Achtelfinale, 2. Tag

Hauptsache gewinnen. Wenn diese Maxime große Nationen pflegen und grauenhaft, aber erfolgreich spielen. schäumen die Fußball-Romantiker. So wie die deutschen 82, 86 und auch 2002. Den Protagonisten wie jetzt die Engländer ist es wurscht. Ich schäume mit, und delektiere mich an den Spanier.

England – Slowakei 2:1 n. V.
Der englische Titeltraum lebt. Für jeden Fußball-Romantiker wäre es ein ziemlicher Albtraum, wenn dieses uninspirierte, sterbenslangweilige Team wirklich Europameister werden würde. Dabei mag ich den englischen Fuzßball, habe schon oft mit ihren Nationalspielern mitgelitten, wenn sie in einem großen Turnier mal wieder in einem Elfmeterschießen gescheitert sind. Aber die? Mit diesem grausigen Fußball? Die eigentlich doch gar nicht wollen? Wirklich nicht.
Es ist schon erstaunlich, wie diese Ansammlung von Könnern (zumindest in der Theorie) sich auf den minimalistischsten, zynischsten Fußball reduzieren lassen, ohne jegliche Lust daran, was sie da so fabrizieren. Als würden sie sich schämen.
In dieses enge Konzept hat sie der Trainer gezwängt -in seiner aktiven Zeit ein Verteidiger. Und er kommt mit seiner Art des Fußballs durch, erst in dieser schrecklichen Vorrunde, und jetzt auch gegen die von vornherein doch ziemlich limitierten Slowaken. Die durch einen wunderbaren Treffer durch Ivan Schranz in Führung gingen. Die allerdings die Engländer kaum aufweckte, vielleicht auch wenig erschreckte. In der 2. Halbzeit spielten sie, als ginge sie das nicht an, und die Slowaken versäumten es nachzulegen, verbarrikadierte sich mehr und mehr in der eigenen Hälfte. Die beste Chance hatte nochDavid Strelec, der  quasi von der Mittellinie den weit vor seinen Kasten weilenden England-Schlussmann Jorda Pickford überlisten wollte, sein Ziel aber haarscharf verfehlte.
Dabei war das wahrlich kein Abwehrbollwerk, das die Slowaken da errichtet hatten. Das zeigte sich jedes Mal, wenn die Engländer dann doch einmal einen konsequenten Angriff spielten. Der schön freigespielte Phil Foden traf zwar ins Tor, stand aber klar im Abseits. Ein Kopfball von Kane rauschte knapp daneben, und ein Schluss von Declan Rice ging nur an den Pfosten. Ansonsten viel Lethargie, auch auf den Rängen, wo die Zuschauer auf Schalke sanft entschlummerten.Die Slowaken? Gingen sehr rustikal zur Sachem und ihr Torwart Martin Dubravka fing nicht eine Flanke, sondern faustete
6 Minuten Nachspielzeit, warum nur so viele, und es kam, wie es kommen musste. Eine schöne Hereingabe verwandelte Jude Bellingham in der 5. Minute per herrlichem Seitfallzieher. Sie haben es also nicht verlernt. Auch Harry Kane nicht. Der traf kurz nach Beginn der Verlängerung: Wieder faustete Dubravka eine Ecke weg, Marc Guehi flankte, und der völlig freistehende Bayern-Stürmer verwandlete eiskalt. Danach wieder schnöder Ergebnisfußball, umjubelt von den Fans, die ihre Spieler und vor allem den Trainer kurz vorher noch am liebsten zum Teufel gejagt hätten.

Mann des Spiels
Jude Bellingham: Nur selten blitzte sein Können auf, handelte sich Gelb ein und konnte von Glück reden, dass seine ärmliche Schwalbe nicht mit Gelb-Rot bedacht wurde. Aber dann halt sein Magic Moment, bezeichnenderweise in der Nachspielzeit, in der er in der vergangenen Saison so viele Tore für Real erzielt hatte.

Stark trotz der Niederlage
Ivan Schranz: Erzielte sein drittes Turniertor. Bester Offensivakteur neben Strelec. Der Spieler von Slavia Prag hat das Interesse der Scouts geweckt, dürfte dort nicht mehr lange spielen.

Ausblick des Siegers
Für die Engländer geht es jetzt gegen die Schweiz, das dürfte ein ganz anderer Prüfstein werden als die doch sehr biederen Slowaken. Und die werden nicht in Ehrfurcht erstarren, andererseit aber auch aufpassen müssen einen jederzeit möglichen Geistesblitz eines Könners wie Bellingham, Foden oder Kane.

Und die Verlierer
Haben mit dem Achtelfinale ihr Ziel erreicht. Und manch Spieler von ihnen hat bei manchen vermögenderen Verein als in der Halbzeit Interesse geeweckt.

Spanien – Georgien 4:1
Was für ein Unterschied im zweiten Sonntagsspiel. Mit Spaniern, die vor Spielfreude sprühten und Georgiern, die wieder ihre ganze Seele auf dem Feld ließen. Am Ende war es klar. Sie durften ja sogar von der ganz großen Sensation träumen nach der Führung durch, fast schon klar, ein Eigentor. Ganz kurz wirkten die Spanier angezählt, aber die Georgier konnten oder wollten nicht nachlegen. Es dauerte dann allerdings nicht lang, bis die Spanier die Georgier mehr und mehr einschnürten. Manch Betrachter fühlte sich an ein Überzahlspiel wie im Eishockey erinnert. Dabei waren sie auch zielstrebig mit brillanten Dribblern wie Nico Williams und Lamine Yamal, doch zunächst vereitelte der erneut ganz starke Schlussmann Giorgi Mamadashvili den Ausgleich. Den besorgte dann noch vor der Pause Rodri.
Nach der Pause hatte der Georgier Khvicha Kvarazschelia einen Geistesblitz, wollte Schlussmann Unai Simon mit einem Schluss noch vor der Mittellinie überlisten, doch verfehlte das Ziel ganz knapp. Die Spanier ließen sich nicht beeidnrucken, spielten teilwweise brillant. Babian Ruiz verwandelte eine Maßflanke von Yamal per Kopf zum 2:1, Nico Williams ließ nach herrlichem Konter und tollem Abschluss unter die Latte das 3:1 folgen. Die Entscheidung gegen die tapferen Georgier, die noch das 1:4 durch den eingewechelten Leipzig-Profi Dani Olmo schlucken mussten.

Mann des Tages
Rodri: Er behielt in der heiklen Phase nach dem Rückstand den Überblick, ordnete schnell die Reihen. Sehr überlegter Schuss zum Ausgleich unhaltbar für Mama.

Stark trotz der Niederlage
Giorgi Mamadashvili: Trotz der 4 Gegentreffer wieder eine großartige Leistung des Torwarts des Turniers. Vielleicht hätte er die Flanke vor der Führung durch ganz beherztes Herauslaufen abblocken können, und am Ende hatte er auch nicht mehr den Elan. Aber auch absolute Spitzenclubs werden ihre Torwartfrage noch mal überdenken.

Ausblick des Siegers
Sie waren nach der Vorrunde mein Turnierfavorit, (auch wenn ich n einem Tippspiel aus taktischen Gründen Portugal zum Europameister erkor, um Rückstand aufzuholen): 11 Könner, die auch ihr Können zeigen dürfen. Jetzt gegen Deutschland, das ist für die Nagelsmann-Truppe der Wahrsager. Die Spanier sind nicht unverwundbar, wie die 1. Halbzeit gezeigt hat, aber es muss schon sehr viel zusammenpassen. Was den Gastgeberen Mut machen könnte: Wirklich unter Druck allerdings ist die neuformierte Abwehr der Spanier noch nicht. Das müssen Musiala und Co. austesten.

Und die Verlierer
Die Georgier waren eine echte Bereicherung. Sehr fantasievoller Fußball mit zwei absoluten Topstars (Mama+Kvaradona). Die kannte ich vorher schon, abe auch andere haben tolle Vorstellungen gezeigt. Fast schade, dass die Reise jetzt zu Ende ist, dazu ein sympathischer Auftritt. Vielen Dank Sagnosvili und hoffentlich auf Wiedersehen.