Wunderliches Wimbledon, 2. Runde

 

Ein Fazit sowie einige Anmerkungen zu Alexander Zverevs bemerkenswerter Pressekonferenz nach seiner Niederlage

 

Draper und Paolini schon raus

 

Auch in der 2. Runde hatten es die Favoriten auf dem noch grünen Rasen schwer, und manche Stars mussten ihre Hoffnungen  schon begraben. Von den insgesamt 64 gesetzten Frauen und Männer haben bereits sage und schreibe 37 (17 Frauen, 20 Männer, wenn ich mich nicht verzählt habe), bereits die Segels streichen müssen. In manchen Setzvierteln herrscht schon eine sehr große Leere, und so wäre es wenig verwunderlich, würden wir im Halbfinale Akteure antreffen, die sich selbst dort nichtn in ihren kühnsten Träumen shene würden. So erwischte es in der 2. Runde den Amerikaner Tommy Paul gegen Sebastian Ofner aus Österreich, noch überraschender kam das Aus des britischen Lokalmatadoren Jack Draper gegen Marin Cilic; eigentlich hat der Kroate seine besten Tage (US-Open-Sieg, Wimbledonfinale) schon längst hinter sich, doch er scheint einen Jungbrunnen gefunden zu haben.
Wenigstens die Top-Favoriten gaben sich keine Blöße. Carlos Aláraz, Jannik Sinner und Novak Djolovic landeten glatte 3-Satz-Erfolge, Tayler Fritz brauchte wie in der 1. Runde die volle Distanz gegen den aufschlagstarken Kanadier Gabriel Diallo.

Auch bei den Frauen ging der Aderlass der Stars weiter. So erwischte es die tschechische Wimbledonsiegerin 2023, Marketa Vondrousova, die gegen die englische Lokalmatadorin Emma Raducanu ihre Meisterin fand. Jasmine Paolini aus Italien, Finalistin in Wimbledon 2024, zog gegen die Russin Kamilla Rakhmowa den Kürzeren.

Und die Deutschen? Trugen zum Favoritensterben bei, denn sowohl Laura Siegemund (gegen Leyla Fernandez) als auch Jan-KLennard Struff (Felix Auger-Allisasime) zogen durch Erfolge gegen Gesetzte aus Kanada in die 3. Runde ein. Dort wird Struff mit einem Spiel auf dem Center Court gegen Alcáraz belohnt, während es Siegemund mit der amerikanischen Australian-Open-Siegerin Madison Keys zu tun bekommt.. Ein echter Schlager beschließt den Tag auf dem Center Court. Die Britin Emma Raducanu darf sich gegen die Nummer 1 Aryna Sabalenka durchaus Chancen einräumen (kann allerdings auch von der Weißrussin abgeschossen werden!).

 

Zverevs Geständnis

 

Die Worte des Hamburgers nach seiner Niederlage gegen Arthur Rinderknech

https://blickueberdenteich.de/zverev-macht-zverev-dinge/

waren ein einziger Hilfeschrei. Und  beleuchteten sehr viel mehr als nur eine schnöde Niederlage im Tennis. Er habe zurzeit keine Freude mehr am Leben, bekannte Alexander Zverev. Fühle sich einsam auf dem Platz, aber auch außerhalb. „Es ist nicht nur Tennis. Ich fühle mich insgesamt sehr allein und sehr, sehr einsam im Leben.“
Die Finalniederlage von Melbourne wirkt offenbar immer noch nach, wo er gegen Jannik Sinner absolut chancenlos war. Gut 5 Monate ist das her, aber seitdem spielt Zverev für seine Verhältnisse äußerst bescheidenes Tennis, ungeachtet des Turniererfolgs in München Ende April.
Es war kein Vorwurf gegen bestimmte Personen, aber das Verhältnis gerade zum Vater ist offenbar belastend. „Niemand spricht mit mir. Mein Vater hat nach 20 Jahren genug von mir und geht direkt nach dem Match nach Hause. Mein Bruder hat hier seine Kinder dabei und hat zu tun. Ich stehe allein vor dem Spiegel und spreche mit mir selbst.“ Zverev wurde deutlich: „Nur meine vierjährige Tochter macht mich glücklich.“ Die allerdings weit weg bei der getrennt lebenden Mutter lebt.

Mag sein, dass er im ersten Frust über die Niederlage allzu drastische Worte gefunden hat, Tatsache allerdings ist auch, dass auch er jetzt Veränderung anstrebt. Sogar eine Therapie, die er bisher kategorisch ausschloss, steht offenbar zur Debatte. Er habe sich noch nie so leer gefühlt. Er hoffe, beim Masters-1000-Turnier im kanadischen Toronto Ende Juli weitere Antworten geben zu können.

Ich bin nicht unbedingt der größte Zverev-Fan. Aber allergrößten Repekt, dass er so offen über die Einsamkeit im Profitennis sprach, die wahrhaftig nicht nur den Deutschen befällt. Es gibt wohl keinen Sport, wo der Athlet/die Athletin so allein auf sich gestellt ist, wo jede Regung über Stunden auf dem Platz von der Öffentlichkeit (und natürlich vom Gegner) registriert wird. Keine Minute dort zum Verstecken wie beim Mannschaftssport. Ewiges Herumreisen von Ort zu Ort, wo sie dann doch nur die Hotelzimmer und Tennisanlagen sehen. Kein Zweifel, die Topstars werden mehr als üppig belohnt, aber der Preis scheint manchmal arg hoch. Wie schrieb Andre Agassi in seiner fantastischen Autobiographie „Open“? Er habe Tennis gehasst. Offenbar steckte in diesen Worten sehr viel mehr Wahrheit als von mir angenommen und war nicht nur Koketterie.