Australian Open: Finale zwischen Pest und Cholera, aber ohne Corona

Ich habe es befürchtet, aber erwartet: Jannik Sinner hat das Finale der Australian Open erreicht. Dass er da nacheinen Leistungen objektiv hingehört, möchgte ich gar nicht bestreiten. Aber es bleibt der Gestank seines immer noch nicht endgültig entschiedenen Doping-Falls. Warum de CAS es nicht geschafft hat, in der Causa wenigstens eine Entscheidung zu treffen, empfinde ich jetzt als noch ärgerlicher, weil aus dem virtuellen Australian-Open-Finalist Sinner ein tatsächlicher geworden ist. Der normalerweise schon längst zumindest für ein Jahr aus dem Verkehr gezogen worden häte müssen, so wie normalerweise Dopingfälle bestraft werden. Meine Meinung zum Fall selbst habe ich schon öfter auch hier zum Ausdruck gegeben. Auch wenn die Räuberpistole der dopingverseuchten Masseur-hand zutrifft (was ich persönlich schon bezweifle), Sinner muss sich unbedingt den Fehler eines seiner engsten Vertrauten zurechnen lassen.
In dem Zusammenhang bleibt für mich der Super-Gau wenigst3ns aus, weil die zweite Dopingsünderin Iga Swatek nach einem grandiosen Halbfinale an Madison Keys gescheitert ist.

Meine persönliche Pest also gegen Alexander Zverev, meine Cholera. Ein Frauenschläger (ein Verfahren, das die Ex-Frau anstrengte, wurde eingestellt), dem doch der deutsche Boulevard (und nicht nur der) zu Füßen liegt. Der im übrigen ebenfalls beeindruckend spielt. Immerhin hat es die Cholera Zverev geschafft, meine persönliche Nemesis Novak Djokovic (also Corona) aus dem Weg zu räumen (wenn auch nur durch einen Aufgabesieg nach dem ersten Satz. Den mag ich halt persönlich überhaupt nicht, wegen seines überbordenden Nationalismus, seiner Attitüde des allseits verfolgten Stars, den niemand liebt, sondern bestenfalls respektiert. Nota Bene mag ich seine Art, Tennis zu spielen nicht, und nicht nur wegen seiuner chronisch unsportlichen ewigen Balltipperei vorm Aufschlag.

Es waren zwei merkwürdige Halbfinali am Freitag: Zunächst Zverev vs Djokovic, am hellichten Tag und dementsprechenden Temperaturen in Melbourne. Losgelöst von meinen Vorlieben oder nichtlieben der betreffenden Spieler. Was einem bei Zverev oft in den Wahninn treibt, ist sein manches arg defensives Spiel meterweit hinter der Grundlinie. Weiß er selber, wie er hinterher zugab, aber warum es ihn seit Jahren kein Trainer beibringen kann die Bälle früher zu nehmen, öfter am ans Netz zu rücken (gut, dann müsste der betreffende Trainer ihm noch einen überdurchschnittlichen Volley beibringen), das verstehe ich nicht. So verpufft die unglaublich gute Rückhand, weil sie shclicht ewig unterwegs ist, bis sie beim Gegner ankommt. Gegerade gegen einen Djokovic, der an guten Tagen kaum Fehler macht, ist so etwas verheerend.

Verlassen konnte sich Zverev im Gegensatz zum Tommy-Paul-Match auf seinen Aufschlag. Der erste kam kam zu 76 Prozent und führte in 83Prozent der Fälle zum Punkt, also praktisch eine sichere Bank.

Djokovic konzentrierte sich darauf, seine Aufschlagsspiele durchzubringen. Er wirkte nicht fit, nach dem er in der voritgen Partie gegen Alcáraz sich am Oberschenkel behandeln ließ. Doch wie oft hat beim Djker der Schein getrügt und er trotz tatsächlicher oder vermeintlicher Malaisen ein Spiel noch gewonnen. Diesmal nicht, diesmal war es offenbar ernst. nach dem verlorenem Tiebreak gab Djokovic unvermittelt auf. Es war ihm klar, dass er nach 80 Minuten Spielzeit, in die er viel Energie gesteckt hatte, nie drei Sätze gegen Zverev hätte gewinnen können. Die einzelnen Pfiffe, mit denen er beim Abschied aus der Arena bedacht wurde, hätten isch die Pfeifenden auch sparen können, darauf wies im übrigen auch Zverev hin. Denn egal, wie man letztlich zu Djokovic steht: Das hat der 24-malige Grand-Slam-Gewinner (davon 10-mal in eben jeder Rod-Laver-Arena, nicht verdient.

Im Finale gegen Sinner am Sonntag (09:30, Eurosport) sehe ich Zverev tatsächlich leicht favorisiert, vor allem wenn sein Service so gut funktioniert. Der Italiener nämlich wirkte bei seinem jur dem Ergebnis klaren 7:6, 6:2, 6:2 gegen den Amerikaner Ben Shelton nicht immer souverän. Sheltonhatte die große Chance auf den ersten Satz, als er bei eigenem Aufschlag zwei Satzbälle vergab. Auch in der Folgezeit hielt Shelton mehr als mit, versagte aber wiederholt in den entscheidnden Szenen. Auch Sinner wirkte alles andere als topfit und ob er ein längeres Match durchgehalten hätte, schien sehr zweifelhaft. Am Ende schaffte er unter Aufbietung letzter Kräfte die entscheidenden Spielgewinne.

Wenn nicht jetzt, wann dann könnte es also für den besten deutschen Tennisspieler seit Boris Becker und Michael stich heißen. Ein Grand-Slam-Sieg würde zumindest seine Tennis-karriere rund machen nach 2 ATP-Finals und mehreren Masters-Triumphen. Vom Olympiasieg 2021 ganz zu schweigen. Lieben werde zumindest ich den Frauenschläger deshalb nicht mehr.

Forza Italia, Zverevs Reifeleistung und Djokers Rückzug

Die French Open gehen in die entscheidende Phase. Heute stehen die Halbfinals der Frauen an, morgen die der Männer und am Wochenende die Endspiele. Bereits heute spielt Laura Siegemund das Mixed-Finale an der Seite von Edouard Roger-Vasselingegen die britisch-amerikanische (mit ponischem Einschlag?) Paarung Desirae Krawczyk Neal Skupski.

Tennis-Nation Italien

Sowohl bei Frauen (Jasmine Paolini) als auch bei den Männern (Jannik Sinner) ist Bella Italia in der Vorschlussrunde noch vertreten, das hat es bei einem Grand-Slam-Turnier noch nicht gegeben. Und das muss auch noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Paolini bekommt es heute mit der russischen Aufsteigerin Mirra Andreejava zu tun, Sinner morgen (in einem vorgezogenen Endspiel) mit dem bisher sehr überzeugenden Carlos Alcaraz, den ich für morgen leicht favorisiere. Überhaupt ist Italien im Tennis-Aufschwung. 9 Männer sind unter den ersten 101, 5 unter den ersten 50.

Djokovic kampflos raus
Quasi zum Drüberstreuen steht jetzt schon fest, dass Sinner die neue Nummer 1 wird und Novak Djokovic ablöst. Der Serbe musste für das Viertelfinale absagen. In der Partie im Achtelfinale, das er in 5 Sätzen äußerst mühevoll gegen Francisco Cerundolo gewann, zog er sich einen Riss des Innenmeniskus zu, wie die Diagnose am Dienstag ergab. Gestern wurde er noch in Paris operiert, damit ist auch sein Antreten in Wimbledon äußerst unwahrscheinlich, das Ziel heißt jetzt offenbar Olympia in Paris – und auch das könnte knapp werden.
Es vermehren sich die Zeichen, dass die unfassbare Ära der Großen Drei Roger Federer, Rafael Nadal und eben Djokovic sich dem Ende nähert, dass es zum ersten Mal seit ewigen Zeiten ein Jahr ohne Grandslam-Sieger dieser Drei (zuletzt 2002!) geben könnte. Allerdings will ich Djokovic noch nicht abschreiben. Einzelne Turniersiege traue ich ihm zumindest in den nächsten zwei Jahren jederzeit zu, wenn er wieder fit ist. Das haben ja auch Federer und Nadal nach längeren Pausen eindrucksvoll geschafft. Aber ein dauerndes Beherrschen der Szene halte ich fast für ausgeschlossen und wird auch nicht Djokovics Ziel sein. Sondern einzig die  Konzentration auf die wichtigsten Turniere.

Zverev meisterhaft
Ich fand es höchst beeindruckend, wie der Hamburger die Hürde de Minaur gelöst hat. Der Australier ist ja in der Form seines Lebens und er machte Zverev das Leben wahrlich nicht einfach. Doch der nahm die Aufgabe an, blieb geduldig. Er spielte wahrlich nicht fehlerfrei, doch in den entscheidenden Situationen hatte er eben das Itzerl mehr Tenniskönnen und den passenden Gewinnschlag. Knackpunkt war der Tiebreak des 2. Satzes, den Zverev trotz 0:4-Rückstand noch für sich entschied, nachdem er schon beim Stand von 5:6 einen Satzball abgewehrt hat.
Bis zuletzt stand der Sieg auf der Kippe. Sehr wichtig für Zverev war im Hinblick auf seine Kraftreserven, dass er de Minaur in 3 Sätzen schlug, die schon 3:02 extrem anstrengende Stunden dauerten. Zumal er ja schon zuvor fordende Fünfasatz-Matches hatte und Halbfinalgegner Christian Ruud ausgeruht ist aufgrund des kampflosen Sieges gegen Djokovic.
Es ist die vierte Halbfinalteilnahme von Zverev in Paris hintereinander, das allein nötigt schon größten Respekt ab. Vor zwei Jahren zog er sich den bösen Bänderriss gegen Nadal zu, vergangenes Jahr unterlag er dieser Runde eben gegen Ruud. Wie es morgen ausgeht? On verra, wie die Französin so schön sagt.
Noch ein Gala-Content: Zverevs Freundin Sophia Thomalla wird nicht aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen in Thailand nicht live vor Ort sein.

Schneckles Durchmarsch
Das kann man wörtlich nehmen. Denn gestern musste Laura Siegemund im Mixed zwei Spiel bestreiten und gerade jetzt das Endspiel. Zweimal siegte sie gestern im Matchtiebreak, stand insgesamt fast dreieinhalb Stunden auf dem Platz.
Warum das Finale nicht morgen oder übermorgen? Erstaunliche Terminplanung, Wetterunbill in den Tagen zuvor hin oder her. Ich wünsche dem Schneckle alles Gute.

Warum die Champs Champs sind

Erst Real Madrid, dann Novak Djokovik: Samstagabend bis früh in die Nacht durfte der Sportfan mal wieder erleben, dass die wahren Champs wirklich erst dann geschlagen sind, wenn der Schlusspfiff ertönt  oder der Matchball gespielt ist. Leidtragende waren erst Borussia Dortmund und Lorenzo Musetti: Überlegen, doch letztlich den Sack nicht zumachend und am Ende überrollt.

Wer die Chancen nicht nutzt …

Was war das für eine erste Halbzeit des BVB. Praktisch an die Wand spielten die Borussen die Königlichen von Real Madrid, allein es fehlten die Tore. Die beste Chance vergab Karim Adeyemi nach brillantem Zuspiel von Mats Hummels, der jedem Vergleich zum Toni-Kroos-Traumpass gegen die Bayern standhält (did you see that, Mr. Nagelsmann?). Doch er konnte Real-Torwart Thibault Courtois nicht überwinden. Wie überhaupt der Belgier, der nach seinem Kreuzbandriss sein erstes CL–Spiel in dieser Saison bestritt, eine unglaubliche Ruhe ausstrahlte und den Dortmundern den Zahn zog. Außerdem war es fast tragisch, wie wirkungslos die Borussen-Ecken verpufften. Und so ließen die Madrilenen das Angriffs-Feuerwerk, leider aus Borussensicht nicht effizient abgeschlossen über sich ergehen mit dem Wissen, ja Wissen!, dass sie das schon überstehen würden. Da fällt mir ein wenig besserwisserisch ein: Wenn Experten und andere von nicht effektiv sprechen, meinen sie „nicht effizient“. bastian Sick und viele andere haben sich darüber schon länger ausgelassen.

Und fast erwartbar sollte sich der Chancenwucher rächen. Nach der Pause und wahrscheinlich ein paar sehr klaren und treffenden Worten von Trainer Carlo Ancelotti gab es halt dann nicht mehr die sperrangelweiten Real-Lücken in der Abwehr. Mit zunehmender Spieldauer kippte das Geschehen in Richtung Madrid. Und dann zeigte Toni Kroos, wie man eine Ecke schlägt. Scharf und und punktgenau auf den Kopf von Daniel Carvajal, und der nur 1,73 Meter große Verteidiger (ehemals Bayer LeverkusenI überwand Gregor Kobel. Danach zeigte Real seine ganze Königsklassen-Klasse, setzte die Borussen enorm unter Druck sodass Fehler nicht ausblieben. Einen grausamen Fehlpass von Maatsen in der eigenen Hälfte nutzte letztlich Vinicius jr zum 2:0, die Entscheidung, zumal Niklas Füllkrug bei seinem vermeintlichen Anschlusstreffer knapp aber doch eindeutig im Abseits stand.
So durfte Toni Kroos in seinem letzten Real-Spiel sich mit dem insgesamt 6. Champions-League-Titel krönen, so viele hat nur der große Francisco Gento und außerdem auch der gestern eingewechselte Luca Modric.

Die Auferstehung des Djokers

Zum 27. Mal: Ich bin kein Fan von Novak Djokovic, im Gegenteil, ich mag ihn nicht, wegen seiner Art, seiner endlosen Balltipperei beim Aufschlag. Aber ebenfalls zum 27. Mal: Aus für mich leidvoller Erfahrung weiß ich, dass der Serbe wirklich erst bei einem vom Gegner verwandelten Matchball geschlagen ist (Federer Wimbledon-Finale 2019, ein Albtraum). So auch heute Morgen beim faszinierendem Drittrundenspiel der French Open gegen einen zeitweise brillanten Lorenzo Musetti. Die Partie begann aufgrund der Wetterkapriolen erst um 22.40 Uhr Pariser Zeit und endete weit nach 3 Uhr nachts nach mehr als 4 Stunden Spielzeit. Musetti hatte nach verlorenem ersten Satz sich die beiden nächsten Sätze geholt. Da sah Djokovic wie ein wandelnder Leichnam aus, schlurfte nur über den Platz, vermeintlich sich ergebend. „Am Rande einer Niederlage“ sei er, konstatierte Wolle Nadvornik am Eurosport-Mikrofon, und jeder wird diesen Eindruck gehabt haben – wenn es halt nicht der Djokovic wäre.
Und dann? Drückte der Serve den Turbo-Boost wie einst Michael Knight bei bei seinem Wunderauto KITT, der irgendwo in seinem Körper versteckt sein muss. Quasi von einer Sekunde auf die andere war da plötzlich ein springlebendiger Djokovic auf dem Platz, als sei es nicht weit nach Mitternacht, als seien nicht mehr als drei Stunden gespielt. Beim Stand von 2:2 im 4. Satz gelang ihn ein Break, und danach gab es den  besten Djokovic in diesem Jahr, das für ihn bisher so gar nicht laufen wollte. Musetti spielte weiter großartig, doch Djokovic agierte in eigenen Tennis-Sphären, praktisch fehlerlos. Ich streiche für den letzten Satz das „praktisch“. Er verwandelte den ersten Matchball nach 4:32 Stunden, es war 3:20 Uhr. Genau ein Game sollte er in dieser  Zeit trotz erbitterter Gegenwehr von Musetti abgeben. So endete der 5. Satz 6:0, dauerte aber auch 37 Minuten, also gut 6 Minuten per Game. Klar, auch weil es die Spieler mit der Gameclock nicht mehr ganz so genau nahmen. So feierte Djokovic ausgelassen, Musetti bleibt die Ehre, ein großes Spiel geliefert zu haben. Mit einem Sieg hätte er  seinem italienischen Landsmann Jannik Sinner zur Nummer 1 der Weltrangliste verholfen. Der muss das jetzt selbst hinkriegen, indem er wenigstens das Halbfinale in Paris erreicht.

Für Djokovic geht die Reise weiter, und vielleicht war genau dieses Spiel der Schlüssel zu einem doch noch erfolgreichen Jahr. Er hat eindrucksvoll gezeigt, dass er es noch kann, die Frage ist jetzt halt, wie er diesen Kraftakt zu dieser sehr späten Zeit wegsteckt und ob er so was wiederholen kann. Morgen trifft er im Achtelfinale auf den Argentinier Francisco Cerundolo, wir dürfen gespannt sein. Ich persönlich befürchte allerdings bei allem Respekt, dass das eine eher leichte Aufgabe für ihn wird.