Vergnüglicher Abend mit ungewöhnlicher Lesung

Viel Spaß mit Javier Cáceres

Manchen Münchner Fußball-Fans dürfte das „Stadion an der Schleißheimer Straße“ ein Begriff sein. Es ist kein Stadion, sondern eine Fußballkneipe im besten Sinne. Unzählige Wimpel, Trikots und andere Fanartikel schmücken die Wände. Es liegen uralte Ausgaben vom Kicker und anderen Sportzeitschriften wie das längst vergessene „fußball-magazin“ aus. Hier gibt es auf großen Monitoren Live-Übertragungen unzähliger Fußball-Spiele national und international, manchmal auch unterschiedliche zur selben Zeit.
Der ideale Ort also, ein Fußball-Buch vorzustellen, was auch schon viele Autoren gemacht haben wie etwa der wunderbare Ronald Reng. Also trat gestern Javier Caceres zur Lesung an für sein ungewöhnliches Buch „Tore wie gemalt“. Der in Santiago de Chile geborene Cáceres ist langjähriger SZ-Redakteur, kümmert sich um den Berliner Fußball, aber vor allem auch um alles, was nur am Rande mit spanisch-sprachigem Fußball zu tun hat. Seine Kontakte sind weitreichend, und er kann eben nicht nur fußball-spezifisches in seinen Texten unterbringen, sondern auch die besonderen Sitten und Gebräuche in Spanien und Südamerika.

„Eine Lesung ist auch keine Lösung“. So lautet der einzige Satz eines kompletten Kapitels des großartiges Bandes „Das Schwarze sind die Buchstaben“ (ein Buch über dieses Buch) des leider schon verstorbenen österreichischen Großkritikers Hans Weigel. https://www.zvab.com/9783222114595/Schwarze-Buchstaben-Buch-Weigel-Hans-3222114595/plp
Zumindest der gestrige Abend entsprach dem allerdings überhaupt nicht. Für die Zuschauer war es höchst unterhaltsam. Cáceres erzählte, der Sportchef Claudio Catuogno moderierte launig. (Vor)gelesen wurde relativ wenig, darunter Teile des herrlichen Vorwortes des argentinischen Weltmeisters Jorge Valdano (1986, seufz). Mehr denn je galt der Spruch „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Der Autor brachte nämlich insgesamt 118 namhafte Fußballspieler dazu, ihr wichtigstes Tor aufzuzeichnen. Zu jedem Treffer gibt es auch einen kurzen Text des Schützen und die Umstände. Diese Tore gibt es (fast) alle auf Youtube.

Als besonderen Clou gab es einen in München sehr beliebten Stargast: Giovane Elber, 1997 bis 2003 glanzvoller Stürmer des FC Bayern, zuvor Mitglied des magischen Dreiecks beim VfB Stuttgart mit Krassimir Balakow und Giovane Elber. Er beschrieb sein sagenhaftes Tor damals bei Hansa Rostock, als er den Ball praktisch von der Eckfahne ins vom Hansa-Schlussmann Perry Bräutigam verlassene Tor zirkelte.Das machte den Abend einer äußerst gelungenen Veranstaltung richtig rund. Und so habe ich, der Nicht-Autogrammsammler, tatsächlich eine echte Unterschrift des mir immer schon sympathischen Brasilianers (obwohl er für Bayern spielte🙂) aus Londrina.

Wahrscheinlich nicht nur für mich das tollste Tor ist aber der Zauberschuss von Roberto Carlos in einem Freundschaftsspiel gegen Frankreich 1997 in Lyon.
Die physikalisch unmögliche Flugbahn des Balles und das fassungslose Gesicht von Frankreichs Schlussmann Fabien Barthez – einfach unvergesslich.

Die Zeichnungen entsprechen vielleicht nicht den allerhöchsten künstlerischen Ansprüchen. Doch viele der sich zunächst sträubenden Fußballer („Wir arbeiten mit dem Fuß und nicht mit der Hand“) überredete Cáceres, indem er die ebenfalls ausbaufähigen Bilder der anderen Spieler zeigte.

Nach Ende der Lesung liefen übrigens auf stummen Monitoren wieder Fußballspiele, und beim 5:0 von Arsenal gegen Chelsea waren einige sehenswerte Treffer dabei. Vielleicht sogar welche für eine Fortsetzung?

Klare Kauf-Empfehlung für Fußballfans, die in Erinnerungen schwelgen und sich vielleicht auch überraschen lassen wollen. Und zwar bitte als echtes Buch und nicht nur als E-Book.

Javier Cáceres: Tore wie gemalt Insel Verlag ISBN 978-3-458-64444-6, 22 Euro

Disclaimer: Aus meiner Zeit als Sportredakteur bei der Märkischen Oderzeitung und Spielen beim FC Energie Cottbus kenne ich sowohl Javier Cáceres und Claudio Catuogno persönlich.