Die Weltcupsaison der alpinen Skifahrer ist am Donnerstag mit den beiden Slaloms in Sun Valley zuendegegangen. Es gab tolle Rennen, beängstigende Stürze, großartige Alte und aufstrebende Junge. Ich versuche eine Bilanz ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Odermatt – nicht mehr ganz so groß

 

Eigentlich eine Unverschämtheit angesichtsd der Tatsache, dass dere Schweizer sehr überlegen den Gesamtweltcup gelang (zum vierten Mal hintereinander) und sich auch die kleinen Kristallkugeln in Abfahrt, Super-G und Riesenslalom sicherte. Doch die absolute Überlegenheit fehlte. Zum Beispiel im Riesenslalom, wo er in der Vorsaison ungeschlagen blieb, bevor er im letzten Rennen in Saalbach ausschied. Dieses Jahr wurde er auch auf der Piste geschlagen, so zweimal von seinem Landsmann Lou Meillard. Er selbst erklärte das damit, das er nicht mehr das letzte Risiko gehe. Doch immer wieder blitzte die Ausnahmeklasse Odermatts auf, und niemand dürfte ernsthaft bestreiten, dass der Schweizer der beste Skifahrer auf Erden ist.

 

Überhaupt die starken SchweizerInnen

 

Ein schier unendliches Reservoir an Superfahrern kommt da jedes Jahr nach. Erste Weltcupsiege feierte Franjo von Allmen, Alexis Monney, Stefan Rogentin und Thomas Tumler (mit 35) die ersten Weltcupsiege. Bei den Frauen avancierte plötzlich Camilla Rast im Slalom zur Siegläuferin, und eine Marjorie Blanc triumphierte in St. Moritz..
Be3i den Männern verhinderten nur Henrik Kristoffersen (Slalom) einen Schweizer Durchmarsch auf die Kristallkugeln. Die Überlegenheit vor allem in den schnellen Disziplinen war frappant: Dreifacherfolg im Abfahrstweltcup, drei unter den ersten 4 im Super-G.
Die Schweizerinnen waren nict ganz so dominant: Nur Lara Gut-Behrami sicherte sich im Super-G eine Weltcupkugel, und nur noch Camille Rast kam im Slalom als Dritte aufs Stockerl.

 

Dagegen schwache ÖstereircherInnen

 

Knapp 60 Jahre gibt es jetzt den Weltcup, und nur knapp verfehlten Austrias Skihelden diese Saison mehrere Negativ-Rekorde. Gerade mal 5 Siege feierte Rot-Weiß-Rot, und erst im drittletzten Männerrennen verhinderte ein Super-G-Parforceritt von Lucas Feurstein eine völlig sieglose Männer-Saison, die es noch nie gegeben hat.
Schmachvoll genug bleibt es: Kein Podestplatz überhaupt in den 8 Abfahrtsrennen (so wenige wie allerdings noch nie). Der beste Österreicher in Gesamtweltcup auf Rang 12 (Vincent Kriechmayr). Selbsternannte Skination, halt.
Etwas besser die Frauen, wo Conni Hütter, Katharina Liensberger und Katharina Truppe Siege einfuhren.
Um die Demütigung der Skination Österreich zu illustrieren, eine letzte Zahl: Im Nationencup, wo alle Punkte aller FahrerInnen addiert werden, hatte am Ende die Schweiz mehr als 3000 (!) Punkte Vorsprung

 

Die (lange) Abwesenden

 

Schon vor dem ersten Rennen die erste Hiobsbotschaft: Alexander Aamodt JJKilde würde verletzungsbedingt (immer noch wegen seines Horrorsturzes Sturzes 2024 in Wengen) die gesamte Saison fehlen, ebenso wie die neben Mikaela Shiffrin überragende Slalomartistin Petra Vlhova. Shiffrin selbst stürzte dann schwer im November in Killington und fiel 2 Monate aus. Schwer eerwischte es auch Cyprien Sarrazin, dem Shootingstar 2024. Der Franzose stürzte auf der extrem schwierigen Stelvio in Bormio. Offenbar wird er wieder ganz gesund, doch dass er auf die Piste zurückkehrt, möchte ich bezweifeln.

 

Die Comebacker

 

Nach 5 Jahren Pause vm Skisport kamen Lindsey Vonn und Marcel Hirscher zurück in den Weltcup. Gerade Vonns Comeback mit 40 und künstlichem Kniegelenk wurde extrem kritisch gesehen. Doch schnell strafte die Amerikanerin alle Lügen, die das als reine Werbetour abtaten. Sie glänzte schnell mit Top-10-Platzierungen. Nicht alle Ziele der ehrgeizigen Vonn gingen auf, doch in einem sehr schwierigen Abschluss-Super-G zeigte sie ihr einmaliges Gefühl für Tempo auf Schnee. Sie kommt wieder, und sie dürfte auch wieder gewinnen!
Hirscher dagegen enttäuschte letztlich die Erwartungen. In den ersten Rennen fuhr er weit hinterher, und ein Trainingssturz, bei dem er sich einen Kreuzbandriss zuzog, beendete früh die Saison.Ob er wiederkommt?

Sogar einen dritten Comebacker gab es: Lucas Braathen. Der gebürtige Norweger hatte 2023 sein Karriere-Ende bekanntgegeben wegen unlösbarer Differenzen mit dem nationalen Verband. Ein Jahr ohne Skirennsport hielt er aus, dann entschloss er sich, für Brasilien, dem Heimatland seiner Mutter zu starten, als Pinheiro Braathen.
Obwohl er anfangs mit sehr hohen Nummern arg ramponierte Pisten vorfand, hatte er einige exzellente Ergebnisse im Slalom und Riesenslalom. Nur den ersehnten Sieg (es wäre der erste für Brasilien im Wintersport gewesen) schaffte er nicht. Der dürfte dann im nächsten Winter kommen.

 

Die alte Garde

 

Wirklich nicht despektierlich gemeint: Gerade die erfahreren Frauen um Federica Brignone (34), Lara Gut-Behrami (33) und Sofia Goggia (32) waren mit ihren tollen Fahrten eine Bereicherung. Und erfolgreich, denn in dieser Reihenfolge endete der Gesamtweltcup. Brignone holte sich auch die Kugeln in der Abfahrt und im Riesenslalom, wo sie zuletzt unschlagbar schien. Gut-Behrami war die Nummer 1 im Super-G. Goggia siegte wiederum bei der vielleicht schwersten Frauen-Abfahrt in Cortina, der Olympiastrecke von 2026.

 

Die junge Attacke

 

Zdrinka Ljutic hatte schon in der Vorsaison tolle Ergebnisse, jetzt gelang der Kroatin der Durchbruch. Sie siegte im Dezember/Januar in 3 Slaloms hintereinander und holte sich auch die Weltcupkugel. 21 Jahre ist sie erst alt, da wird noch viel kommen.
Das erwarte ich auch von Lauren Macuga. Die Amerikanerin machte den letzten entscheidenden Schritt Richtung Weltspitze. Gerade in der Abfahrt wird die 22-Jährige von immer größerer Erfahrung profitieren.
Das Schweizer Gegenstück ist Franjo von Allmen. Der heizte jetzt schon der Konkurrenz mächtig ein. 3 Weltcupsiege in der Abfahrt und Super-G und die Krönung in Saalbach, als er Weltmeister wurde.
Sehr beachtlich fand nicht nur ich die Albanerin Lara Culturi. Die Tochter der italienischen Ski-Olympiasiegerin Daniela Ceccharelli hatte Traumläufe. Zu einem Weltcupsieg reichte es zwar noch nicht, aber zu mehreren Top-10-Ergebnissen.
Und ohne eine deutsche Brille nutzen zu müssen: Emma Aicher hat die Riesenerwartungen in sie noch übererfüllt. Dass sie schon mit 21 Jahren 2 Weltcup-rennen gewinnen würde, überraschte sie nach eigener Aussage selbst. Noch vermurkst sie sich durch jugendlichen Überschwang so manches Top-Ergebnis. Ein bisschen Enhegen des Draufdrängertums wäre nicht schlecht, aber bitte nicht zu viel. Ich wage eine steile Behauptung: Emma Aicher wird in ein paar Jahren ernsthaft um den Gesamtweltcup mitkämpfen. Warum? Sie selbst wird noch viel besser werden, und die jetzt dominierenden Brignone und Gut-Behrami spätestens in zwei Jahren aufhören oder zumindest ihr Rennpensum drastisch reduzieren.
Wer hier Österreicher vermisst: Ich fahnde noch nach Talenten, sehe sie aber kaum.

 

Die Deutschen

 

Ohne Emma Aicher war es dürftig, auch weil das Verletzungspech praktisch das gesamte Männer-Abfahrtsteam au?er gefecht setzte. Linus Straßer war der einzige verlässliche Top-10-Fahrer (im Slalom). Doch auch der Skilöwe blieb hinter den Erwartungen nach seiner Gala-Saison 2024; er blieb ohne Sieg und schaffte auch nur einen Stockerlplatz im Schladminger Nachtslalom. Immerhin dürfte ihn Platz 3 bei der WM trösten, auch wenn das für ihn nur ein dürftiger Trostpreis  ist.
Einige Talentproben gab im Slalom und Riesenslalom Anton Grammel ab. Das macht Hoffnung für eine bessere Saison 2025.

 

Ach ja, Mikaela Shiffrin

 

Im letzten Rennen der Saison zeigte die Amerikanerin ihre Ausnahmeklasse – zumindest im Slalom Da gewann sie im Heimrennen in Sun Valley hochüberlegen vor den Augen ihrer Mutter und vieler Freunde. es war ihr 101. Triumph in einem Weltcup – natürlich Rekord. Doch der hing an einem seidenen Faden nach einem Sturz im Riesenslalom in Killington, als eine Stange sich in ihren Bauch hineinbohrte. Gott sei Dank wurden keine wichtigen Organe getroffen, wohl aber das Selbstvertrauen. Gerade im Riesenslalom war es für die große Shiffrin-Fangemeinde kaum anzusehen, wie verzagt sie um die Tore kurvte und sogar einmal den 2. Durchgang verfehlte, weil sie zu langsam war.
Im Slalom allerdings lief es gut. In Are feierte sie Weltcupsieg Nummer 100, in Schladming wurde sie gemeinsam mit Abfahrtsweltmeisterin Breezy Johnson Teamweltmeisterin.

Und sonst?

  • Clement Noel: Kam der Franzose zwei Slalom-Läufe durch, war er vorne zu finden, gleich viermal sogar auf Platz 1. Das Problem, dass er oft scheiterte. Exemplarisch die WM in Schladming als er als klar Führender des 1. Laufes im 2. relativ früh ausschied
  • Norwegens Slalom-Armada: Die Norge-Disziplin, die folgerichtig auch Henrik Kristoffersen für sich entschied. Hart bedrängt von den Atle McGraths, Timon Haugans. Lucas Braathen ist ja auch ein guter Kumpel.
  • Wieder nix: Erneut wollte FIS-Präsident Johan Eliasch Abfahrtsrennen vom Matterhorn hinab nach Cervinia durchpeitschen, bloderweise auch noch im November, wo es dort sehr ungemütlich windet. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern lief nichts. Es wird einen neuen nVersuch geben, diesmal im März, wenn das Wetter (vielleicht!) günstiger ist.
  • Ester Ledecka: Nicht genug rühmen kann ich dieses sportliche Ausnahmetalent. Die Tschechin fährt hier eine Abfahrt und dort einen Snowboard-Parallelslalom. Beides erstaunlich erfreulich. Ihre diesjährige Bilanz: Sie wurde Dritte beim WM-Super-G in Saalbach und mit dem Snowboard Weltmeisterin im Parallel-RS und Vize im Parallelslalom, beides im Engadin. Wie man sie stoppen kann? In dem man für Olympia den Zeitplan so legt, dass ihre Lieblingsdisziplinen praktisch gleichzeitig laufen.