Die sportliche Vielfalt, das macht Olympia aus. Und für mich persönlich: Dass ich bis zum Schluss nicht weiß, im Idealfall zumindest, ob mein auserkorener Favorit am Ende gewinnt oder nicht.

Japanische Dramen an der Platte

Nehmen wir das gestrige Tischtennis-Viertelfinale. „Meine“ Sportart, weil ich hier selbst wahrscheinlich am begabtesten bin. Früher am Fernsehen kaum zu verfolgen, heute eine der telegensten Sportarten überhaupt. Unglaubliche Ballwechsel. Und gestern zwei Japaner in den tragischen Hauptrollen. Zunächst Miu Hirano gegen die Yubin Shin. Ein nervenzerreißendes Auf und Ab über sieben prickelnde Sätze. Zwei Matchbälle hatte Mirano, zweimal vergab sie oder wehrte Shin gekonnt ab – je nach Sichtweise. Sie selbst nutzte ihre erste Möglichkeit. Danach weinten beide, die eine vor Glückselgikeit, die andere aus Enttäuschung. Wenig später traf Tonukazo Harimoto auf Zhendong Fan. Harimoto war ein Wunderkind, mischte schon als 13-Jähriger die Weltelite auf. Jetzt ist er 21, gesettled in der Weltelite, das schon, aber noch ohne die großen Titel, die ihm damals alle Experten en masse zugetraut hatten. Auch gegen Fan gab es ein begeisterndes 7-Sätze-Match, auch hier mit stetem Auf und Ab. Harimoto durfte beim Stand von 7:6 im 7. vom Sieg träumen, doch Fan rettete die chinsesische Ehre und gewann letztlich mit 11:7. Er verhinderte damit eine veritable Staatskrise, denn bei seinem Ausscheiden wäre die Tischtennis-Nation China ohne Männer-Medaille geblieben. Ein Trost für Japan: Mit Hina Hayata hat wenigstens eine Spielerin das Halbfinale erreicht.
Zwei junge Europäer sind ebenfalls noch im Medaillenrennen. Der erste 21-jährige Felix Lebrun , ein 21-jähriger Franzose, wie ein Philophiestudent aussehend mit seinem kurzen blonden Haar mit Nickelbrille. Er begeistert die Landsleute, die die Halle in ein Tollhaus verwandeln. Und da ist Truls Moredgard. Ein Schwede, der mit einem eckigen Schläger spielt als einziger der Weltelite. Herrlich (oder doch nervend?) aufbrausend. Episch jetzt schon die Szene, als er nach einem vergebenen Satzball wie ein ganz trotziges Kind wütend auf und ab sprang. Hat mich an meine eigenen Dramen an der heimischen Platte gegen Papa erinnert, seufz. Es könnte also ein französich-schwedisches Finale geben. Wie 1992 in Barcelona, als der große Jan-Ove Waldner auf Jean-Philippe Gatien traf. https://olympics.com/en/video/barcelona-1992-gold-medal-table-tennis-match

Unglaubliche Simone Biles

Die amerikanische Turnerin gewann den Mehrkampf, so weit, so erwartet. denn dass sie nach ihrem olympischen Nervenkollaps 2020 wieder in Topform ist, hat sie die Tage zuvor nachdrücklich gestätigt. Aber was sie am Boden ablieferte, ließ mich staunend und fassungslos zurück. Ja, der Untergrund federt, aber wie sie sich bei einem Schwung höchst in die Lüfte erhob wie ein stolzer Adler auf Beutejagd, dann Saltis und Schrauben noch und nöcher drehte (ich komm da beim Zählen nicht mehr mit), um dann fast wie festgemauert wieder zu landen, war mal wieder einer dieser olympischen Momente. Hier die Übungen. https://www.eurosport.de/kunstturnen/olympia-paris-2024/2024/olympia-2024-highlights-mehrkampf-gold-simone-biles-bleibt-gottin-des-kunstturnens-nur-rebeca-andrade-halt-mit_vid2200955/video.shtml

🇩🇪 🇦🇹 👓

– Die Basketballerinnen machen weiter extrem viel Spaß. In der regulären Version stehen sie bereits im Viertelfinale. Nach dem völlig überraschenden Sieg gegen Europameister Belgien gewannen sie auch gegen Japan, immerhin Silbermedaillengewinnerinnen 2020. Auch wenn diese nicht mehr so gut sind wie damals in Tokio -es war schon erstaunlich, wie abgezockt die deutschen Frauen sich den Sieg erarbeiteten. Grandios Satou Sabally, die allein in der 1. Hälfte 23 Punkte sammelte. Sie ist der Anker des deutschen Teams, Gott sei Dank hat sie ihre schwere Schulterverletzung, die sie im Qualifikationsturnier in Brasilien erlitt, offenbar bestens kuriert. Jetzt folgt noch ein (sportlich letztlich unbedeutendes) Zuckerl in der Vorrunde gegen die übermächtigen USA, bevor es im Viertelfinale ernst wird. Egal gegen wen es dort geht (die USA kommen ja nicht in Frage), ich sehe durchaus Gewinn-Chancen.
Genauso erstaunlich ist der Siegeszug des 3×3-Teams. Dieses steht nach dem Sieg heute Morgen gegen China bereits bei 4:1 Siegen. Im Achterfeld scheint ein Platz unter den besten 2 mehr als realistisch, das schon die direkte Halbfinal-Qualifikation bedeuten würde. Die Play-Ins dazu, also mindestens Platz 6, sind schon fix. Auch hier: Alles ist möglich. Heute Abend geht es noch gegen Gastgeber Frankreich, das wird ein Spektakel für sich am Place de la Concorde.

– Dass Sofia Polcanova das Tischtennis-Viertelfinale erreichte, ist ein Riesen-Erfolg, den niemand erwarten durfte. Die Österreicherin war die letzte europäische Vertreterin in der Runde der besten Acht. Dort allerdings erhielt sie von der Chinesin Meng Cheng beim 0:4 eine Lehrstunde, musste einen Satz gar mit 0:11 abgeben.

– Die Leiden des Sascha Z.: Der Hamburger Tennisprofi war in seinem Viertelfinale den Italiener Lorenzo Musetti körperlich sichtlich nicht auf der Höhe. Es war fast nicht anzusehen, wie er litt. Das erkannte offenbar auch die griechische Stuhlschiedsrichterin, die gnädig über seine längeri Pausen hinwegsah und ihn nicht wegen Zeitüberschreitungen verwarnte. Musetti ließ sich nicht beeindrucken. Der Italiener beendete die Partie mit einer seiner so wunderbaren anzusehenden einhändigen Rückhand. Jetzt darf er gegen Novak Djokovic ran. Der Serbe gewann gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas, obwohl auch er im 2. Satz wie einwandelnder Leichnam aussah. Er bekam eine Pille, offenbar eine mit Wunderwirkung, denn plötzlich rannte er wieder leicht wie ein lebhaftes Füllen umher. Für die haushohe Favoritin Iga Swiatek ist der Goldtraum dagegen passé. Im Halbfinale unterlag sie der Kerber-Bezwingerin Qinwen Zheng. Sensationell ebenfalls im Endspiel steht die Kroatin Donna Vekic, die eigentlich nach den French Open im Juni an hleicher Stelle ihre Karriere beenden wollte, aber es „ein letztes Mal“ noch mal probieren wollte. Jetzt hat die Kroatin mit dem starken Aufschlag Silber, Gold könnte es werden. Erinnerungen werden wach an das One-Hint-wonder Monica Puig 2016, die mit ihrem Endspielsieg gegen Angelique Kerber in Rio Gold holte.