Vorbemerkung: In diesem Text gehe ich auf die Finali um die EURO und die Copa ein. Ich plane für morgen noch eine längere Analyse der EM samt EM-Elf. Heute Nachmittag folgt noch der Wochenrückblick mit Hauptaugenmerk Wimbledon und Tour.

Spanien – England 2:1

Keine Frage: Spanien ist der verdiente Europameister: 7 Spiele, 7 Siege. Den Engländern ist letztlich ihr Ergebnisfußball zum Verhängnis geworden.
Die 1. Halbzeit kann ich getrost vergessen. Insgesamt gab es einen einzigen Torschuss beider Mannschaften. Lange krebsten die Engländer bei einem expected goals Wert von 0,02 (wer zum Teufel ermittelt eine 2-prozentige Torchance?).
Umso verheißungsvoller begann die 2. Halbzeit, als Jungstar Nico Williams ein Zuspiel des anderen Jungstars Lamine Yamal verwertete. In der Folge hätte Spanien nachlegen können, vergabn aber einige sehr gute Möglichkeiten, auch weil Englands Schlussmann Jordan Pickford vorzüglich hielt. Mitte der 2. Halbzeit lösten die Briten ihre auferlegten Fesseln, und siehe da nach einer wunderbaren Kombination über Saka und Bellingham traf der eingewechselte Palmer zum Ausgleich. Danach zog sich England für mich völlig unverständlich wieder zurück und ließ die durchaus beeindruckten Spanier wieder zurück ins Spiel. Ich hoffte schon auf eine Verlängerung, doch der eingewechselte Mikel Oyarzabal von Real Sociedad San Sebastian traf nach Zuspiel des erneut ausgepfiffenen Marc Cucurella. Dabei stand der Stürmer hauchzart nicht im Abseits, wie uns zumindest das Computer-Standbild vermittelte. Darf ich glauben oder eben auch nicht. Es folgte ein letzter Ansturm der Engländer, doch spätestens, als Dani Olmo für seinen geschlagenen Torwart auf der Linie per Kopf rettete, waren die Hoffnungen vorbei

Mann des Spiels
Nico Williams: Nicht nur wegen seines Tors der auffälligste Spanier. Ein ständiger Gefahrenherd

Stark trotzt der Niederlage
Bukayo Saka: Der Arsenal-Profi war defensiv stark und leitete auch einige vielversprechende Angriffe ein. Insgesamt ohnehin der konstanteste Engländer des Turniers.

Ausblick der Sieger
Was für eine rasante Entwicklung der Spanier. Im Vorfeld gehörte das Team höchstens zum erweiterten Kreis der Favoriten, es galt noch zu unerfahren für so ein langes Turnier, und der Höhepunkt war eigentlich erst für 2026 oder gar 2028 geplant. Die perfekte Mischung aus jung (Yamal, Nico Williams), mittel (Rodri, Fabian) und alt (Carvajal, Laporte). Und wer da noch so alles auf der Bank saß (Grimaldo, Ferran Torres) bzw verletzt fehlte (Pedri, Gavi) – es muss einem Angst und bange werden. Und Trainer de la Fuente, schon erfolgteich mit dem Olympia-Team und diversen Junioren-Mannschaften, hat gezeigt, dass er auch die Seleccion anleiten kann.
Fazit: Das Maß aller Dinge in Europa und vielleicht eine neue Ära.

Und die Verlierer?
Jetzt ist die EM rum, und ich weiß immer noch nicht Bescheid, was dieses Team wirklich auf der Pfanne hatte. Sie wirkten für mich wie ein Windhund, der nicht von der Leine gelassen wird. Immer wenn sie doch mal in den Offensiv-Modus schalteten (1. Halbzeit vs Holland, die 10 Minuten vor dem Ausgleich vs Spanien), zeigte sich das enorme Potenzial, und das obwohl einige Topspieler (Kane, Foden) nicht mehr in Top-Form waren. Ich wage die Behauptung, das andere Trainer als Southgate, nach dem 1:1 vs Spanien die Entschedung offensiv gesucht hätten, die Iberer nicht mehr ins Spiel zurückgelassen hätten.
Auf dem Papier ist die 2. Finalteilnahme bei einer EM hintereinander sicher ein Erfolg, auch für Gareth Southgate, aber es bleibt immer das blöde Gefühl des what if …
What if, wenn wir konsequent auf Sieg gespielt hätten. Wir werden es nie wissen.
Und doch: Die Engländer werden ihre Lehren ziehen. Das Potenzial ist da, auch in diesem Team steckt sehr viel Potenzial, wie auch die eingewechselten Palmer und Watkins zeigten, die das Spiel sichtlich belebten.

Argentinien – Kolumbien 1:0

Der Dreier ist perfekt. Argentinien hat nach der Copa 21, WM 22 alo auch die Copa 24 gewonnen. In einem sehr ausgeglichenen Finale war es auch hier ein eingewechselter Spieler, der die Entscheidung herbeiführte. Lautaro Martinez, Edeljoker der Albiceleste, traf nach brillanter Vorarbeit von Giovani Lo Celso.
Die Partie begann mit 90 Minuten Verspätung, weil es am Einlass Riesen-Probleme gab. Einige Fans versuchten, das Gelände zu stürmen. Kolumbien startete etwas aktiver, aber nicht konsequent genug. Den Cafeteros fehlt ein absoluter Klassestürmer im sonst so starken Kader. Insgesamt war es ein Abnutzungskampf, nicht wirklich schön anzusehen, aber von großer Intensität. Exzellente Abwehrreihen, weitgehend fehlerlose Torhüter. prägten das Geschehen.

Mann des Spiels
Emiliano Martinez: Hielt, was zu halten war. Sicherer Rückhalt einer ohnehin sehr starken Offensive.

Stark trotz der Niederlage
Carlos Cuesta: Hielt die Abwehr zusammen. Starker Defensiv-Verbund mit Davinson Sánchez.

Und sonst?
– Lionel Messi bestritt sein 5. Copa-Finale, Rekord! Er musste nach einer Verletzung (ohne Einwirkung des Gegners) nach 66 Minuten vom Platz.
– Wie beim Super Bowl gab es eine auf 25 Minuten verlängerte Pause. Shakira hatte einen großen Auftritt.

Ausblick der Sieger
Für einige Spieler (di Maria, Otamendi) war es der letzte große Auftritt im Team der Argentinier. Ob das auch für Messi gilt, müssen wir abwarten. Die nächste Generation steht jedenfalls bereit.

Und die Verlierer?
Kolumbien gehört zur absoluten Weltspitze. Es war die erste Niederlage nach 28 Partien, und sie waren nicht das schlechtere, sondern am Ende das unglücklichere Team. Für die WM erwarte ich einiges, auch wenn dann ein James Rodriguez noch mal 2 Jahre älter ist.