Sinner nimmt eindrucksvoll Revanche

Wimbledon-Wahnsinn, die Endspiele

 

Die Sieger heißen also Iga Swiatek und Jannik Sinner. Die Polin spazierte geradezu durchs Turnier, gerade zum Ende. Sinner hatte deutlich mehr Mühe und revanchierte sich eindrucksvoll an Carlos Alcáraz, gegen den er vor gut einem Monat noch das Paris-Finale nach 3 vergebenen Matchbällen verloren hatte.

 

Iga Swiatek – Amanda Anisimova 6:0, 6:0

 

Eine sogenannte Brille hat es in einem Wimbledon-Finale seit mehr als 100 Jahren nicht mehr gegeben. Swiatek hatte kein Mitleid mit der völlig überforderten und am Ende der Partie aufgelösten Amerikanerin und erteilte ihr die Höchststrafe. In der modernen Tennis-Ära (seit 1968) hat es das bisher erst einmal gegeben, als 1987 Sgteffin Graf gegen Natascha Zwerewa mit 6:0, 6:0 gewann. Insgesamt hatte Swiatek ein grandioses Turnier, wie folgende Zahlereien bestätigen.

 

  • In den 7 Spielen hat sie einen Satz abgegeben, den ersten in der 2. Runde gegen McNally, danach 6:2, 6:1.
  •  Nur in 2 ihrer 6 Zweisatzsiegen musste sie über 7:5 gehen. Ansonsten je einmal 6:4/6:3 und insgesamt achtmal 6:0 bis 6:2 (aloso insgesamt zehmnmal).
  • Im Halbfinale und Finale insgesamt 4 Games abgegeben, das hats in Wimbledon noch nie gegeben, sag ich jetzt mal.
  • Die höchstgesetzte Gegnerin war Anisimova als Nr. 13.
  • Insgesamt nur 3 gesetzte Gegnerinnen. Neben Anisimova waren das Tauson/23 im AF und Samsonowa/19 im Viertelfinale. Die Kehrseite des amüsanten Favoritensterbens zu Beginn des Turniers.

Vor allem hat Swiatek ihre Allergie gegen Rasen-Tennis eindrucksvoll abgelegt, die sie in den vergangenen Jahren früh scheitern ließ. Nach einem äußerst durchwachsenen Frühjahr und dem schnellen Aus in Paris befand sie sich tatsächlich in einer Schaffenskrise. Wohl dem, der sich so daraus befreit. Und ein Extralob für Andrea Petkovic, die diesen Triumph in ihrer Wimbledon-Vorschau vorhergesagt hat. Mal sehen, was das Jahr noch bringt, das gilt auch für Anisimova: Wenn ihre Finaltränen getrocknet sind, wird sie auf ein extrem erfolgreiches Turnier zurückblicken, das sie in die Top Ten der Weltrangliste spülte.

 

Jannik Sinner – Carlos Alcáraz 4:6, 6:4, 6:6, 6:4

 

Das Ergebnis spiegelt gar nicht die Überlegenheit des Italieners vor allem in den Sätzen 3 und 4 wider. In jedem Durchgang gelang ihm das erste Break, nur im ersten Satz fand Alcáraz eine Antwort. Danach war er dem immer durchvollerem Spiel von Sinner fast ausgeliefert.
Das Spiel reichte längst nicht an das epische Duell der beiden vor einem Monat heran. Das war auch nicht zu erwarten, denn diese Partie gehört jetzt schon mindestens zu den Top 5, die die Tenniswelt je gesehen hat. Beide agierten äußerst fehlerhaft, was natürlich auch daran lag, dass sie im Angesichts der Stärke des Gegenübes sehr viel riskierten. Und da machte Sinne schlicht den besseren Job. In manchen Ballwechslen (so bei den jeweiligen Satzbällen in Durchgang 1 und 2 blitzte das Ausnahmekönnen der beiden auf.
Im 4. Satz bäumte sich der Spanier noch mal auf, erzwang beim Stand von 3:4 2 Satzbälle, die Sinner souverän abwehrte. Aber insgesamt spielte er nicht so frei bei diesem Turnier, die zahlreichen Satzverluste (schon im Auftaktmatch gegen Fognini musste er über die volle Distanz gehen) sind vielleicht Beleg dazu.
Das ist allerdings auch die einzige Hoffnung der Konkurrenz, dass in den kommenden Jahren es nicht zur ewigen Wiederholung Sinner-Alcáraz kommt. Spielen beide auch nur annähern ihr bestes Tennis, kommt da keiner heran. Tja wäre Novak Djokovic ein paar Jährchen jünger, dann könnte er Sinner/Alcáraz sicher ärgern. Unfassbar genug, dass er mit seinen 38 Jahren in allen 3 Grand Slams dieses Jahres das Halbfinale erreichte.

 

Ein (Doping)Fakt zum Nachdenken

 

Sowohl bei Swiatek als auch bei Sinner fanden die Dopingfahnder im vergangenen Jahr positive Proben. Sowohl Swiatek (3 Wochen) als auch Sinner (3 Monate) kamen mit vergleichsweise glimpflichen Strafen davon, Sie überzeugten zumindest die zuständigen Sportrichter von ihrer Unschuld und den äußerst unglücklichen Umständen, die zu einem positiven Befund führten. Normalerweise hätten beide in diesem Jahr (also auch nicht in Wimbledon!) Turniertennis spielen dürfen. Erstaunlich die Nonchalance, ja Gleichgültigkeit, wie dieser Fakt in der Berichterstattung praktisch ausgeblendet wird. Aber Hauptsache, alle verdächtigen die Radsportler und vor allem Tadej Pogacar bei der Tour de France, die gerade läuft.

 

Wimbledon bei Amazon

 

Ich gebe zu: Ich habe Jeff Bezos nicht boykottiert und die Übertragung bei Amazon nicht nur stundenlang verfolgt, sondern regelrecht genossen. Wie im Vorjahr hatte der Streamingsender ein Riesenaufgebot an Top-Reportern und Top-Experten nach London beordert. Live vor Ort ist so eine Übertragung (der Tennistag ging immer über mindestens 10 Stunden) schlicht zwei Klassen besser, als wenn der Großteil aus einem Müncher Studio erfolgt, wie es leider Eurosport seit Jahren betreibt, sogar bei den French Open direkt vor der Pariser Haustür.
Die schon erwähnte Andrea Petkovic verdient als Beste vieler Guten den Preis des Münchner Löwen. Leider nicht dotiert, aber das hat die Tennis-Millionärin auch nicht nötig, hoffe ich doch schwer. Petkovic sticht gegen die ebenfalls sehr guten Barbara Schett (ich liebe ihren österreichischen Dialekt), Sabine Lisicki (ein bisschen viel ohh und ahhh und uhhh), Michael Stich (erzählt manchmal ein bisschen sehr viel auch in die Ballwechsel) sowie all die anderen, die das Wort bekamen.
Herausragend auch die Moderatorin Katharina Kleinfeld. Ihre unterhaltenden und gleichsam informativen gerade am Ende des Wimbledon-Tages begeisterten mich. Auch die Kommentatoren störten nicht (das ist bei mir schon ein Sonderlob): Jonas Friedrich gebührt ein weiterer Löwen-Preis. Ihn würde ich noch vor Marcel Meinert ansiedeln.

Laura Siegemund: Ganz nah dran ist eben nicht drin

Wimbledon-Wahnsinn, Viertelfinale

 

Frauen

 

Mit Abstand das spannendste der 4 Partien war die von Laura Siegemund gegen Aryna Sabalenka. Die 37-jährige Schwäbin hatte die Nummer 1 der Weltrangliste ganz nah an einer Niederlage, führte im 3. und entscheidenden Satz mit 3:1. Doch beim Stand von 15:15 und Aufschlag Sabalenka vergab Siegemunde einen nahezu sicheren Punkte, da ging ein Ruck durch die Weißrussin. Zwar schaffte Siegemund tatsächlich noch mal ein Break zum 4:3, doch dann hatte sie nichts mehr zuzusetzen. Sie war mit den Kräften sichtlich am Ende, und Bälle, die zuvor noch knapp im Feld landeten, segelten jetzt ins Aus
Dennnoch ein tolles Spiel und ein fantastisches Turnier  für die Deutsche, die so anders spielt und so schlau. Ideal auf Rasen ist ihre Schnibbelei, wo die Bälle kaum noch „aufstehen), und die Sabalenka (sowie die Konkurrentinnen zuvor) regelrecht in den Wahninn blieben. So bleibt als Trost ein Scheck von mehr als 400.000 Dollar sowie der Eintritt in den exklusiven Club der „Top 8“, den jede(r) Viertelfinalist(in) erhhält (sowie alle Halbfinalisten im Doppel und Finalisten im Mixed).
Eine Anmerkung zu Sabalenka: Ihr Geschrei nach jedem ihrerSchläge ist unerträglich. Mich wundert, dass die Gegnerinnen nicht viel heftiger protestieren, denn die müssen sich doch gestört fühlen. Meine Lust, ihre Spiele anzuschauen, tendiert mittlerweile gegen Null, dabei spielt sie grandioses Tennis. So viele Regeln gibt es, warum nicht eine Anti-Schrei-Regel

Die anderen Partien waren mehr oder weniger klare Angelegenheiten. Amanda Anisimova krönte ihr Comebackjahr nach Burnout mit dem Halbfinaleinzug. Gegen Pawljuteschnkova machte es die Amerikanerin spanner als nötig, vergab 3 Matchbälle in Folge und musste ins Tiebreak. Dort wehrte sie insgesamt 5 Satzbälle ab und verwertete dann den insgesamt 5. Matchball zum Sieg.
Die (längst nicht mehr geheime) Geiheimfavoritin Iga Siatek setzte den souveränenen Erfolgslauf fort und ließ Ludmilla Samsonowa letztlich keine Chance. Sie wird am Donnerstag im Halbfinale auf die Schweizerin Belinda Bencic treffen. Die Schweizerin zeigt das beste Turnier nach der Geburt ihrer Tochter und eliminierte etwas überraschend die Rusin Mirra Andreewa, die schlicht planlos war gegen das sehr solida, aber keineswegs überragende Spiel von Bencic

 

Ansetzungen Halbfinale

Do. 14:30: Sabalenka – Anisimova
Sabalenka ist Favoritin, aber Anisimova hat mir sehr gut gefallen
danach:     Swiatek – Bencic
Offenbar hat Swiatek ihre Freude am Rasentennis entdeckt. Ich sehe sie recht klar favorisiert gegen Bencic, die eh schon ein tolles Turnier hinter sich hat

 

Männer

 

Nach den vielen mehr oder weniger großen Überraschungen zu Beginn des Turniers lässt sich sagen: Die Besetzung des Halbfinals entspricht fast den Erwartungen. Sprich: Die absoluten Topspieler haben sich durchgesetzt.
Den schwierigsten Run hatte dabei Taylor Swift, der in der 1. Runde gegen Giovanni Mphetsi-Perricard fast schon draußen war, sich dann aber von Runde zu Runde steigerte und jetzt auch den gefählrichen Russen Karim Katschanow in 4 Sätzen besiegte. 4 Durchgange benötigte auch Novak Djokovic gegen den Außenseiter Flavio Cobolli. Nachdem der 7-fache Wimbledon-Triumphator den ersten Durchgang abgegeben hatte, steigerte er sich enorm und gewann die folgenden 3 Sätze gegen den nie aufgebenden Italiener.
Dessen Landsmann Jannik Sinner kam gegen Ben Shelton sogar in 3 Sätzen durch. Und doch: Jeder Durchgang war enorm knapp, und hätte der Amerikaner bei wichtigen Punkten etwas mehr Glück (und Können/Konzentration) auf seiner Seite gehabt, wäre es vielleicht noch knappe zugegangen.
Völlig problemlos löste dagegen Titelverteidiger und Turnierfavorit Carlos Alcáraz das Halbfinal-Ticket. Er erteilte dem britischen Lokalmatadoren Cameron Norrie eine Tennis- Lehr- ja Trainerstunde und brauchte für den Dreisatz-Sieg nur gut 100 Minuten.

 

Ansetzungen Halbfinale

Fr., 14:30: Alcáraz – Fritz
danach:    Djokovic – Sinner

Ich würde Alcáraz und Djokovic leicht favorisieren, wen. sie denn ihr bestes Tennis auf den Center Court bringen. Fritz hat seine Klasse auf Rasen schon oft gezeigt (2 Siege in Vorbereitungsturnieren), jetzt kriegt er die PS auch auf den Wimbledonrasen. Und zu welchen Taten Sinner fähig ist, bewies er zuletzt beim jetzt schon legendären Finale in Paris gegen Alcáraz, als er 3 Matchbälle vergab und am Ende erst im Tiebreak des 5. Satzes verlor.

 

 

Siegemunds Erfolgslauf geht weiter – auch gegen Sabalenka?

Wimbledon-Wahnsinn, das Achtelfinale

 

Seit ein paar Jahren entfällt der freie erste Sonntag, sodass das Achtelfinale auf 2 Tage verteilt werden kann.
Am Sonntag setzte Laura Siegemund ihren Erfolgslauf fort. Gegen die Argentinierin Solana Sierra war die Deutsche erstmals Favoritin, und kam mit dieser Rolle glänzend zurecht, siegte fast locker in 2 Sätzen. Am heutigen Dienstag wartet eine ungleich schwierigere Aufgabe, denn auf dem Center Court trifft sie auf die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka. Kann Siegemunds ungewöhnliches Spiel mit viel Slice auch auf der Vorhand auch die Weißrussin irritieren und nerven? Siegemund rechnet sich offenbar Chancen aus. Um Kräfte zu schonen, zog sich die Schwäbin aus der Doppel-Konkurrenz zurück, wo sie mit Beatriz Haddad Maia im Achtelfinale stand.Alle Tennisfans mögen Ohropax bereithalten, denn Sabalenka schreit lauter als ein Laubbläser, und das bei jedem Schlag.
Natürlich ist Sabalenka Favoritin. Gleiches lässt sich in der unteren Tableau-Hälfte für die auf Rasen stark verbesserte Iga Swiatek, die sich ihrer bisherigen Aufgaben mehr oder weniger souverän entledigte.

 

Sinner mit viel Glück

Von Souveränität kann dagegen bei Jannik Sinner nicht die Rede sein – im Gegenteil. Im Achtelfinale lag der Italiener am Montagabend bereits mit 0:2 Sätzen gegen Grigor Dmitrov zurück, als der Bulgare wegen einer Bauchmuskelzerrung aufgeben musste. Herzzerreißende Bilder, als Sinner den weinenden Dmitrov versuchte zu trösten. Der begeisterte nicht nur gegen Sinner mit seinem wunderbar abwechslungsreichen Rasentennis, mit dieser sagenhaft schönen einhändigen Rückhand, die Sinner von einer Verlegenheit in die nächste stürzte.
Der verletzungsanfällige Dmitrov (35) ist und bleibt der Unglücksrabe bei Grand Slams. Auch in den 4 Turnieren zuvor musste er vorzeitig aufgeben, jeweils sogar in der 1. Runde.
Sinner hat es „überlebt“, jetzt trifft er auf Ben Shelton, der seinerseits gegen den widerspenstigen Italiener Lorenzo Sonego 4 Sätze brauchte. Wie im übrigen auch die Turnier-Favoriten Carlos Alcáraz (gegen einen bärenstarken Andrej Rublew) und Novak Djokovic (nach klar verlorenem 1. Satz gegen Alex de Minaur).

 

Männer, Viertelfinale (gespielt wird jeweils auf Centercourt/14.30 und Court Nummer 1/14.00)

Mi. Sinner – Shelton (N.N)
Mi. Djokovic – Cobolli (N.N)
Di. Fritz – Katschanow (1. Spiel/Nr. 1)
Di. Alcaraz – Norrie (2. Spiel/CC)

Frauen

Di., Sabalenka – Siegemund (1. Spiel/CC)
Di., Anisimova – Pawljutschenkowa (2. Spiel/Nr. 1)
Mi. Andreewa – Bencic (N.N)
Mi. Swiatek – Samsonowa (N.N.)

 

 

 

Frühes Favoritensterben

Wunderliches Wimbledon, 2. Runde

 

Ein Fazit sowie einige Anmerkungen zu Alexander Zverevs bemerkenswerter Pressekonferenz nach seiner Niederlage

 

Draper und Paolini schon raus

 

Auch in der 2. Runde hatten es die Favoriten auf dem noch grünen Rasen schwer, und manche Stars mussten ihre Hoffnungen  schon begraben. Von den insgesamt 64 gesetzten Frauen und Männer haben bereits sage und schreibe 37 (17 Frauen, 20 Männer, wenn ich mich nicht verzählt habe), bereits die Segels streichen müssen. In manchen Setzvierteln herrscht schon eine sehr große Leere, und so wäre es wenig verwunderlich, würden wir im Halbfinale Akteure antreffen, die sich selbst dort nichtn in ihren kühnsten Träumen shene würden. So erwischte es in der 2. Runde den Amerikaner Tommy Paul gegen Sebastian Ofner aus Österreich, noch überraschender kam das Aus des britischen Lokalmatadoren Jack Draper gegen Marin Cilic; eigentlich hat der Kroate seine besten Tage (US-Open-Sieg, Wimbledonfinale) schon längst hinter sich, doch er scheint einen Jungbrunnen gefunden zu haben.
Wenigstens die Top-Favoriten gaben sich keine Blöße. Carlos Aláraz, Jannik Sinner und Novak Djolovic landeten glatte 3-Satz-Erfolge, Tayler Fritz brauchte wie in der 1. Runde die volle Distanz gegen den aufschlagstarken Kanadier Gabriel Diallo.

Auch bei den Frauen ging der Aderlass der Stars weiter. So erwischte es die tschechische Wimbledonsiegerin 2023, Marketa Vondrousova, die gegen die englische Lokalmatadorin Emma Raducanu ihre Meisterin fand. Jasmine Paolini aus Italien, Finalistin in Wimbledon 2024, zog gegen die Russin Kamilla Rakhmowa den Kürzeren.

Und die Deutschen? Trugen zum Favoritensterben bei, denn sowohl Laura Siegemund (gegen Leyla Fernandez) als auch Jan-KLennard Struff (Felix Auger-Allisasime) zogen durch Erfolge gegen Gesetzte aus Kanada in die 3. Runde ein. Dort wird Struff mit einem Spiel auf dem Center Court gegen Alcáraz belohnt, während es Siegemund mit der amerikanischen Australian-Open-Siegerin Madison Keys zu tun bekommt.. Ein echter Schlager beschließt den Tag auf dem Center Court. Die Britin Emma Raducanu darf sich gegen die Nummer 1 Aryna Sabalenka durchaus Chancen einräumen (kann allerdings auch von der Weißrussin abgeschossen werden!).

 

Zverevs Geständnis

 

Die Worte des Hamburgers nach seiner Niederlage gegen Arthur Rinderknech

https://blickueberdenteich.de/zverev-macht-zverev-dinge/

waren ein einziger Hilfeschrei. Und  beleuchteten sehr viel mehr als nur eine schnöde Niederlage im Tennis. Er habe zurzeit keine Freude mehr am Leben, bekannte Alexander Zverev. Fühle sich einsam auf dem Platz, aber auch außerhalb. „Es ist nicht nur Tennis. Ich fühle mich insgesamt sehr allein und sehr, sehr einsam im Leben.“
Die Finalniederlage von Melbourne wirkt offenbar immer noch nach, wo er gegen Jannik Sinner absolut chancenlos war. Gut 5 Monate ist das her, aber seitdem spielt Zverev für seine Verhältnisse äußerst bescheidenes Tennis, ungeachtet des Turniererfolgs in München Ende April.
Es war kein Vorwurf gegen bestimmte Personen, aber das Verhältnis gerade zum Vater ist offenbar belastend. „Niemand spricht mit mir. Mein Vater hat nach 20 Jahren genug von mir und geht direkt nach dem Match nach Hause. Mein Bruder hat hier seine Kinder dabei und hat zu tun. Ich stehe allein vor dem Spiegel und spreche mit mir selbst.“ Zverev wurde deutlich: „Nur meine vierjährige Tochter macht mich glücklich.“ Die allerdings weit weg bei der getrennt lebenden Mutter lebt.

Mag sein, dass er im ersten Frust über die Niederlage allzu drastische Worte gefunden hat, Tatsache allerdings ist auch, dass auch er jetzt Veränderung anstrebt. Sogar eine Therapie, die er bisher kategorisch ausschloss, steht offenbar zur Debatte. Er habe sich noch nie so leer gefühlt. Er hoffe, beim Masters-1000-Turnier im kanadischen Toronto Ende Juli weitere Antworten geben zu können.

Ich bin nicht unbedingt der größte Zverev-Fan. Aber allergrößten Repekt, dass er so offen über die Einsamkeit im Profitennis sprach, die wahrhaftig nicht nur den Deutschen befällt. Es gibt wohl keinen Sport, wo der Athlet/die Athletin so allein auf sich gestellt ist, wo jede Regung über Stunden auf dem Platz von der Öffentlichkeit (und natürlich vom Gegner) registriert wird. Keine Minute dort zum Verstecken wie beim Mannschaftssport. Ewiges Herumreisen von Ort zu Ort, wo sie dann doch nur die Hotelzimmer und Tennisanlagen sehen. Kein Zweifel, die Topstars werden mehr als üppig belohnt, aber der Preis scheint manchmal arg hoch. Wie schrieb Andre Agassi in seiner fantastischen Autobiographie „Open“? Er habe Tennis gehasst. Offenbar steckte in diesen Worten sehr viel mehr Wahrheit als von mir angenommen und war nicht nur Koketterie.

 

 

 

Zverev macht Zverev-Dinge

Zverev raus, Maria raus. Die beiden großen deutschen Hoffnungen mussten schon in der 1. Runde reichlich überraschen und noch viel enttäuschender die Segel streichen. Während Tatjana Maria nach verlorenem Tiebreak im 2. Satz (dort nach 4:2- und 5:4-Führung) mit ihren Kräften bei sengender Hitze am Ende war und im letzten Durchgang gegen die Außenseiterin Katie Volynets schlicht nichts mehr zuzusetzen hatte, zog Zverev gegen den zwar starken, aber keineswegs übermächtigen Arthur Rinderknech in 5 Sätzen den Kürzeren.

Es war ein Zverev, wie er leibt und lebt in einer Partie, die über 2 Tage ging, weil in Wimbledon ohne Ausnahme um 23 Uhr Ortszeit die Lichter ausgehen (also zumindest die Spiele abgebrochen werden). Schon gestern Abend hatte sich Zverev gegen den Franzosen schwer getan, doch alles schien sich zum guten zu wenden, als er mit gewonnenen Tiebreak im zweiten Satz (und abgewehrten Satzball) den 1:1-Ausgleich herstellte. 1:1 führt er, konstatierte auch Expertin (und leider auch ziemliches Fangirl) Andrea Petkovic.

Nach offenbar unruhiger Nacht am Nachmittag die Fortsetzung: Zverev wirkte verschlafen, ließ sich fast ohne Gegenwehr den Aufschlag abnehmen und ließ den 3. Satz wegrauschen. Im 4. nutzte Zverev einige Breakbälle nicht, und so kam es zum nächsten Tiebreak. Und beim Stand von 5:5 nahm Zverev allen Mut zusammen und drosch Rinderknech einen unerreichbaren 2. Aufschlag (der zweithärteste des gesamten Spiels) nur so um die Ohren, holte sich kurze Zeit den Satz.

Jetzt aber doch Zverev, oder? Zumal der Franzose bei größter Hitze immer müder wurde. Doch der Hamburger verhühnerte ein 40:0 und gab den eigenen Aufschlag zum 1:2 ab. Un obwohl sich der wackere Rinderknech kaum mehr auf den Beinen halten konnte, blieb er in seinen Aufschlagspielen reichlich ungefährdet. Warum? Weil Zverev, der im 4. Satz noch so viel Cojones gezeigt hatte, jetzt jegliches Risiko scheute und dem Franzosen wie ein Tennislehrer die Bälle vor die Beine spielte auf dass dieser sich nicht mehr allzu sehr bewegen musste.

Der Matchball war Sinnbild. Rinderknech schubste einen Aufschlag ins Feld, Zverev schubste zurück. So ging es mehrere Schläge hin und her (als würden sich die Herrschaften einschlagen), dann ergriff Rinderknech nach einem allzu dürftigen Ball doch die Initiative und beendete das Match mit einer krachenden Rückhand. Sank zu Boden und feierte den wohl wichtigsten Sieg seiner Karriere, in der er noch nie einen Top-5-Spieler geschlagen hat. Unfassbar: In 5 langen Sätzen und 28 Aufschlagspielen gelang es Zverev kein einziges Break –  gegen einen zwar guten, aber keineswegs mit überragendem Service ausgestatteten Aufschläger.

Damit sind nach der 1. Runde 4 der 7 deutschen Starterinnen und Starter ausgeschieden. Neben Maria scheiterte auch Qualifikantin Ella Seidel, die böse umknickte und ihre Partie gegen die Spanierin Jéssica Bouzas Maneiro beim Stand von 3:6, 2:3 aufgeben musste. Bänderriss, lautet die niederschmetternde erste Diagnose. Auch Daniel Altmaier ist schon raus. Gegen den Argentinier Gabriel Diallo hatte er letztlich keien Chance.

Im Rennen sind noch noch Eva Lys, Laura Siegemund sowie Jan-Lennard Struff, die sich ihrer Erstrunden-Aufgaben souverän lösten. Morgen wird es für das verbliebene Trio schwer: Struff bekommt es mit Felix Auger-Aliassime aus Kanada zu tun, Siegemund in einem weiteren deutsch-kanadischen Duell mit Leila Fernandez. Lys letztlich trifft auf die starke Tschechin Linda Noskova, für viele eine Geheimfavoritin fürs Turnier.

 

Favoriten straucheln und fallen sogar

 

Die 1. Runde brachte schon viel Unterhaltung. So benötigte Titelverteidiger Carlos Alcáraz 5 Sätze und sehr viel mehr Mühe als erwartet, um den widerspenstigen Italiener Paulo Fognini aus dem Weg zu räumen. De befindet sich mit seinen 37 Jahren auf Abschiedstour und bat den Spanier hernach um ein Autogramm für seine Nichte.
Gerade noch von der Schippe des Ausfallens sprang Taylor Fritz. 0:2-Sätze lag er gegen den französischen Aufschlagriesen Giovanni Mpetshi Perricard zurück und nach gewonnenem 3. Durchgang im Tiebreak des 4. Satzes gar mit 1:5. Dann bekam der junge Franzose das Nervenflattern, sein Aufschlag verließ ihn, und er gab den Tiebreak ab. Auch hier Unterbrechung wegen Sperrstunde und heute die Forsetzung, in der Perricard beim Stand von 4:5 eine kleine Aufschlagschwäche erfuhr und Game und Satz und Match velor.

Tatsächlich draußen sind die hochgesetzten Lorenzo Musetti, Holger Rune und Daniil Medwedew. Auch der als sehr gefährliche Außenseiter Alxander Bublik ist nicht mehr dabei. Der Sieger des Turniers in Halle zeigte seine üble Seite und verlor am Ende ohne jede Lust gegen den Spanier Munar. Bei den Frauen erwischte es Jessica Pegula, eine Mitfavoritin auf den Turniersieg, die nach ganz schwacher Leistung der Italienerin Elisabetta Conciaretto (Nr. 116 der Welt) beugen musste. Die Italienerin trifft nur auf Maria-Bezwingerin Volynets. Auch Olympiasiegerin Qinwen Zheng (vs Katerina Siniakova) ist nicht mehr dabei.