Viertelfinale, Tag 2

Der Minimalistenfußball feiert weiter unfreuliche Urständ. England steht damit im Halbfinale. Dort treffen die Three Lions auf Holland, das die Türkei in einer unterhaltsamen Partie nach Rückstand noch ausschaltete.

England – Schweiz 5:3 nach Elfmeterschießen

England siegt nach Penalties, und damit ist schon viel gesagt, denn diese Art der Entscheidung liegt den Briten gar nicht. Die 120 Minuten zuvor waren doch sehr ermüdend. Allen wäre viel erspart geblieben, wenn man sich das gar nicht erst angetan hätte. Die Engländer bauen weiterhin erfolgreich auf ihre Abwehr, die Schweizer waren schlicht zu feige, vielleicht auch, weil Granit Xhaka mit einem Bändereinriss gehandicapt war. Chancen waren somit an den Fingern einer Hand abzuzählen, und wenn ein Finger fehlte, machte das auch nichts.
Dass die Schweizer trotzdem in Führung gingen durch Breel Embolo, war erstaunlich genug. Und plötzlich spielte England den Fußball, den alle Welt an ihnen schätzt: druckvoll, mit Power. Leider mit schnellem Erfolg, muss ich sagen, eil Saka mit einem herrlichen Schuss Yann Sommer überwand, denn danach fielen sie gleich wieder in ihre Lethargie zurück. Am Ende zählten gnädige Statistiker 3:3 Schüsse aufs Tor. Die Szene des Spiels. Xherdans fantastische Ecke direkt aufs Tor, mit der er leider nur das Lattenkreu traf.
Am Ende bauten alle auf ein Elfmeterschießen, das dann die Engländer ohne Fehlschuss für sich entschieden, weil Akanji mit einem ganz schwachen Versuch an Jordan Pickford scheiterte. Mich hat da tatsächlich gewundert, dass der Schweizer Trainer Murat Yakin fürs Shootout keinen Torwartwechsel vornahm, und nicht auf Gregor Kobel setzte, der eine weit bessere Elferbilanz hat als Sommer. Es gibt Trainer, die so etwas schon gemacht haben.

Mann der Partie
Bukayo Sako: Nicht nur wegen des Tores. Noch der einfallsreichste in einem einfallslosen Ensemble auch mit sehr starker Defensivarbeit.

Stark trotz der Niederlage
Granit Xhaka: Trotz seines Handicaps der spiritus rector. Schade, dass sich die Schweizer nicht mehr zugetraut haben.

Ausblick des Siegers
England steht im Halbfinale als Meister der Effizienz. Die Abwehr erscheint sicher, und vorne haben sie Ausnahmespieler. Zumindest in der Theorie. Das Finalae muss noch nicht Endstation sein, befürchte ich.

Und die Verlierer
Gute Leistungen gegen Deutschland und vor allem gegen Italien. Auf dem Papier klingt ein K.-o.-Aus gegen England gar nicht so schlecht, aber da war mehr drin.

Holland – Türkei 2:1
Sicher das unterhaltsamste Spiel auch wegen der unvergleichlichen Stimmung auf den Rängen (auf die beschämenden Wolfsgrüße will ich hier nicht eingehen). Da spielten zwei Mannschaften, die wenigstens die kontrollierte Offensive (und manchmal auch mehr) wagten. Die Türken waren in der ersten Halbzeit bestimmend, ihre Führung durchaus verdient. Im zweiten Durchgang war es die erwartete Abwehrschlacht, wie am Dienstag gegen Österreich. Doch die Holländer hatten mehr Glück/Können vorm Tor und drehten die Partie noch durch fast zwangsläufige Treffer von Stefan de Vrij und Cody Gakpo. Gakpo? Nein, die UEFA benannte Müldür als Eigentorschütze. In der Hinsicht macht sich der Verband einen regelreichten Spaß draus, warum auch immer.

Mann des Spiels
Wout Weghorst! Warum? Mit dem zur Pause eingewechselten Stürmer hatte Oranje einen steten Gefahrenherd, der die Türken vor fast unlösbare Probleme stellte. Und dann war da noch seine Rettungstat vorm eigenen Strafraum, als er am Boden liegend gerade noch den Ball vor einem einschussbereiten Türken zur Seite spitzelte. Die Verteidigungstat des Turniers. 05:17 https://www.youtube.com/watch?v=8EMJPNRtThI

Stark trotz der Niederlage
Arda Güler: Was für ein wunderbarer Fußballer.Das türkische Juwel.

Ausblick des Siegers
Als Gruppendritter im Halbfinale, und warum eigentlich nicht mehr. Der Kader gibt das auf jeden Fall her: viel offensives Potenzial und eine meist sichere Abwehr. Und ein Frimpong sitzt sogar nur auf der Bank

Und die Verlierer?
Die Mannschaft mit dem meisten Herzblut. Nie erlahmender Elan. Auch gestern. Diesmal nicht nur in einer veritablen Abwehrschlacht, sonden am Ende auch mit dem Mute der Verzweiflung, der um ein Haar sogar noch die verlängerung gebracht hätte. Sie können stolz sein auf dieses Team.