City muss tatsächlich bangen

Endlich! Die Vorrunde der Champions League ist endlich vorbei. Aber halt, im Januar stehen noch zwei weitere Spieltage an. Und in denen gibt es in der Tat noch so etwas wie Spannung. Nicht sehr viel, aber immerhin. Ich versuche eine Einschätzung

Was wir sicher wissen

 

Der FC Liverpool hat die weiße Weste gewahrt mit dem 1:0-Sieg beim FC Girona. Das Achtelfinale ist auch rechnerisch sicher gebucht und aller Wahrscheinlichkeit nach sogar Platz 1.
Der FC Barcelona ist rechnerisch sicher in der Zwischenrunde (okay: 99,9 Prozent) und aller Wahrscheinlichkeit nach direkt im Achtelfinale.
Auch die ersten ganz sicher ausgeschiedenen Teams stehen fest, nämlich die mit 0 Punkten, also Leipzig, Bratislava und Bern.

 

Högschte Wahrscheinlichkeit

 

Für die Mannschaften mit 2 bis 4 Punkten sehe ich keine realistischen Chanchen mehr, das sind die Plätze 27 bis 33, immerhin namhafte Teams (zumindest namhafte aus einer Liga) wie Girona und Bologna sowie die beiden Ösi-Teams Graz und Salzburg. Vielleicht, aber nur sehr vielleicht reichen gerade noch zwei Siege
Praktisch sicher weiter (also zumindest in der Zwischenrunde) sind all jene Teams 10+ Punkten, also die Plätze 2 (Barca/15) bis Platz 19 (Brügge). Das winzig kleine Fragezeichen setzte ich bei den 10-Punkte-Teams mit ganz schlechtem Torverhältnis.

 

Restspannung

 

Um die sicheren Achtelfinalplätze hinter Liverpool und Barca gibt es ein Hauen und Stechen zwischen den Teams mit 12 und 13 Punkten. Mittendrin die Deutschen Leverkusen (13), Bayern und Dortmund (beide 12 mit sehr gutem Torverhältnis). Extrem unterschiedlich schweres Restprogramm, das ich allerdings (und wohl kaum jemand) bei allen Teams präsent habe; das ist das Riesenmanko dieses Formats) Den 13er-Teams, gerade denen mit gutem Torverhältnis (Arsenal, Bayer und Inter), dürfte schon ein Sieg richer eichen.
(Wahrscheinlich) nur noch ums bloße Weiterkommen geht es bei den Plätzen 20 bis 26 in denen viel höher gewettete Mannschaften wie Real (9), ManCity (8) und PSG (7) involviert sind. Der VfB Stuttgart braucht in Bratislava oder gegen PSG einen Sieg.

Fazit

 

Meine Bedenken gegen das neue Format mit einer Liga und 36 Teams haben sich fast voll und ganz bestätigt. Es gibt bestenfalls eine Scheinspannung ums Weiterkommen. Der Kampf ums direkte Achtelfinale ist tatsächlich gegeben, das war auch so zu erwarten, aber eben mit dem Sicherheitsnetz Zwischenrunde. Und wenn ich bei den struggelnden Teams wie City und Real immer noch nachschauen muss, gegen wen es geht (das ist in einer Vierergruppe eben nicht der Fall), dann nimmt das viel an Spannung. Vom absurden letzten Spieltag mit gleich 18 gleichzeitig laufenden Partien möchte ich erst gar nicht klagen (nur weils unübersichtlich ist, ist es halt nicht wirklich spannend). Gute Spannung muss sich nämlich auch einigermaßen nachvollziehbar auflösen und nicht hopplahopp. Aber schaun mer mal.

Liverpool – die Macht in Europa und England

Goldene Zeiten in Anfield

 

Die Reds ohne den Heiland Jürgen Klopp, was kursierten da für Schreckensszenarien. Und jetzt?: Nach gut einem Drittel der Saison steht der FC Liverpool so gut da wie noch selten. Ohne Punktverlust in der Champions League fast schon sicher direkt im Achtelfinale, souverän an der Spitze in der Premier League. Und auch wenn bis Saisonschluss noch viel Wasser an der Merseyside fließen wird: Sollte die Mannschaft am Sonntag gegen das zurzeit inferiore Manchester City gewinnen, dann das Team fast schon einen Haken an die Meisterrschaft machen. Okay, sehr, sehr, sehr früh, aber es wären dann elf Punkte auf den Titelverteidiger, und der Rest der Liga scheint auch nicht konstant, nicht wahr Arsenal?

Es sind ja nicht nur die Siege am laufenden Band, sondern die Art und Weise, wie Klopp-Nachfolger Arne Slot sein Team spielen lässt und wie es spielt. Sie können mittlerweile alles, wie das Spiel am Mittwoch gegen Real Madrid zeigte. Volles Tempo, aber auch Tempomäßigung. Und jeder der elf Spieler ist außergewöhnlich gut, ohne dass die Mannschaft auf einen einzigen angewiesen ist. Ein Mo Salah mag derzeit Scoring-Rekorde aufstellen und (mal wieder) in der Form seines Lebens sein – unersetzlich scheint er nicht, zumal die Spieler anderer Clubs fast Schlange stehen, damit sie bei den Reds anheuern dürfen; enannt sei Salahs ägyptischer Landsmann Marmoush, der der fast schon zu  logische Nachfolge wäre.

Ein Großteil der Mannschaft ist  noch jung, Klopp hat es nach den Triumphen geschafft, den Umbruch bestens einzuleiten. Slot verfeinert das Ganze jetzt. Es sind goldene Zeiten, die auf den FC Liverpool warten.

 

Ds weiße Ballett humpelt

 

Ganz anders Real Madrid: In der Primera Division selten souverän und katastrophal beim 0:4 gegen den FC Barcelona. Dafür stehen die Königlichen mit nur vier Punkten Rückstand und einem Spiel weniger auf den katalanischen Erzrivalen noch relativ gut da. Der Auftritt an der Anfield Road war fast schon desaströs zu nennen, natürlich auch bedingt durch enormes Personalsorgen gerade in der Abwehr, wo Ausnahmekönner wie Alaba, Carvajal und Militao schmerzlichst vermisst werden. Vor allem aber gibt es das Problem Kylian Mbappé – dessen Verpflichtung eh schon heikel war und mir zumindest sportlich überflüssig schien, weil auf dessen Lieblingsposition die Madrilenen mit Vini jr. bestens besetzt waren. Dementsprechend schwer tut sich der Ausnahmestürmer noch, er fremdelt noch merklich. Und auch als er wg Vinis Verletzung auf der linken Seite spielen durfte – das war gar nichts gegen Pool, und sein verschossener Elfer war nur der traurige Beleg.
Real hat mal wieder den Fehler gemacht und nach Namen eingekauft und nicht, was das Team benötigt. Den Abgang von Toni Kroos wollten die Königlichen vereinsintern kompensieren, aber das ging schief, auch weil der dazu auserkorene Fernando Valverde ob der Verletzungen hinten aushelfen muss. Damit fehlt aber der Taktgeber, der Dirigent, ohne den die Stars vorne in der Luft hängen. Und da diese eher wenig geneigt sind, hinten tatkräftig mitzuhelfen, gibt es die Unwucht. Dass mündet dann halt schon in drei Vorrundenniederlagen in der Champions League, und die beiden Heimsiege gegen die deutschen Clubs Stuttgart und Dortmund kamen ja auch eher glücklich (positiv gesagt: Bernabéu und Ausnahmekönnen) zu Stande.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ich Real abschreibe, dazu ist die Klasse der Einzelnen zu groß zumal die Verletzten spätesgtens 2025 zum großen teil zurückkommen. , zu außergewöhnlich. Ein Mbappé kann jederzeit „explodieren“. Und jetzt hilft die aufgeblähte Champions League extrem. Mann stelle sich jetzt ein Endspiel bei Atalanta bergamo vor, stattdessen hat Real danach noch zwei Fangnetz-Spiele im Januar gegen Red Bull salzburg und Stade Brest. Und in einer K.-o.-Runde ist Real immer zu unglaublichen Taten fähig.

 

Freude und Ärger übers neue Format der Champions League

 

Meine große Skepsis gegenüber der 36er-Monstertabelle, die die 8 Vierergruppen ablöste, habe ich hier und anderswo schon hinreichend zum Ausdruck gebracht. Diese Skepsis ist beileibe nicht verflogen, sondern hat sich eher verfestigt. Ich will nicht verhehlen, dass es Spieltag für Spieltag höchst attraktive Partien allein vom Namen her (Liverpool vs Real, Bayern – PSG) oder der Dramaturgie (City vs Feyenoord, PSV vs Donezk) der Partie selbst. Aber auch nach dem 5. Spieltag kann ich das Ganze immer noch nicht einordnen (vielleicht bin ich auch zu blöd dazu). Die Tabelle määndert  unübersichtlich vor sich hin (wer hat schon im Kopf, wer wann noch gegen wen spielt) und alles ist auch noch um zwei Spieltage aufgebläht, also noch sehr viel zusätzlicher Fußball in einem ohnehin schon völlig übersättigten Fußball-Kalender. Natürlich hat das Aufblähen auf 8 Spieltage die Folge, dass nach dem 4. Spieltag noch nichts entschieden ist, aber das empfinde ich eben als sehr vergifteten Vorteil.
Die acht Vierergruppen hatten ihre Nachteile – ganz gewiss. Und in einigen Gruppen war in den vergangenen Jahren nach dem 4. oder spätestens 5. Spieltag alles entschieden. Aber es gab eben auch in jedem Jahr auch einige Gruppen, in dem praktisch bis zur letzten Minute noch alles kippen konnte. Vor allem wusste jeder, wer gegen wen spielt, und es gab zwei Aufeinandertreffen der Gegner, also die Möglichkeit der „Racha“, wie das mein Vater zu nennen pflegte. Es gab die sogenannten Todesgruppen und machbare Gruppen, also hatte auch schon die Auslosung ihren Reiz. Jetzt übernimmt diese komplett ein Computer. Und der spuckt dann eben für Leipzig ein ungleich schwereres Programm aus als etwa für Borussia Dortmund. Ein Kontrahent Celtic Glasgow zu Hause ist ein Glücksfall, Celtic Glasgow in Schottland eher ein Albtraum.
Es gibt in der Tat sehr viele nicht nur auf dem ersten Blick überraschende Ergebnisse, die ich durchaus goutiere. Aber die sind eben auch dem Umstand geschuldet, dass die Topclubs diese vielleicht nicht mit dem letzten Ernst angehen, weil es eben zwei Partien mehr zum kompensieren gibt.
Nun denn, es stehen noch 3 Spieltage an. Real auf Platz 24 muss tatsächlich ums bloße Weiterkommen bangen wie auch PSG, ManCity, der VfB Stuttgart. Vieles ist allerdings auch jetzt schon praktisch entschieden wie das Aus für RB Leipzig, Young Boys Bern oder das sichere Weiterkommen aller Teams mit 10+ Punkten, das sind zurzeit schon 12 Clubs, also ein Drittel. Schauen wir mal, wie es sich entwickelt.

 

 

 

Start der Champions League ohne Überraschungen

Das war er also, der 1. Spieltag der  Fußball Champions League im neuen Format. Von den einen mit viel Spannung erwartet, von den anderen eher gelangweilt entgegengesehen. Große Überraschungen sind ausgeblieben. Am ehesten verwunderte noch das 2:1 der AS Monaco gegen Barca, allerdings sind die MOnegassen sehr gut in die Saison gekommen. Und die Stadt Madrid muss etwas haben, weil Auswärtsteams dort einfach nicht gewinnen können.
Ein Ärgernis für mich: Überall steht geschrieben, dass das Fangnetz Europa League nun nicht mehr gegeben ist. Formal durchaus richtig, doch auch im früheren Format sind die Gruppenletzten gänzlich ausgeschieden, in der vergangenen Saison immerhin namhafte Teams wie Manchester United, der 1. FC Union und FC Sevilla. Ich würde mal behaupten, dass es das in der Form nicht mehr gegeben wird.. Rechnerisch scheiden jetzt 12 von 36 Teams anstatt 8 von 32 aus, dafür bleben 24/36 anstatt 16/32 in der Königsklasse. Zwei Drittel verbleiben also nach 144 Partien  im Wettbewerb, finde den Fehler.

Ein Experiment

Ich behaupte ja immer, dass in der CL alles so vorhersehbar ist. Das möchte ich mit einem Experiment unterstreichen. Ich nenne jetzt die 8 Teams, die unter die besten Acht kommen, also sich die Zwischenrunde ersparen,  und die 12 Teams, die ausscheiden. Natürlich wird dieser Tipp nicht zu 100 Prozent aufgehen, aber mich würde es arg wundern, wenn einer „meiner“ der besten Acht ganz rausfliegt und umgekehrt.. Um es noch spannender wird. Die Clubs in VERSALIEN sind für mich gesetzt. Ich habe dabei weder den Spielplan genau im Kopf, geschweige denn im Tabellenrechner durchgetippt.

Die Top 8 (beliebige Reihenfolge=

MANCHESTER CITY, REAL MADRID, BAYERN MÜNCHEN
FC Liverpool, FC Arsenal, Paris St. Germain, Inter, Bayer Leverkusen

Bottom 12
DINAMO ZABREB, YOUNG BOYS BERN, SLOVAN BRATISLAVA, RS BELGRAD, FC SALZBURG
Sturm Graz, Feyenoord, Sparta Prag, Stade Brest, FC Brügge, FC Girona, OSC Lille

Erkenntnis: Bei den Botton 12 tat ich mich ziemlich schwer. Der Kampf um Platz 24 dürfte letztlich das größte Spannungsmoment sein, weil es um Ausscheiden/Nicht Ausscheiden geht. Auch Platz 8 ist natürlich wichtig aufgrund des Freiloses in der 1. Play-off-Runde, aber halt das Fangnetz Zwischenrunde. Der Kampf um die einzelnen Plätze ist dagegen eher nur eine Scheinspannung.

Warum die Champs Champs sind

Erst Real Madrid, dann Novak Djokovik: Samstagabend bis früh in die Nacht durfte der Sportfan mal wieder erleben, dass die wahren Champs wirklich erst dann geschlagen sind, wenn der Schlusspfiff ertönt  oder der Matchball gespielt ist. Leidtragende waren erst Borussia Dortmund und Lorenzo Musetti: Überlegen, doch letztlich den Sack nicht zumachend und am Ende überrollt.

Wer die Chancen nicht nutzt …

Was war das für eine erste Halbzeit des BVB. Praktisch an die Wand spielten die Borussen die Königlichen von Real Madrid, allein es fehlten die Tore. Die beste Chance vergab Karim Adeyemi nach brillantem Zuspiel von Mats Hummels, der jedem Vergleich zum Toni-Kroos-Traumpass gegen die Bayern standhält (did you see that, Mr. Nagelsmann?). Doch er konnte Real-Torwart Thibault Courtois nicht überwinden. Wie überhaupt der Belgier, der nach seinem Kreuzbandriss sein erstes CL–Spiel in dieser Saison bestritt, eine unglaubliche Ruhe ausstrahlte und den Dortmundern den Zahn zog. Außerdem war es fast tragisch, wie wirkungslos die Borussen-Ecken verpufften. Und so ließen die Madrilenen das Angriffs-Feuerwerk, leider aus Borussensicht nicht effizient abgeschlossen über sich ergehen mit dem Wissen, ja Wissen!, dass sie das schon überstehen würden. Da fällt mir ein wenig besserwisserisch ein: Wenn Experten und andere von nicht effektiv sprechen, meinen sie „nicht effizient“. bastian Sick und viele andere haben sich darüber schon länger ausgelassen.

Und fast erwartbar sollte sich der Chancenwucher rächen. Nach der Pause und wahrscheinlich ein paar sehr klaren und treffenden Worten von Trainer Carlo Ancelotti gab es halt dann nicht mehr die sperrangelweiten Real-Lücken in der Abwehr. Mit zunehmender Spieldauer kippte das Geschehen in Richtung Madrid. Und dann zeigte Toni Kroos, wie man eine Ecke schlägt. Scharf und und punktgenau auf den Kopf von Daniel Carvajal, und der nur 1,73 Meter große Verteidiger (ehemals Bayer LeverkusenI überwand Gregor Kobel. Danach zeigte Real seine ganze Königsklassen-Klasse, setzte die Borussen enorm unter Druck sodass Fehler nicht ausblieben. Einen grausamen Fehlpass von Maatsen in der eigenen Hälfte nutzte letztlich Vinicius jr zum 2:0, die Entscheidung, zumal Niklas Füllkrug bei seinem vermeintlichen Anschlusstreffer knapp aber doch eindeutig im Abseits stand.
So durfte Toni Kroos in seinem letzten Real-Spiel sich mit dem insgesamt 6. Champions-League-Titel krönen, so viele hat nur der große Francisco Gento und außerdem auch der gestern eingewechselte Luca Modric.

Die Auferstehung des Djokers

Zum 27. Mal: Ich bin kein Fan von Novak Djokovic, im Gegenteil, ich mag ihn nicht, wegen seiner Art, seiner endlosen Balltipperei beim Aufschlag. Aber ebenfalls zum 27. Mal: Aus für mich leidvoller Erfahrung weiß ich, dass der Serbe wirklich erst bei einem vom Gegner verwandelten Matchball geschlagen ist (Federer Wimbledon-Finale 2019, ein Albtraum). So auch heute Morgen beim faszinierendem Drittrundenspiel der French Open gegen einen zeitweise brillanten Lorenzo Musetti. Die Partie begann aufgrund der Wetterkapriolen erst um 22.40 Uhr Pariser Zeit und endete weit nach 3 Uhr nachts nach mehr als 4 Stunden Spielzeit. Musetti hatte nach verlorenem ersten Satz sich die beiden nächsten Sätze geholt. Da sah Djokovic wie ein wandelnder Leichnam aus, schlurfte nur über den Platz, vermeintlich sich ergebend. „Am Rande einer Niederlage“ sei er, konstatierte Wolle Nadvornik am Eurosport-Mikrofon, und jeder wird diesen Eindruck gehabt haben – wenn es halt nicht der Djokovic wäre.
Und dann? Drückte der Serve den Turbo-Boost wie einst Michael Knight bei bei seinem Wunderauto KITT, der irgendwo in seinem Körper versteckt sein muss. Quasi von einer Sekunde auf die andere war da plötzlich ein springlebendiger Djokovic auf dem Platz, als sei es nicht weit nach Mitternacht, als seien nicht mehr als drei Stunden gespielt. Beim Stand von 2:2 im 4. Satz gelang ihn ein Break, und danach gab es den  besten Djokovic in diesem Jahr, das für ihn bisher so gar nicht laufen wollte. Musetti spielte weiter großartig, doch Djokovic agierte in eigenen Tennis-Sphären, praktisch fehlerlos. Ich streiche für den letzten Satz das „praktisch“. Er verwandelte den ersten Matchball nach 4:32 Stunden, es war 3:20 Uhr. Genau ein Game sollte er in dieser  Zeit trotz erbitterter Gegenwehr von Musetti abgeben. So endete der 5. Satz 6:0, dauerte aber auch 37 Minuten, also gut 6 Minuten per Game. Klar, auch weil es die Spieler mit der Gameclock nicht mehr ganz so genau nahmen. So feierte Djokovic ausgelassen, Musetti bleibt die Ehre, ein großes Spiel geliefert zu haben. Mit einem Sieg hätte er  seinem italienischen Landsmann Jannik Sinner zur Nummer 1 der Weltrangliste verholfen. Der muss das jetzt selbst hinkriegen, indem er wenigstens das Halbfinale in Paris erreicht.

Für Djokovic geht die Reise weiter, und vielleicht war genau dieses Spiel der Schlüssel zu einem doch noch erfolgreichen Jahr. Er hat eindrucksvoll gezeigt, dass er es noch kann, die Frage ist jetzt halt, wie er diesen Kraftakt zu dieser sehr späten Zeit wegsteckt und ob er so was wiederholen kann. Morgen trifft er im Achtelfinale auf den Argentinier Francisco Cerundolo, wir dürfen gespannt sein. Ich persönlich befürchte allerdings bei allem Respekt, dass das eine eher leichte Aufgabe für ihn wird.

 

Torwart – der Höllenjob

Das war es mit Wembley reloaded. Nachdem der BVB auch das Rückspiel gegen Paris St Germain mit 1:0 gewann und ins Londoner Champions-League-Finale einzog, verpasste Bayern München das Weiterkommen bei Real Madrid nur knapp. Nur ein paar Minuten fehlten zum Coup  und der Wiederholung des rein deutschen Finales, doch zwei späte Tore für Real, die ihre 267. remontada (Aufholjagd) in ihrem lauten und gerade modernisierten Fußballtempel feierten.

Es war das erwartete Spiel auf Augenhöhe, allerdings doch mit durchgehenden Vorteilen bei Real, die deutlich mehr Aktivität in Richtung Bayern-Kasten offenbarten als umgekehrt. Doch dieses mal agierte die Münchner Abwehr nahezu fehlerfrei, und was aufs Tor kam, das wurde zur Beute des famosen Manuel Neuer, von dem noch die Rede sein soll …

In der 2. Halbzeit erhöhten die Madrilenen den Druck, doch zwei fabulöse Neuer-Paraden, verhinderten die Führung. Die Münchner verlegten sich aufs Konter, und einer von ihnen führte zum Erfolg. Harry Kane schlug einen Toni-Kroos-Gedächtnis-Pass über 40 Meter direkt in den Lauf von Anthony Davies. Der. Kanadier, früh für Serge Gnabry ins Spiel gekommen, nahm Fahrt auf, wackelte den deutschen Nationalverteidiger Toni Rüidger aus und bezwang Sergej Lunin mit einem satten Schuss.

Doch Real Madrid ist in Dutzenden Schlachten Rückschläge gewohnt. Doch nachdem der vermeintlich schnelle Ausgleich wegen eines klaren Foulspiels an Kimmich zurückgenommen wurde, schienen die Felle davonzuschwimmen. Denn wer sollte denn Manuel Neuer bezwingen? Die Antwort folgte in der 89. Minute: praktisch er selbst: Nachdem er völlig unnötig mit einem weiten Abwurf nur einen Real-Spieler fand, kam Reals Vini jr zum Schuss. Völlig harmlos aus weiter Entfernung, doch Neuer schätzte den Ball falsch ein, dieser sprang von seiner Brust vor die Füße des schnell reagierenden Joselu, der keine Mühe mehr hatte. Das grausame Torwart-Los, es hatte wieder zugeschlagen. Die grandiose Leistung war kaum mehr etwas wert. Ich mag ja Neuer nicht besonders, das Hofieren zu ihm geht mir seit Langem auf die Nerven, insgesamt finde ich, dass er dietolle Klasse von einst schon länger nicht mehr hat. Aber jetzt spielte er seine beste Partie seit Jahren und dann dieser lächerliche Fauxpas, der ihm in dieser Form bei 10 000 Bällen nicht wieder widerfahren wird. Ein kleiner Maulwurfshügel sei Schuld gewesen, analysierte er mit einem Anflug von Galgenhumor. Tja: Seine Monsterleistung geriet ins Hintertreffen. Schnell kamen (nicht nur) bei mir Erinnerungen an Oliver Kahn bei der WM 2002 hoch. Allein dem damaligen Nationaltorwart war es zu verdanken, dass eine äußerst limitiete deutsche Mannschaft ins WM-Finale einzog. Dort zeigte sie die beste Turnierleistung, bis ein ähnlich läppischer Kahn-Abpraller die brasilianische Führung ermöglichte. Die alte Fußball-Weisheit hat immer noch Gültigkeit: Ein Stürmer kann Chance um Chance jämmerlich verhühnern, wenn er zum Siegtor angeschossen wird, ist er der Held, ein Torwart kann Wunderdinge zaubern, macht er einen entscheidenden Fehler, ist er der Depp. Man schaue sich die Notengebung der Zeitungen an, egal ob Boulevard oder Fachblatt.

Bernabeu explodierte, und in diesem Tohuwabohu setzte Joselu noch den zweiten Streich und verwertete eine scharfe Hereingabe von Rüdiger. Ausgerechnet Joselu, der bei Real begann, dann eine jahrelange Odyssee bei verschiedenen europäischen Clubs (u. a. Hoffenheim, Bremen, Frankfurt) unternahm, ehe er dieses Jahr zu Real zurückkehrte, aber auch nur, weil zuvor Harry Kane nicht nach Madrid, sondern nach München wechselte.

Die Entscheidung? Mochte man glauben, weil Bayern-trainer Thomas Tuchel alle Offensiv-Kräfte (Kane, Sané, Musiala) entkräftet und angeschlagen vom Feld nehmen musste (so seine Version. Doch dann die Szene, die jetzt schon allen Stoff zur Legendenbildung innehat. Ein weiter Schlag der Münchner, Mazraoui gewinnt ein Kopfball-Duell, der Ball gelangt über Umwege zu Eric Dier, der den Ball per Direktschuss ins Tor beförderte. Soweit klingt das schon ganz gut. Der große Haken war nur, dass der Schiedsrichter-Assistent Mazraoui im Abseits sah, seine Fahne hob und Schiri  Szyman Marciniak aus Polen die Szene hörbar lange vor dem Dier-Schuss abpfiff. Vorschnell, wie sich herausstellte, denn zumindest die ersten Fernsehbilder legten eher den Schuss nahe, dass Mazraoui nicht im abseits stand. Und gerade in solch knappen Situationen ist es strikte Anweisung ans Schiedsrichter-Gespann, die Szene erst mal weiter laufenzulassen, um gegebenenfalls die Fernsehbilder per Videoreview zu konsultieren. Dieses war jetzt eben nicht mehr möglich, weil mit dem Schiri-Pfiff das Spiel formell unterbrochen war.

Die Bayern tobten und toben wahrscheinlich immer noch. Michael Ballack am DAZN-Mikrofon überschlug sich förmlich vor Empörung über diesen unmöglichen Fehler. Es war fast lustig zu sehen, wie er sich mehr und mehr in Rage redete, die Sätze lkaum mehr zusammenbekam und mehr und mehr auch ins Sächsische verfiel. Der Chemnitzer dachte mit Grausen an ein Champions-League-Spiel 2009  mit Chelsea, als der Schiri im Rückspiel gegen den FC Barcelona einfach trotz mehrerer reichlich eindeutiger Szenen schlichtweg keinen Elfer geben wollte.

https://www.kicker.de/oevreboes-skandalspiel_ballacks-boesen-sprint-uebersah-er-auch-717684/artikel

Die Spieler tobten (nicht ganz so schlimm) Max Eberl, gerade gut zwei Monate als Sportvorstand verstieg sich gar in die Behauptung, alle hätten das deutsche Finale dringend gewünscht, nur die Polnischen (sid!) Schiedsrichter nicht. und die „Bild“ verstieg sich gar zum „schlimmsten Torraub“ seit Wembley 66, gnädig ein paar ähnliche Fälle (Lampard 2010 gegen Neuer) ignorierend.

Ich kann den Ärger sehr gut verstehen, aber:

  1. Wie gesagt: Die Szene war abgepfiffen, und einige Real-Spieler nicht mehr bei der Sache. Vor allem ihr Torwart Lunin ließ den Ball von Dier teilnahmslos relativ nah an sich vorbei ins Tor rollen, der weder besonders fest noch platziert geschossen war. Nach Lage der Dinge hätten vollkonzentrierte Madrilenen und insbesondere Lunin den Treffer mit Leichtigkeit verhindert.
  2. Und sogar wenn dieses Tor gefallen wäre. Wenn wir schon im Spekulatius sind, dann bitte auch über die dann erforderliche Verlängerung, lange 30 Minuten gegen völlig erschöpfte Münchner, die von der Bank nichts mehr hätten nachlegen können. Klar, den Neuer hätte real erst mal bezwingen müssen

Die Münchner täten also sehr gut daran, sich jetzt allein auf diese Szene zu kaprizieren. Natürlich war das Verhalten vom Schiri (auf Eberls Herumreiten aufs „Polnische“ möchte ich lieber nicht eingehen) ein furchtbarer Fehler,  zumal er bei Joselus zweitem Tor bei einer ähnlich knappen Abseitsfrage nicht abpfiff, so dass eine Kontrolle möglich war. Aber insgesamt waren die Münchner den Madrilenen doch ziemlich unterlegen, und da gilt es jetzt, den Hebel anzusetzen.

Und Tuchel muss sich bei allem Lob über die Taktik gegen Real schon fragen lassen, warum all seine Offensiv-Kräfte aus dem letzten Loch pfiffen. Klar, Veletzungen bei Sané und Musiala, aber musste ein Harry Kane in letztlich belanglosen Bundesliga-Spielen wirklich praktisch immer von der ersten bis zur letzten Minute spielen?

Die Analyse wird folgen, die der eigenen Fehler auch (nicht der von Neuer, der wird nie mehr passieren). Jetzt muss aber schleunigst ein neuer Trainer gefunden werden, denn erst danach erscheint mir die Verpflichtung neuer Spieler sinnvoll mal abgesehen davon, dass diese schon gerne wüssten, unter wem sie trainieren und spielen müssen und welche Idee des Fußballs der Coach hat. Spannende Zeiten, versprechen große Unterhaltung (für die unbeteiligten Betrachter zumindest). Und Borussia Dortmund hat die zweifelhafte Ehre, Real am Samstag in 3 Wochen herauszufordern in Wembley.