what if …
What if, wenn wir konsequent auf Sieg gespielt hätten. Wir werden es nie wissen.
Und doch: Die Engländer werden ihre Lehren ziehen. Das Potenzial ist da, auch in diesem Team steckt sehr viel Potenzial, wie auch die eingewechselten Palmer und Watkins zeigten, die das Spiel sichtlich belebten.

Argentinien – Kolumbien 1:0

Der Dreier ist perfekt. Argentinien hat nach der Copa 21, WM 22 alo auch die Copa 24 gewonnen. In einem sehr ausgeglichenen Finale war es auch hier ein eingewechselter Spieler, der die Entscheidung herbeiführte. Lautaro Martinez, Edeljoker der Albiceleste, traf nach brillanter Vorarbeit von Giovani Lo Celso.
Die Partie begann mit 90 Minuten Verspätung, weil es am Einlass Riesen-Probleme gab. Einige Fans versuchten, das Gelände zu stürmen. Kolumbien startete etwas aktiver, aber nicht konsequent genug. Den Cafeteros fehlt ein absoluter Klassestürmer im sonst so starken Kader. Insgesamt war es ein Abnutzungskampf, nicht wirklich schön anzusehen, aber von großer Intensität. Exzellente Abwehrreihen, weitgehend fehlerlose Torhüter. prägten das Geschehen.

Mann des Spiels
Emiliano Martinez: Hielt, was zu halten war. Sicherer Rückhalt einer ohnehin sehr starken Offensive.

Stark trotz der Niederlage
Carlos Cuesta: Hielt die Abwehr zusammen. Starker Defensiv-Verbund mit Davinson Sánchez.

Und sonst?
– Lionel Messi bestritt sein 5. Copa-Finale, Rekord! Er musste nach einer Verletzung (ohne Einwirkung des Gegners) nach 66 Minuten vom Platz.
– Wie beim Super Bowl gab es eine auf 25 Minuten verlängerte Pause. Shakira hatte einen großen Auftritt.

Ausblick der Sieger
Für einige Spieler (di Maria, Otamendi) war es der letzte große Auftritt im Team der Argentinier. Ob das auch für Messi gilt, müssen wir abwarten. Die nächste Generation steht jedenfalls bereit.

Und die Verlierer?
Kolumbien gehört zur absoluten Weltspitze. Es war die erste Niederlage nach 28 Partien, und sie waren nicht das schlechtere, sondern am Ende das unglücklichere Team. Für die WM erwarte ich einiges, auch wenn dann ein James Rodriguez noch mal 2 Jahre älter ist.

Wundermann Southgate?

Halbfinale, Tag 2

England hat es geschafft und das Finale erreicht. Danke eines Siegtores in der 90. Minute des eingewechselten Ollie Watkins nach Vorarbeit des eingewechselten Cole Palmer. Hat Trainer Gareth Southgate also alles richtig gemacht. Ich überleg mir noch ein Fragezeichen.

England – Holland 2:1

Meine Erwartungen ans englische Team tendierten angesichts der bisherigen Leistungen gegen Null. Es konnte also nur besser werden als geglaubt. Und es wurde besser, denn von Beginn an beteiligte sich die Mannschaft aktiv am Spiel. Die Folge waren äußerst unterhaltsame erste 20, 25 Minuten, ähnlich wie beim 1. Halbfinale. Auch hier fielen frühe Tore: Xavi Simons brachte Oranje mit einem satten Schuss in den Winkel in Führung. Für mich unhaltbar für Jordan Pickford, doch es gab wenige, die dem Schlussmann eine Schuld atestierten, vielleicht auch einfach aus Gewohnheit, weil englische Torhüter grundsätzlich Schuld haben müssen. Schon in der 18. Minute besorgte Harry Kane per Strafstoß den Ausgleich, und dieser Strafstoß wurde leidenschaftlich diskutiert. Was war passiert? Harry Kane hatte abgezogen, klar übers Tor,  Hollands Verteidiger Denzel Dumfries kam beim Abwehrversuch zu spät und traf das ausschwingende Schussbein von Kane – oder umgekehrt?. Schiedsrichter Felix Zwayer konsultierte das Videogerät und entschied auf Strafstoß. Da zeigt sich der Wandel der Regel, denn früher wäre eine solche Aktion nicht strafwürdig gewesen, weil aus Stürmersicht die Situation schon abgeschlossen war.

In Folge hatte beide Teams Chancen. Dumfries traf mit seinem Kopfball die Oberkante der Latte, Phil Foden mit sattem Schuss den Außenpfosten, und einmal rettete Dumfries nach wunderbarem Solo von Foden (nicht wiederzuerkennen!) auf der Torlinie.
In der 2. Halbzeit waren die Holländer das aktivere Team mit besseren Chancen und hätten sich mE den Sieg verdient. Die Engländer wurden zunehmend passiv, aber längst nicht so destruktiv wie bisher im Turnier. Southgate nahm unter anderem die schwächer werdenden Kane und Foden aus der Partie und brachte eben Palmer und Watkins. Wohl dem, der eine solche Bank hat.

Mann des Tages
Phil Foden: Vor allem in der 1. halbzeit ein steter Unruheherd, kaum zu fassen von der Oranje-Abwehr.

Stark trotz der Niederlage:
Xavi Simons: Nicht nur wegen seines Tores der auffälligste Holländer. Glänzender Ballverteiler, allerdings fehlte die letzte Konsequenz.Gab alles und wurde entkräftet ausgewechselt.

Und sonst?
– Der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer pfiff grundsolide und ohne große Fehler. Ließ viel laufen und lange Zeit auch die Karten stecken. Am Ende wurde die Partie hektischer, und er verlor ein bisschen seine Linie.
– endlich wieder Regen in Dortmund: Die Wasserfälle im Westfalenstadion wurden zum running Gag des Turniers.

Ausblick der Sieger
Ein Sieg fehlt jetzt den Engländern noch zum ersten großen Titel seit 1966. Die Hürde könnte mit Spanien kaum höher sein, aber sie sind schon viel weiter, als es ihnen wohl jeder nach den bestürzenden Leistungen zugetraut hätte. Was auch daran liegt, dass zwei Kardinalschwächen vieler englischer Teams, das Elfmeterschießen und der Torwart, diesmal eher stärken sind.
Fun fact 1: Noch nie stand ein englisches Männer-Team in einem Turnierfinale außerhalb der Insel.
Fun fact 2: England vs Spanien, dieses Duell zweier absoluter Fußball-Großmächte gibt es erst das zweite Mal bei einem großen Turnier, und zwar erstmals auf neutralem Boden. 1996  in England setzten sich die Gastgeber im Viertelfinale, 1982 bei der WM in Spanien gab es in der berüchtigten Zwischenrunde ein trostloses 0:0, weswegen die Deutschen ins Halbfinale einziehen durften.

Und die Verlierer?
Wie so viele anderen Teams fahren die Holländer heim, ohne wirklich zu wissen, was sie von diesem Turnier halten sollen. Als Gruppendritter ins Halbfinale zu kommen, klingt erst mal gut. Dort als gleichwertiges Team auszuscheiden, eher nicht. Fragen bleiben: Etwa die, warum Trainer Ronald Koeman konsequent auf den in der Bundesliga überragenden Jeremy Frimpong verzichtet hat, zumal ja viele Bundesliga-Spieler diesem Turnier den Stempel aufdrücken. Das Team insgesamt scheint jung aus ausgeglichen, zumal mit Frenkie de Jong und Teun Koopmeiners zwei ganz starke Mittelfeldakteure veletzt fehlten. Für mich haben die Holländer mit die beste Perspektive von allen EM-Teams.

Beschämende Pfiffe – und zwei Traumtore

Spanien – Frankreich 2:1

Offensive lacht

Leichtes Aufatmen bei mir: Das pragmatische Frankreich ist draußen. Bezwungen vom Turnierfavoriten Spanien.
Es ging fulminant los, fast mit offenem Visier auf beiden Seiten, was mich gerade bei den bisher so zurückhaltenden Franzosen ziemlich verwundert hat. Les Bleus hatten die linke Abwehrseite der Spanier als Schwachstelle ausgemacht, weil dort der 38-jährige Jesus Navas den gesperrten Daniel Carvajal ersetzen musste. Von dort fiel auch der Führungstreffer, als Kylian Mbappé einen hohen Ball kunstvoll unter Kontrolle brachte und eine maßgeschneiderte Flanke auf den Kopf von Ex-Frankfurter Kolo Muani setze, der nahezu ungehindert einnetzte.
Die Spanier nahmen das zur Kenntnis, ohne in Hektik zu verfallen, es war ja auch noch genug Zeit. Zwei Tore drehten die Partie, und was für welche! Erst narrte das 16-jährige Supertalent Lamine Yamal die französische Deckung und zirkelte den Ball fast aus dem Stand punktgenau via Innenpfosten in den Winkel. Für mich fast noch schöner war das 2:1 durch Dani Olmo. Nach einer schnellen Kombination nahme er das Spielgerät virtuos an, versetzte William Saliba mit einer sehenswerten, an Eleganz nicht zu überbietende Finte und schloss beherzt ab. Das nötige Glück half ihn, denn eigentlich hätte Jules Kounde den Schuss noch klären können.
So toll die Partie begann – sie flachte zunehmend ab. Auch als die Franzosen in der 2. Halbzeit endlich die Offensive suchten – es kam erstaunlich wenig Gefährliches zustande. So wurde Spaniens Torwart Unai Simon nicht ein einziges Mal ernsthaft geprüft. Gute Schussmöglichkeiten der Franzosen landeten in den Wolken. Die beste hatte Mbappé von der Strafraumgrenze nach herrlicher Vorarbeit des ansonsten sehr blassen Theo Hernandez, auch der Starstürmer verfehlte das Ziel weit. Apropos Mbappé: Insgesamt ein extrem enttäuschendes Turnier des zurzeit angeblich besten Fußballers der Welt. Ein Attribut, das er allerdings zumindest in diesem Jahr absolut nicht verdient hat, denn zuletzt war er auch bei PSG alles andere als in Top-Form. Natürlich behinderte ihn seine gebrochene Nase, obwohl er ohne Maske spielte, aber die alleine lasse ich als Entschuldigung nicht gelten, denn er ließ sich ja aufstellen.
Am Ende, keinerlei Aufbäumen, kein letztes Risiko gegen die ballfertigen Spanier, die sich wie gegen Dutschland allzusehr auf ihrem Vorsprung ausruhten. Aber im Gegensatz zu den Deutschen, die ja einige Top-Chancen herausspielten und sich den Ausgleich mehr als verdienten, blieben Les Bleus blass, trotz der tollen Namen, die da vorne so rumturnten. Namen, denen sie allerdings keine Ehre machten.Jetzt stellt sich die fast schon philosophische Frage: Hat Trainer Didier Deschamps erkannt, wie wenig mit seiner Offensive zu gewinnen ist und ließ deshalb so ultra-defensiv spielen. Oder hat der Coach mit dieser Defensivtaktik in einem Monat jegliche Spielfreude und Kreativität  ausgetrieben, dass sie diese nicht mehr finden konnten, als sie gebraucht waren.

Das pfeifende Ärgernis

Der Buhmann der Deutschen ist seit Freitag der Spanier Marc Cucurella. Jener Verteidiger, der mit seinem „hundertprozentig strafbarem Handspiel“ (Michael Ballack u.v.a.m.) einen doch so klaren Elfmeter verursachte, den der tomatenblinde Schiedsrichter Michael Taylor nur leider, leider nicht gab. Der Boulevard feuerte kräftig nach („die Hand Zottels“), und „Hand-TäterCucurella bekam den Zorn eines nicht kleinen Teils der deutschen Fans zu hören. Bei jeder seiner Ballberührungen drang ein gellendes Pfeifkonzert durch die Arena. Man stelle sich das vor: Zuschauer zahlen mehrere hundert Euro für ein Fußballspiel, sind dann beleidigt, dass ihr deutsches Team nicht mitspielt und pfeifen sich die Seele aus dem Leib – und das 90 Minuten lang. Ich fand das zum Fremdschämen, und wenn ich einige relativierende Kommentare lese (neben vielen, die das wie ich höchst unsportlich finden) schäme ich mich gleich noch mal fremd. Unter anderem wird Cucurella vorgeworfen, nicht nur dieses verbrecherische Handspiel begangen, sondern sich danach auch noch lustig gemacht zu haben. Ich kann das zumindest in diesem Interview zu keiner Sekunde erkennen.
https://www.youtube.com/watch?v=fE2h2P38PAA

Den besten Spruch dazu hat Patrick Strasser gebracht: „Cucurella auszupfeifen ist gerade so, als würde ich die zerlaufene Butter anschreien, weil der Kühlschrank seinen Dienst aufgegeben hat.“
Ein Letztes: Zeugen vor Ort haben beobachtet, dass auch einige Franzosen sich am Pfeifkonzert beteiligten. Das kann niemanden wirklich verwundern, wer bei den French Open das sich absurd echauffierende Publikum verfolgt. Diese Unfairness sucht ihresgleichen auf den Tenniscourts dieser Welt.

Mann des Tages
Dani Olmo: Erneut eine herausragende Leistung des Leipzigers, der angesichts seiner Glanzvorstellungen vielleicht nicht mehr lange für Red Bull spielt. Ballfertig, viel Spielübersicht und auch noch torgefährlich. Primus inter pares. Lamine Yamal setzt vielleicht noch glitzerndere Glanzlichter, aber er verstrickt sich in seinem jugendlichem Genietum manchmal in nicht aufzulösende Situationen. Das muss er auch unbedingt tun, und in zwei, drei jahren wird er dann ein absoluter Ausnahmeakteur sein. Vorausgesetzt, er darf sich bei Barca unter Trainer Hansi Flick weiter so entwickeln.

Stark trotz der Niederlage
Ousmane Dembele:Er versuchte es immer wieder über die Flügel mit Tempodribblings, aber er fand schlicht zu wenig Unterstützung

Und sonst?
letzte deutsche Revanche? Beim Versuch, nach dem Spiel einen Flitzer zu stoppen rutschte ein deutscher Ordner aus und prallte gegen das Bein von Spaniens Kapitän Alvaro Morata. Nein, es war natürlich keine Absicht, aber trotzdem sichtbar schmerzhaft für Morata, der höchstwahrscheinlich dennoch am Sonntag wieder fit sein dürfte.

Ausblick der Sieger
Wer soll sie stoppen, die Spanier? Vielleicht ihr eigener Stolz, eine gewisse Überheblichkeit. Doch Trainer Luis de la Fuente hat es bisher geschafft, das Team bei der Stange zu halten, warum sollte er seinen Weg verlassen. Zumal die gesperrten Carvajal und LeNormand wieder zurückkehren?

Die Verlierer
Zurück bleibt herbe Enttäuschung: Und zumindest bei mir der Gedanke, dass ich nie das „wahre“ Frankreich gesehen habe, dass mir perlender Champagnerfußball von einem allzu pragmatisch denkenden Didier Deschamps versagt wurde. Nicht wirklich überraschend angesichts der vergangenen Turniere, höchstens das Ausmaß, wie konsequent die Franzosen ihren „uns-völlig-wurscht-dass unser-Fußball-unnattraktiv ist, schaut doch was anderes“ Stiefel heruntergespielt haben. Ich hab ja auf die Fubßall-Verweigerer getippt und bin froh, danebengelegen zu haben.

Finale horribils oder Traumendspiel

Heute und morgen stehen bei der EURO und der Copa América die Halbfinali an.Was können wir erwarten, was erhoffen? Bei der EM hoffe ich auf ein Finale Spanien vs Holland und befürchte ein Endspiel Frankreich vs England

Di., 21.00: Spanien – Frankreich  in München
Die letzte Partie in der WM-Arena. Die Spanier sind bisher nach Ansicht aller Fachleute und auch Fans die beste Mannschaft im Turnier. 5 Spiele, 5 Siege, lautet die perfekte Bilanz. Und sie haben die aus ihrer Sicht sehr komplizierte Partie gegen Deutschland erfolgreich absolviert, zum ersten Mal in der Geschichte einen EM-Gastgeber besiegt. Mit dem nötigen Glück, aber bestimmt nicht unverdient. Jet aber ich glaube nicht, dass das wirklich ein Problem istzt fehlen mit Carvajal und LeNormand zwei Spieler Gelb-gesperrt sowie der von Toni Kroos rausgefoulte Pedri, aber ich denke, de breite Kader kann das auffangen.
Die Franzosen bestechen durch eine famose Defensive, mit Maignan haben sie sicher den besten Torwart der verbliebenen vier Teams. Das Verteidiugungsrezept von Trainer Didier Deschamps funktioniert, auch wenn vorne weit nicht alles so läuft wie er sich das wahrscheinlich vorgestellt hat. Was wiederum damit zusammenhängt, dass Kylian Mbappé seiner Glanzform weit hinterherläuft und obendrein ihn seine Nasenbeinbruch-Maske sichtlich und in seiner Sicht behindert. Schön anzusehen ist das wahrlich nicht, aber erfolgreich.
Tipp: Spanien

Mi., 21:00: England – Holland in Dortmund
Wie Frankreich, aber alles eine Klasse schwächer, behaupte ich jetzt mal böse. Die Abwehr ist nicht sicher, der Sturm nicht gefährlich, und die Stars wirken fast lustlos. Oder ist das alles Taktik von Fuchs Gareth Southgate? Dass sie den Gegner fast einschläfern wie die Schweizer im Viertelfinale, die am Ende genauso paralysiert waren wie England selbst. Und das Traurige ist: Sie können ja, wenn sie wollen respektive dürfen. Die 5 Minuten nach dem eher zufälligen Rückstand gegen die Schweiz waren genaus das England, dem so viele den Titel nach 1966 wünschen würden. Da haben sie gezeigt, was in ihnen steckt.
Und die Holländer? Noch so ein Fragezeichen des Turniers. Wetterwendisch wie kaum ein anderes Turnier. Sie haben mit Gazpo, Depay und dem meist von der Bank kommenden Malen fantasiereiche und torgefährliche Angreifer, gute Abwehrleute, gefährliche Standards. Andererseits immer wieder Aussetzer. Welces Oranje werden wir morgen sehen?
Tipp: Holland

Mi., 02:00: Argentinien – Kanada in New York
Beide Teams benötigten im Viertelfinale ein Elfmeterschießen, wobei bei der Copa es außer im Finale keine Velängerungen gibt. Argentinien ist gegen den einzig verbliebenen WM-Gastgeber 2026 klarer Favorit. Messi scheint wieder fit, Martinez trifft (fast) nach Belieben. Kanada ist jetzt schon die positive Überraschung mit dem Münchner Anführer Alphonso Davies.
Die Partie gabe es schon mal bei dieser Copa. Im Eröffnungsspiel gewann Argentinien letztlich ungefährdet mit 2:0
Tipp: Argentinien

Do., 02:00: Kolumbien – Uruguay in Charlotte
Kolumbien ist für mich die spielstärkste Mannschaft der Copa. James Rodriguez knüpft dabei an seine Topform der WM 2014 an, als er Torschützenkönig wurde. Glänzender  Ballverteiler, das Hirn und Herz der technisch perfekten und auch robusten Kolumbianer. Die Urus haben immerhin Brasilien rausgekegelt, wenn auch erst im Elferschießen. Faustpfand ist die Defensive, allerdings fehlt morgen Nacht Araujo vom FC Barcelona wegen einer Muskelverletzung. Bester Mann ist Fernando Valverde von Real Madrid
Tipp: Kolumbien

 

 

Holland, hilf!

Viertelfinale, Tag 2

Der Minimalistenfußball feiert weiter unfreuliche Urständ. England steht damit im Halbfinale. Dort treffen die Three Lions auf Holland, das die Türkei in einer unterhaltsamen Partie nach Rückstand noch ausschaltete.

England – Schweiz 5:3 nach Elfmeterschießen

England siegt nach Penalties, und damit ist schon viel gesagt, denn diese Art der Entscheidung liegt den Briten gar nicht. Die 120 Minuten zuvor waren doch sehr ermüdend. Allen wäre viel erspart geblieben, wenn man sich das gar nicht erst angetan hätte. Die Engländer bauen weiterhin erfolgreich auf ihre Abwehr, die Schweizer waren schlicht zu feige, vielleicht auch, weil Granit Xhaka mit einem Bändereinriss gehandicapt war. Chancen waren somit an den Fingern einer Hand abzuzählen, und wenn ein Finger fehlte, machte das auch nichts.
Dass die Schweizer trotzdem in Führung gingen durch Breel Embolo, war erstaunlich genug. Und plötzlich spielte England den Fußball, den alle Welt an ihnen schätzt: druckvoll, mit Power. Leider mit schnellem Erfolg, muss ich sagen, eil Saka mit einem herrlichen Schuss Yann Sommer überwand, denn danach fielen sie gleich wieder in ihre Lethargie zurück. Am Ende zählten gnädige Statistiker 3:3 Schüsse aufs Tor. Die Szene des Spiels. Xherdans fantastische Ecke direkt aufs Tor, mit der er leider nur das Lattenkreu traf.
Am Ende bauten alle auf ein Elfmeterschießen, das dann die Engländer ohne Fehlschuss für sich entschieden, weil Akanji mit einem ganz schwachen Versuch an Jordan Pickford scheiterte. Mich hat da tatsächlich gewundert, dass der Schweizer Trainer Murat Yakin fürs Shootout keinen Torwartwechsel vornahm, und nicht auf Gregor Kobel setzte, der eine weit bessere Elferbilanz hat als Sommer. Es gibt Trainer, die so etwas schon gemacht haben.

Mann der Partie
Bukayo Sako: Nicht nur wegen des Tores. Noch der einfallsreichste in einem einfallslosen Ensemble auch mit sehr starker Defensivarbeit.

Stark trotz der Niederlage
Granit Xhaka: Trotz seines Handicaps der spiritus rector. Schade, dass sich die Schweizer nicht mehr zugetraut haben.

Ausblick des Siegers
England steht im Halbfinale als Meister der Effizienz. Die Abwehr erscheint sicher, und vorne haben sie Ausnahmespieler. Zumindest in der Theorie. Das Finalae muss noch nicht Endstation sein, befürchte ich.

Und die Verlierer
Gute Leistungen gegen Deutschland und vor allem gegen Italien. Auf dem Papier klingt ein K.-o.-Aus gegen England gar nicht so schlecht, aber da war mehr drin.

Holland – Türkei 2:1
Sicher das unterhaltsamste Spiel auch wegen der unvergleichlichen Stimmung auf den Rängen (auf die beschämenden Wolfsgrüße will ich hier nicht eingehen). Da spielten zwei Mannschaften, die wenigstens die kontrollierte Offensive (und manchmal auch mehr) wagten. Die Türken waren in der ersten Halbzeit bestimmend, ihre Führung durchaus verdient. Im zweiten Durchgang war es die erwartete Abwehrschlacht, wie am Dienstag gegen Österreich. Doch die Holländer hatten mehr Glück/Können vorm Tor und drehten die Partie noch durch fast zwangsläufige Treffer von Stefan de Vrij und Cody Gakpo. Gakpo? Nein, die UEFA benannte Müldür als Eigentorschütze. In der Hinsicht macht sich der Verband einen regelreichten Spaß draus, warum auch immer.

Mann des Spiels
Wout Weghorst! Warum? Mit dem zur Pause eingewechselten Stürmer hatte Oranje einen steten Gefahrenherd, der die Türken vor fast unlösbare Probleme stellte. Und dann war da noch seine Rettungstat vorm eigenen Strafraum, als er am Boden liegend gerade noch den Ball vor einem einschussbereiten Türken zur Seite spitzelte. Die Verteidigungstat des Turniers. 05:17 https://www.youtube.com/watch?v=8EMJPNRtThI

Stark trotz der Niederlage
Arda Güler: Was für ein wunderbarer Fußballer.Das türkische Juwel.

Ausblick des Siegers
Als Gruppendritter im Halbfinale, und warum eigentlich nicht mehr. Der Kader gibt das auf jeden Fall her: viel offensives Potenzial und eine meist sichere Abwehr. Und ein Frimpong sitzt sogar nur auf der Bank

Und die Verlierer?
Die Mannschaft mit dem meisten Herzblut. Nie erlahmender Elan. Auch gestern. Diesmal nicht nur in einer veritablen Abwehrschlacht, sonden am Ende auch mit dem Mute der Verzweiflung, der um ein Haar sogar noch die verlängerung gebracht hätte. Sie können stolz sein auf dieses Team.