Elferbetrug? oder etwa doch nicht?

Viertelfinale, Tag 1

Spanien und Frankreich im Halbfinale, Deutschland raus mit Applaus und Portugal raus, ohne dass diese (eigentlich) so offensivstarke Mannschaft in zwei K.o.-Spielen und 240 Minuten auch nur ein Tor zustande gebracht häte.

Spanien – Deutschland 2:1 n. V.

Ich fange gleich mit der Frage aller Fragen an: Warum zur Hölle hat Schiedsrichter Mr. Taylor nicht auf Elfmeter entschieden, als in der 106. Minute Jamal Musiala mit einem Schuss aufs Spanien-Tor den abgespreizten Arm von Marc Cucurella traf. War das nicht ein klarer Strafstoß, nach dem Irrsinn, den wir alles gesehen haben? Gerade die Deutschen waren irritiert, hatten sie nicht im Achtelfinale einen Elfer in einer viel irrwirzigeren Situation erhalten?.
Dazu mächte ich ein paar Gedanken anmerken. Ich gehe davon aus, dass Taylor nach besten Wissen und Gewissen entschieden hat und nicht dem Wahnsinn verfallen ist. Er hatte beste Sicht auf das Geschehen. Er signalisierte, dass er das Handspiel erkannt hat, und gleichzeitig verneinte er die Absicht des Spaniers fürs Handspiel. Das muss man einfach mal so stehenlassen, aber es bleiben Ungereimtheiten.

Frage 1: Aber ist nicht die abgespreizte Hand ein klares Indiz für Absicht? Nach einer Lesart ist das so, aber Cucurella hat tatsächlich versucht, seinen Arm wegzubringen, der Arm war ja auch völlig ohne Anspannung. Das spricht gegen die Absicht.
Frage 2: Aber den anderen Arm hat er doch angelegt bekommen? Ja, aber der schwang mit der Bewegung, seinen „Hand“-Arm musste er entgegenstemmen, das geht nicht so schnell. Und wir reden von einem scharfen Schuss aus kurzer Entfernung, der ihn traf, also sehr wenig aktiver Reaktionszeit.
Frage 3: Aber die anderen Elfmeter, die bei der EURO gegeben wurden? Im Jurastudium, long, long ago, war einer der ersten Sätze, der mir im Verfassungsrecht eingebläut wurde: keine Gleichheit im Unrecht. Auf die EM übertragen. Es gelten die zuvor ausgemachten Regeln und Auslegungen vor der EM, und nur, weil in den Partien zuvor Unsinn gepfiffen wurde, darf ich nicht aus Gleichheitsgründen denselben Unsinn pfeifen. Deswegen ist auch die sogenannte Konzessionsentscheidung unrecht, auch wenn sie gerecht sein mag.
Frage 4: Aber warum keine VAR-Überprüfung? Der VAR wurde eingeführt, um Situationen zu überprüfen, die der Schiri auf dem Feld entweder nicht gesehen haben oder zweitens eine grobe Fehlentscheiung darstellen. Gesehen hat Mr. Taylor alles, und beim Handspiel besteht ein großes Ermessen beim SR (das kann und muss man vielleicht sogar bedauern). Wenn man so will, haben Taylor und sein SR-Team den VAR perfekt angewendet. Und auch hier gilt: Nur weil das andere Schiris oft anders handhaben, ist das nicht plötzlich richtig. Und genau diesen Punkt verstehen viele nicht. Wie etwa Johannes Kerner, der nicht begreifen konnte, dass eine Situation die eine ODER andere Entscheidung hergibt. Das hat ja auch der Schiri-Experte Patrick Ittrich so erklärt, der zum Schluss kam, dass das Prozedere in Ordnung ging, also vor allem auch der Verzicht auf den VAR, er selbst aber eher Handelfmeter gegeben hätte.
Frage 5: Und wie hätte ich selbst entschieden: Ich neige schwer dazu, dass ich den Elfmeter gegeben hätte, weil eben diese Auslegung in derlei Situationen zurzeit der common sense ist.. Auf der anderen Seite finde ich es gut, wenn in solchen Situationen in Zukunft nicht auf Elfmeter entschieden werden würde. Wobei es zurzeit auch völlig egal ist, ob der Schuss, dem die Hand entgegensteht, in Richtung Tor oder in Richtung obere Tribünen gegangen wäre. In der Hinsicht weinte Julian Nagelsmann auch böse Krokodilstränen, als er sinngemäß  sagte, bei einem Tribünenschuss wolle er gar keinen Elfer haben. Aber genau einen solchen Elfer bekam das deutsche Team im Achtelfinale gegen Dänemark, und Nagelsmann entzog sich jeglicher Diskussion, als er nonchalant auf die Regeln hinwies, nach denen der Strafstoß doch vollkommen berechtigt gewesen sei und er nichts daran auszusetzen habe. Gewinnmitnahme at its worst.
Conclusio: Die richtige Entscheidungsfindung, aber wohl mit der falschen Entscheidung. In Mathe gibt es dafür eine 3.

Die Elfmeter-Entscheidung überstrahlte natürlich das ganze Spiel, das ja schon zum epischen Klassiker hochstilisiert wird. Dabei war die erste Halbzeit ziemlich fürchterlich, man lese einen objektiven Live-Ticker nach. Die Deutschen versuchten mit großer Härte, den Spaniern den Schneid abzukaufen. Gerade Toni Kroos, der nach zwei ziemlich brutalen Fouls gegen Pedri jeweils die Gelbe Karte hätte sehen müssen. Ein unerträglicher Bonus des Starspielers. Der gefoulte Pedri musste nach acht Minuten angeschlagen das Feld verlassen, und dass der für ihn eingewechselte Dani Olmo letzlich zum Matchwinner wurde, ist ein Kapitel für sich.
In der 2. Halbzeit erzielte eben Olmo das 1:0 per Flachschuss, den ein Manuel Neuer in seinen besten Tagen ziemlich sicher gehalten hätte, weil dieser weder wirklich gut platziert nochbesonders scharf war. Aber das sehe ich vielleicht überkritisch. Den Deutschen und auch Nagelsmann muss ich konzedieren, dass sie sich mit allem gegen die Niederlage und das Aus stemmten, und allein diese Tatsache ist gar nicht hoch genug zu loben, weil ich derlei Widerstand in den vergangenen Jahren bei erschütternden Turnieren  nicht erlebt habe. Die Spanier ihrerseits zogen sich unverständlich weit zurück und wollten nur noch das 1:0 über die Zeit retten, doch Florian Wirtz nach außergewöhnlicher Kopfballablage von Joshua Kimmich besorgte noch den Ausgleich.
In der Verlängerung scheuten beide Teams das letzte Risiko, viele Spieler waren auch mit ihren Kräften am Ende. Und dann eben das Aus, das der Ex-Dortmunder Merino nach Maßflanke von Olmo mit einem großartigen Kopfball herbeiführte. Was das deutsche Publikum nach einer kurzen Schockstarre nicht abhielt, ihre Mannschaft mit Riesenapplaus und Sprechchören feiernd zu verabschieden. Die Zeiten, in denen das Nationalteam und Fans arg fremdelten, scheinen tatsächlich vorbei.

Mann des Tages
Dani Olmo: 1 Tor selbst erzielt, 1 Vorlage und auch sonst mit seiner Ballfertigkeit ein steter Gefahrenherd. Aber insgesamt haben die schon einen Haufen von Ausnahmekönnern, die Spanier.

Stark trotz der Niederlage
Anthony Rüdiger: 119 Minuten bärenstark, im Zweikampf eine Bank, obwohl er früh Gelb sah und er wusste, in einem möglichen Halbfinale gesperrt zu sein. Bügelte zahlreiche heikle Situationen aus. Und dann die Flanke des Verderbens, als er Merino aus den Augen verlor und nur noch entsetzt zuschauen konnte, als dieser so gekonnt einnetzte.

Und sonst?
Das Spiel wurde ja im Vorfeld teilweise auf das Duell der Supertalente hier (Yamal, Williams) und dort (Musiala, Wirtz) reduziert. Alle 4 hatten auch sehr starke Szenen, aber wirklich prägend waren andere, gerade bei Espana. Aber das war schon mehr als eine Talentprobe des Quartetts, von dem wir noch sehr viel Gutes sehen werden.

Analyse des Siegers
Noch mal davongekommen, das ist auch der Tenor in Kommentaren. Erstmals ein Sieg gegen einen EURO-Gastgeber, was es nicht alles gibt. Sie haben bis Dienstag Zeit, sich zu erholen, müssen aber auf die gesperrten Carvajal, Morata und LeNormand verzichten. Gegen Frankreich braucnen sie mehr Mut, um deren Bollwerk zu knacken.

Und die Verlierer?
Verlassen das Turniere erhobenen Hauptes. Eine ehrenvolle Niederlage gegen den Top-Favoriten des Turniers bis dato auch in Top-Formnoch dazu begünstigt durch eine Schiedsrichter-Entscheidung, das ist weitaus mehr, als ich im November nach den beiden verheerenden Niederlagen gegen die Türkei und in Österreich erwarten durfte. Jetzt sind die Aussichten blendend. Mit Musiala und Wirtz hat das Teams zwei Ausnahmekönner in der Offensive, die viel gelernt haben dürften. Allerdings: Toni Kroos wird nicht mehr dabei sein, wahrscheinlich auch nicht Kapitän Ilkay Gündogan, Thomas Müller und Manuel Neuer. Aber zur WM 2026 in Amerika sind es noch zwei Jahre, da hat Nagelsmann viel Zeit, seinen Weg weiterzugehen und vielleicht sogar noch konsequenter als bisher. Und der Coach hat auch das Glück, dass seine fragwürdigen Entscheidungen bezüglich der Anfangself (Can für Andrich, SDané für Wirtz) kaum ein thema mehr waren.

Frankreich – Portugal 5:3 n. E.

Tja, was soll ich sagen? Es war ein durchaus ansehnliches Spiel, das allerdings bei der Riesenklasse beider Offensivreihe noch viel besser und aufregender hätte sein müssen. Aber Safety First, das war vor allem bei den Franzosen die Devise. Selbst bei Kontermöglichkeiten blieben immer genug Leute hinten, um nicht in einen Gegenkonter zu laufen. Und auch die Portugiesen scheuten das letzte Risiko, die Offensivstärke blitzte höchstens auf.
Und dann halt noch das leidige Thema Cristiano Ronaldo: Nachdem der Vorgänger-Trainer Fernando Santos es bei der WM 2022 es gewagt hatte, seinen Superstar auch mal auf die Bank zu setzen, vollführte jetzt Roberto Martinez die Rolle rückwärts: Ronaldo spielt immer, lautete dessen Devise ungeachtet der Schar brillanter Offensivkräfte, die er dafür auf der Bank schmoren ließ. Aber Ronaldo ist halt nicht mehr in Topform, das war in jeder Situation zu sehen. Zweikampfschwach, lauffaul, und schwache Abschlüsse. Und dennoch hat er nicht eine Minute gefehlt – trotz zweier kräftezehrenden Verlängerungen und nicht einmal in dem für Portugal bedeutungslosen Spiel gegen Georgien. Es bleibt festzuhalten: Kein Tor in 5 Spielen, allerdings auch zwei sicher verwandelte Versuche im Elfmeterschießen gegen Slowenien und Frankreich. Dennoch: Ronaldo hat den richtigen Zeitpunkt des Absprungs verpasst

Mann des Spiels
Jules Kounde: Der beste Verteidiger des Turniers. Im Zweikampf nicht zu bezwingen, tolle Technik toller Spielaufbau. Und er ist erst 25 Jahre altAnalyse des Siegers
5 Spiele mit den Ergebnissen: 1:0, 0:0, 1:1, 1:0, 0:0: Die drei erzielten Treffer resultierten aus zwei Eigentoren (bei den beiden 1:0 und einem Elfer von Kylan Mbappé.

Stark trotz der Niederlage
Nuno Mendez: Was für ein Pensum Hinten stark, vorne brandgefährlich. Und nicht zuletzt, ein ganz sicher verwandelter Versuch im Elferschießen. Den hätte ich gerne noch länger im Tunrier gesehen.

Und sonst?
Portugals Torwart Diogo Costa war noch im Achtelfinale der gefeierte Held, als er alle drei Versuche der Slowenen im Elferschießen abwehrte. Diesmal hatte er bei 5 Schüssen keinerlei Abwehr-Chance, zu gut waren diese auch geschossen. Acuh wenn man die Nervensanspannung nicht wirklich trainieren kann, die richtige Schusstechnik umso mehr. Man muss es nur tun.. Wobei der einzige Fehlschüütze Joao Felix (der unglückliche Felix) schlicht Pec mit seinem Pfostenschuss hatte.

Analyse des Siegers
Trainer Didier Deschamps setzt auf die Defensive, der Erfolg gibt ihm recht, egal wie unansehnlich das Gekicke ist. Die Abwehr scheint in der Tat unüberwindlich, auch weil mit Mike Maignan ein Klassemann zwischen den Pfosten steht, der dann das wenige souverän klärt, was doch durch die Abwehr kommt. So gewinnt man Turniere, so sehr das der objektive Fußball-Fan bedauern mag, sofern er nicht an einer Magisterarbeit über maximale defensive Effektivität brütet und Anschauungsmaterial braucht.

Und die Verlierer?
Portugal war mein „kicktipp“-Europameister – daraus wird nichts. Vertane Gelegenheit, aber auch mit Gründen. Siehe Ronaldo. Der tritt jetzt hoffentlich von der internationalen Bühne freiwillig ab – am besten sofort. Er wird natürlich mit seiner Klasse und auch Ausstrahlung nie zu ersetzen sein, aber es gibt genug Talente, die den Ver,lust  auf andere Art und Weise kompensieren.

Angstgegner – na und?

Heute und morgen stehen die Viertelfinale an. 4 spannende Auseinadersetzungen mit keinem echten Favoriten, oder? Ich wage die Vorhersagen.

Spanien – Deutschland (Fr., 18.00/Magenta und ARD)

Für viele ist es das vorweggenommene Finale, weil diese beiden Teams insgesamt den stärksten Eindruck gemacht haben. Zumindest Franzosen und Portugisen werden aufheulen, vielleicht sogar auch die Holländer. Sei es drum. Die Spanier hätten sich sicher nicht um den Ausrichter als Viertelfinal-Gegner gewünscht und dieser sicher auch nicht die bisher am meisten übewrzeugenden Iberer. Für die Deutschen spricht die Begeisterungsfähigkeit, die Hoffn ung auf Neuer-Wundertaten im Tor (und nicht die ebenso möglichen Aussetzer. Spannend wird sein, wie die Spanier mit ihrer neuformierten Defensive zurechtkommen, wenn sie wirklich unter Druck geraten. Und Wirtz, Musiala und Havertz haben durchaus das Zeug, jede Verteidigung durcheinanderzuwirbeln. Auf der anderen Seite jedoch gibt es mit Yamal und Nico Williams auch zwei brillante Wirbler, mit Rodri dazu den besten defensiven Mittelfeldmann der Welt. Die Einfachkeit des Seins wird es für kein Team, dafür hoffentlich ein Augenschmaus mit Spannung.
Viel war im Vorfeld ja die Rede davon, dass die Spanien „unser“ Angstgegner sind, weil Deutschland seit 1988 kein Pflichtspiel mehr gegen sie gewonnen hat. Damals 2:1 in München bei der EM. Klingt tatsächlich sehr lang her. Tatsächlich hat es seitdem 4 Partien bei Turnier-Endrunden gegeben und zwei 1:1 Unentschieden (94 und 23) und zwei 0:1-Niederlagen (08, 10). Die letzte Niederlage ist also 14 Jahre her, von den Spaniern ist niemand mehr im Kader, von den Deutschen immerhin Manuel Neuer, Toni Kroos und der damals gesperrte und so schreklich vermisste Thomas Müller. Also ist das mit dem Angstgegner allein wegen der Statistik Quatsch, die jetzige Spielstärke von ihnen reicht durchaus.
Tipp: Spanien

Portugal – Frankreich in Hamburg (Fr., 21.00/ZDF und Magenta)

Eigentlich gilt für die Franzosen dasselbe wie für die Engländer. Sie könnten in der Theorie viel besser spielen, aber ihr Safety first ist halt erfolgreich. Wobei die Defensive von Les Bleus wirklich save ist (Kounde, Tchouameni) und der Angriff viel mehr Esprit (und Kylian Mbappé!) hat als der von Old England (das good verkneif ich mir). Auf der anderen Seite die Portugiesen, aus denen ich immer noch nicht schlau werde. Ist Cristiano Ronaldo jetzt eher ein Bremsklotz oder doch eine ballsichere Anspielstation? Stellt er sein Ego zugunsten der Mannschat zurück oder muss er alles selber machen. Er titt jeden Freistoß auch nur ansatzweise in Tornähe – ohne Erfolg. Aber er bindet halt auch Gegenspieler, ist immer noch gut in Form. Nicht mehr in überragender Form, siehe viele verfehlte Flanken, die er früher mit seinem brillanten Timing locker erwischt und per Kopf in Tore verwandelt hätte..Tatsache ist, dass die Portugiesen eine bärenstarke Mannschaft haben.
Tipp: Portugal

England – Schweiz in Düsseldorf (Sa., 18.00/ZDF und Magenta)

War was? Fast ausgeschieden. What shells, wie der Engländer nicht sagt (ein Dauerspruch meines Englischlehrer, sorry). Tatsache ist. England ist noch im Turnier, wie sie dahingekommeen sind, interessiert niemanden wirklich Und fürs Viertelfinale das Beste: Jude Bellingham darf dabei sein, ungeachtet seiner obszönen Geste (schaut selber nach) im Spiel gegen die Slowaken, als er den Gegner beleidigte. 30 000 Euro muss er bleichen, wird dem Mann mit dem 20 Millionen+x/Jahr-Gehalt sehr jucken. Eine Sperre wäre zwar sehr hart gewesen, aber wenn die UEFA Wanking und so nicht haben will, müssen die Strafen schon abschreckend sein. die Schweizer fand ich bisher sehr gut, gerade auch im Achtelfinale gegen Italien. Und trotzdem traue ich Granit Xhaka und Co. wieder nicht den Sieg zu, sondern den zybischen Three Lion
Tipp: England

Holland – Türkei in Berlin (Sa., 21.00/RTL und Magenta)

Zumindest dem ersten Anschein nach die klarste Angelegenheit. Während die Holländer im Achtelfinale gegen Rumänien voll überzeugten und sogar noch höher als 3:0 hätten gewinnen können/müssen, brauchten die Türken gegen Österreich viel Glück und einen überragenden Torwart. Glück des Tüctigen, denn mit wieviel Energie und Hingabe sie den knappen Zeitpunkt über die Zeit brachten, war bewundernsert. Und im Berliner Olympiastadion fühlen sie sich wohl, es ist quasi ihr Wohnzimmer, und sie dürften die (knappe Mehrheitdes Publikums hinter sich haben, allerdings gegen eine starke Oranje-Fraktion. Holland hat die besseren Einzelspieler, keine Frage. Gakpo und zuletzt auch Malen sind endlich im Turnier angekommen. Den Türken fehlen dagegen drei wichtige Akteure aus dem Achtelfinale. Köcü und Yuksek sowie vor allem Demiral, einer der Väter des Sieges mit fast perfekter Abwehrarbeit und zwei erzielten Toren. Er ist auch gesperrt wegen seines „Wolfgrußes, dem Zeichen der rechtsextremistischen Vereinigung „Graue Wölfe“.Die in Deutschland allerdings (noch?) nicht verboten ist. Der Fall hat die hohe Politik erreicht. Die Türkei bestellte den deutschen Botschafter ein und verbat sich deutsche Kritik. Daraufhin hat Deutschlan den türkischen Botschafter einbestellt .. Jetzt lässt es sich Präsident Erdogan nicht nehmen, live vor Ort im Olympiastadion das Spiel zu verfolgen, ganz ohne politischen Hintergrund, versteht sich … (Und dabei will ich es auch bewenden lassen …
Mein zu Österreich haltendes Herz hat schon geblutet, aber nicht aus „Revanche“-Gedanken mache ich den
Tipp: Holland

 

Der war doch schon drin!

Achtelfinale, Tag 4

Das Beste kam zum Schluss. Nämlich Österreichs Anrennen in einem an Leidenschaft nicht zu überbietendem Spiel. Letztlich vergebens, und so kommt es im Viertelfinale in Berlin zum Treffen der Holländer gegen die Türkei und dem hoffentlich friedlichen Clash der größten Fangruppen.

Rumänien – Niederlande 0:3
Nach der recht mühsamen Anfangsviertelstunde ein sehr dominierender und überzeugender Auftritt von Oranje. In dieser Form könnte es tatsächlich weit gehen für die Holländer. Die Rumänen hatten der Spielkunst recht wenig entgegenzusetzen. Das 3:0 war auch in der Höhe verdient, es wurden ja auch noch Chancen vergeben.

Mann des Spiels
Cody Gakpo: Der Angreifer des FC Livepool war nie zu stoppen. Das 1:0 erzielte er selbst, wobei Rumäniens Schlussmann Florin Nita nicht glücklich aussah, um es vorsichtig auszudrücken. Das die Partie entscheidende 2:0 legte er mit einem brillanten Solo an der Grundlinie perfekt auf, so dass der eingewechslete Donyell Malen nur noch einzuschieben brauchte. Der Dortmunder besorgte dann auch das 3:0 – es war der erste Doppelpack eines Spielers in diesem Turnier; im bereits 43. Spiel.

Stark trotz der Niederlage
Keiner fiel besonders auf, keiner fiel besonders ab. Das ganze Team wirkte überfordert.

Ausblick des Siegers
Gruppendritter und doch im Viertelfinale – das gibt der EM-Modus her. Und dort muss noch lange nicht Schluss sein. Gerade offensiv haben die Holländer doch große Qualität, und Ronald Koeman lässt Gott sei Dank auch offensiv spielen.Oranje ist nach wie vor mein Vavorit in diesem Turnier-Ast, also Finalkandidat.

Und die Verlierer?
Gruppensieger und doch ausgeschieden- das gibt der EM-Modus her. Gegen Holland ist das keine Schande, das Team hat einfach seine Grenzen, und die hat Rumänien noch nicht einmal erreicht. Drei Mannschaften aus der Gruppe E standen im Achtelfinale, alle drei sind raus. Und niemand wird ihnen wirklich hinterherweinen

Österreich – Türkei 1:2

Eine letzte österreichische Flanke flog in den türkischen Strafraum. Sie erreichte zielgenau Christian Baumgartner, der lehrbuchmäßig den Kopfball entgegen die Laufrichtung von Schlussmann Mert Günok ansetzte. Das musste doch der längst fällige Ausgleich sein
https://www.youtube.com/watch?v=OnVL_StP9YI
. (05:00)
Die Live-Reporter hatten schon den Torschrei auf den Lippen, doch zu früh. Mit einer Glanzparade, der besten des Turniers, verhinderte Günok den Einschlag, und wenig später standen die Türken als Sieger fest. Sie hatten nicht mehr die Kraft zum Jubeln und sanken ermattet in nasse Gras – wie die Österreicher, die allerdings eher aus bleierner Enttäuschung.
Dieses rassige Spiel entschädigte doch sehr für manch graupeligePartien im Achtelfinale, es hatte alles, was zum Fußball dazugehört. Einen krachenden Beginn mit dem Führungstor der Türken nach nur 57 Sekunden. Tolle Chancen der Österreicher danach fast im Minutentakt. Nach 20 Minuten Abebben des Ansturms. Nach der Pause hatte Marco Arnautovic vielleicht die Beste Möglichkeit, er scheiterte frei am glänzend reagierenden Günok. die vermeintliche Entscheidung, als erneut Meih Demiral erneut nach einer Ecke traf. Hoffnungsschimmer nach dem Anschlusstreffer durch Michael Gregoritsch, auch nach einer Ecke.
In der 65. Minute war das, also grundsätzlich genug Zeit. Es folgte das besagte Anrennen, und alles passte, was einen Krimi ausmacht. Der ströende Regen, ein glänzender Schiedsrichter, der das Spiel, wo es nur ging, laufen ließ (und manchmal auch, wenn es eigentlich nicht ging …), kein Getue auf dem Platz, erstaunlich wenig Zeitspiel der Türken. Ja, sie ließen sich wegen Krämpfen behandeln, aber das war echtes Leiden, tatsächlicher Kräfteverlust. Und niemand im Stadion, an den Fernsehgeräten kannte das Ende – bis zum Showdown, dem Duell Schütze gegen Torwart, das eben so ausging, wie es dem Fußball-Gott gefiel, denn irgendeine Instanz muss für dieses Drama doch verantwortlich zeichnen.

Mann des Spiels
Mert Günok: Vor der Partie habe ich venommen, dass er zu Hause nicht unumstritten sein soll, das Trainer Vicenzo Montella doch bitte jemand anderen aufstellen sollte, dass er ein Schwachpunkt des Teams sei. Dann legt er eine praktisch fehlerlose Partie hin mit dieser Parade, die sich jetzt schon unauslöschlich ins Hirn zumindest aller türkischen und österreichischen Fans eingegraben hat (und bei jedem Rückblick hervorgekramt werden wird). Ein englischer Reporter verglich sie mit der von Gordon Banks 1970 (!) bei der WM gegen Pelé, bisher die Mutter aller Saves. https://www.youtube.com/watch?v=HNLam4RAbg8

Stark trotz der Niederlage
Christoph Baumgartner: Unermüdlicher Antreiber. Suchte den Abschluss, schrammte in der 2. Minute ganz knapp am Ausgleichstreffer vorbei. Und dann sein Kopfball, der ihn  sein Leben lang verfolgen wird …“Ich würde alles wieder so machen“, bekannte er fassungslos.

Ausblick der Sieger
Die Türken müssen vor allem wieder zu Kräften kommen. Sie werden sich wieder mit allem, was sie haben, den Holländern entgegenwerfen. Zumindest ist Hakan Caljanoglou nach seiner Gelbsperre dabei. Eine Sperre droht allerdings dem zweifachen Torschützen Demiral, der den sogenannten Wolfsgruß beim torjubel zeigte.dem Symboldre rechtsextremen „Grauen Wölfe“, die der Verfassungsschutz beobachtet. Das überschattet den Sieg erheblich, doch egal wer spielt: Oranje ist gewarnt.

Und die Verlierer?
Vielleicht war das alles zu viel. Das Hochjubeln nach den beiden Siegen gegen Polen und Holland nicht nur in der Heimat in der Vorrunde. Das Gerede von „leichten“ Turnierast, dem möglichen Finale, das so greifbar sei. Der Hype um Trainer Ralf Rangnick. Plötzlich war Austria Favorit, eine bis dato unbekannte Rolle – und dann natürlich die kalte Dusche in der 1. Minute.
So sehr die mannschaftliche Geschlossenheit zu recht gelobt wurde, jetzt fehlte er eben, der Ausnahmekönner, dem  in der Offensive die Ausnahmeaktion gelingt. So war es ein zwar stetes Anrennen, auch nicht blind, aber außer  für Baumgartner gab es keine echte Tochance gegen das türkische Bollwerk. Dass in der Schlussphase keine frischen Offensiv-Kräfte, keine Brecher mehr zur Verfügung standen und auch deshalb einsichtlich erschöpfter Arnautovic durchspielen musste, das erkklärt die Niederlage ein wenig, so unverdient sie erscheinen mag.
Doch insgesamt überwiegt das Positive. Ich verfolge jetzt den österreichischen Fußball jetzt seit mehr als 50 Jahren (genauer gesagt, seit Novewmber 1973 und demnatürlich verlorenen WM-Quali-Entscheidungsspiel gegen Schweden) mehr oder weniger regelmäßig, ja ich leide mit ihnen. Und ich habe gestern mit ihnen gelitten. Doch noch nie habe ich ein österreichisches Team derart leidenschaftlich gegen eine drohende Niederlage sich aufbäumen, als insgesamt klar besseres Team ausscheiden sehen. Jetzt die Ruhe bewahren, Trainer Ralf Rangnick weiter machen lassen und vor allem weitermachen lassen, und da kann echt was entstehen. See you WM in America. Und nicht nur zum Frühstück.

Ende der Goldenen Generation

Achtelfinale, Tag III
Ein toll klingendes Spiel, das endlos erscheint und mein Favorit, der ein Elferschießen braucht. Und immer wieder die Frage an mich und jeden Fußball-Fan, warum man sich das antut …

Frankreich – Belgien 1:0
Theoretischverheißt diese Paarung ein ausgesprochenes Fußball-Schmankerl. Doch all diejenigen, die sich die Vorrundenpartien dieser beiden Teams angeschaut haben, wird nicht überrascht sein über dieses sehr ereignislose Spiel. Beide Trainer schwören auf die Defensive, der eine weniger (Frankreichs Deschamps), der andere mehr (Belgiens Tedesco). Und das, und deshalb kann ich meinen Ärger nicht verhehlen, trotz erwiesener Offensivkunst und -Power, die die vorhandenen Spieler schon so oft gezeigt haben. Nur sind die Mbappes, die de Bruynes, die Lukakus und die Thurams, zur Disziplin gezwungen. Esprit und Spielfreude ist offebar bei Todesstrafe  verboten.
Heraus kommt dann so ein Spiel, wie wir es gestern gesehen haben. Die Franzosen mit sehr kontrollierter Offensive, jedes Risiko scheuend, die Belgier in einem gut funktionierenden Defensiv-Verbund. De Bruyne als Antreiber wie bei ManCity? – da sei Tedesco vor. Also de Bruyne so defensiv wie noch nie, und auch das kann er. Doch ob es ihm wirklich Spaß macht, wage ich sehr zu bezweifeln.
Und doch hatten die Belgier ihre Chancen, die aber der treffliche Maignan im Franzosentor vereitelte. Auf der anderen Seite kam Koon Casteels gar nicht in die Verlegenheit, sein Können zu zeigen, denn die Franzosen verfehlten bei ihren Schüssen mit bemerkenswerter Konsequent das Ziel, schossen fast 20 Schüsse daneben und auch drüber, sodass die NFL-Scouts sich fleißig Notizen gemacht haben dürften, ob nicht einer als Kicker für die Footballer geeignet wäre. In dieser Disziplin ist allerdings der Engländer Kevin Trippier unübertroffen … https://www.kicker.de/freistehend-in-die-wolken-trippiers-fehlschuss-von-der-strafraumgrenze-1035499/video

Es passt zum Spiel, dass ein abgefälschter Schuss der Franzosen das Spiel entschied, wobei die UEFA gemeinerweise das Tor noch als Eigentreffer wertet. Dem immer mehr leidenden Fans blieb somit eine Velängerung erspart, obwohl die vielleicht, siehe Spiel 2, vielleicht sogar ganz vergnüglich geworden wäre.
So steht die Bilanz zwei eigentlich extrem guter Offensivreihen.
Frankreich: 4 Spiele, 3 erzielte Treffer 2 Eigentore, ein Elmer),
Belgien: 4 Spiele, 2 Tore (3 Partien ohne Treffer)

Noch fragen? Das „Mann des Spiels“ und „Stark in der Niederlage“ Geschreibsel erspare ich mir.

Ausblick des Sieger
Jetzt geht es für „Les Bleus“ gegen Portugal, und das dürfte wenigstens ein bisschen munterer werden, weil die Portugiesen (hoffentlich) mehr wagen. Das muss man, um die sichere Abwehr der tricolore zu knacken. Trainer Didier Deschamps wird bestimmt keinen Champagner-Fußball ausrufen, der Erfolg gibt ihm ja recht. Diskussionen interessieren nicht, siehe England …

Und die Verlierer?
Die Goldene Generation ist in die Jahre gekommen. Der ewige Geheimfavorit vergangener Großturniere blieb ohne Titel. Und so sehr ich das Aus der Belgier manchmal bedauert habe, weil sie so wunderbar gespielt haben, so wenig tue ich es diesmal, weil sie so wenig wunderbar gespielt haben. Zurück bleiben tragische Figuren wie Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku, aber auch viele gute Spieler, die ihr (Angriffs)-Können nicht zeigen durften (Jeremy Doku). Womit ich beim Trainer wäre. Domenico Tedesco wählte die Sicherheits-Variante, zwang seine „roten Teufel“ in ein Korsett, das nicht zu ihnen passte. Wahrlich nicht überraschend, wenn man seine bisherigen Trainer-Stationen verfolgt hat. Dabei hatte Tedesco sogar noch das Glück, dass nicht eine Torwart-Diskussion aufkam, weil er freiwillig auf einen der weltweit Besten seines Fachs (Courtois) verzichtete. Castells machte seine Sache gut, wurde aber auch nicht geprüft wg der fehlschießenden Franzosen. Tedesco hat noch einen Vertrag bis 2026, der Verband will daran festhalten. On verra.

Portugal – Slowenien 3:0 n. E.

3:0 – das ist ein normales und für viele auch erwartetes Ergebnis. 3:0 nach Elfmeterschießen ist ein Vekehrsunfall, bedeutet hier die erste Nullnummer, die eine Nation in einem EURO-Endturnier fabriziert hat. Der Schweiz gelang dieses „Kunststück“ bei der WM 2006 ebenfalls im Achtelfinale gegen die Ukraine.
Insgesamt fand ich dieses Spiel unterhaltsamer (weit weg von unterhaltsam). Wegen der technischen Beschlagenheit der Portugiesen. Allerdings auch wenig zielführend, weil sie am Ende immer ihren Cristiano Ronaldo suchen. der ist zwar noch immer gut, aber halt nicht mehr so gut wie in besten Zeiten. Das merkte man an seinen Abschlüssen, aber vor alle an den von ihm verpassten Flanken, weil er nicht mehr so hoch springen kann und vor allem das richtige Timing verletzt hat.
Und da sind noch seine Freistöße. Alles, was auch nur ansatzweise in Tornähe ist, wird selbstredend zu seiner Sache, egal welche Könner da sonst noch herumstehen. Die Erfolgs-Aussichten sind geleich null. Jemand hat sich den Spaß gemacht, all seine Versuche bei EM-Turnieren zusammenzuzählen: 45-mal, probierte er es danach, kein mal traf er. Nicht dass die Schüsse haarsträubend schlecht wäre – im Gegenteil. Im Gegensatz zu vielen anderen in diesem Turnier schießt er nicht sinnlos in die Mauer, sondern an ihr vorbei, nur leider knapp übers Tor oder in die Hände des Torwarts.
Und dann wurde Cristiano Ronaldo doch noch zum Hauptdarsteller. In der 105. Minute gab es Elfmeter (für mich sehr zweifelhaft, weil der Portugiese in die Verteidigung schlicht hereinrannte und zu Fall kam), und natürlich schritt CR7 zur Tat. Wie immer mimte er den Pistolero – und fand im glänzend reagierenden Jan Oblak seinen Meister. Darauf weinte er bittere Tränen; die einen litten da mit, andere verhöhnten ihn.
Im Elferschießen zeigte er Ronaldo dann, was in ihm steckt: Er trat zum ersten versuch an, und diesmal verwandelte er, genau wie Bruno Fernanes und Bernardo Silva. Drei Slowenen scheiterten allesamt an Diogo Costa. Wenigstens gibt es zumindest hier nicht den einzig „Schuldigen“. Zuvor allerdings hatte der Leipziger Sesko die Chance aller Chancen, als er nach einem Ausrutscher von Oldie Pepeallein aufs Tor zusteuerte, allerdings an Costa scheiterte.

Mann des Spiels
Diogo Costa: 24 Jahre alt ist der Torwart des FC Porto erst alt, doch er strahlt eine unglaubliche Ruhe aus, vefügt über tolle Reflexe und stählernde Nerven. Drei gehaltene Elfmeter, und auch im Spiel immer zur Stelle, wenn er gebraucht wurde.

Stark trotz der Niederlage
Jan Oblak: Gehört schon seit Langem zu den besten Torhütern weltweit. Doch zum Titel reicht es halt meist nicht, bei Atlético genauso wenig mit mit Slowenien. Insgesamt passt es zu seiner Karriere, wie die Faust aufs Auge, dass Slowenien ohne Niederlage nach regulärer Spielzeit, aber auch ohne Sieg das Turnier verlassen muss.

Ausblick des Siegers
Ich habe die Portugiesen vor dem Turnier als Europameister getippt, und weiter kann dieser Tipp aufgehen. Wenn es denn gelingt, den Faktor Ronaldo effektiver einzubringen. Torgefährlich ist er weiterhin, aber muss wirklich jeder Ball letztlich auf ihn gehen. Das wirkt mir zu vorhersehbar. Geradezu grotesk ist es bei den Freistößen. Jeder weiß, das Ronaldo schießt, da wirken die Spieler um ihn herum, die eine Variante andeuten, zu der es doch niemals kommt, schlicht absurd. Wie man einen in die Jahre gekommenen Ausnahmespielen gut einbindet, zeigen gerade die Weltmeister aus Argentinien bei der Copa in den USA. Ich traue den Portugiesen also durchaus einen Sieg auch gegen Frankreich zu.

Und die Verlierer?
Die Slowenen zeigten, dass sie schwer zu bezwingen sind. Mit Oblak und Sesko verfügen sie über zwei absolute Klassespieler, der Rest bildet ein gutes, allerdings nicht aufsehen-erregendes Kollektiv. Das Achtelfinale war das erklärte Ziel, mehr war einfach nicht drin.

Langweilig, und doch erfolgreich

Achtelfinale, 2. Tag

Hauptsache gewinnen. Wenn diese Maxime große Nationen pflegen und grauenhaft, aber erfolgreich spielen. schäumen die Fußball-Romantiker. So wie die deutschen 82, 86 und auch 2002. Den Protagonisten wie jetzt die Engländer ist es wurscht. Ich schäume mit, und delektiere mich an den Spanier.

England – Slowakei 2:1 n. V.
Der englische Titeltraum lebt. Für jeden Fußball-Romantiker wäre es ein ziemlicher Albtraum, wenn dieses uninspirierte, sterbenslangweilige Team wirklich Europameister werden würde. Dabei mag ich den englischen Fuzßball, habe schon oft mit ihren Nationalspielern mitgelitten, wenn sie in einem großen Turnier mal wieder in einem Elfmeterschießen gescheitert sind. Aber die? Mit diesem grausigen Fußball? Die eigentlich doch gar nicht wollen? Wirklich nicht.
Es ist schon erstaunlich, wie diese Ansammlung von Könnern (zumindest in der Theorie) sich auf den minimalistischsten, zynischsten Fußball reduzieren lassen, ohne jegliche Lust daran, was sie da so fabrizieren. Als würden sie sich schämen.
In dieses enge Konzept hat sie der Trainer gezwängt -in seiner aktiven Zeit ein Verteidiger. Und er kommt mit seiner Art des Fußballs durch, erst in dieser schrecklichen Vorrunde, und jetzt auch gegen die von vornherein doch ziemlich limitierten Slowaken. Die durch einen wunderbaren Treffer durch Ivan Schranz in Führung gingen. Die allerdings die Engländer kaum aufweckte, vielleicht auch wenig erschreckte. In der 2. Halbzeit spielten sie, als ginge sie das nicht an, und die Slowaken versäumten es nachzulegen, verbarrikadierte sich mehr und mehr in der eigenen Hälfte. Die beste Chance hatte nochDavid Strelec, der  quasi von der Mittellinie den weit vor seinen Kasten weilenden England-Schlussmann Jorda Pickford überlisten wollte, sein Ziel aber haarscharf verfehlte.
Dabei war das wahrlich kein Abwehrbollwerk, das die Slowaken da errichtet hatten. Das zeigte sich jedes Mal, wenn die Engländer dann doch einmal einen konsequenten Angriff spielten. Der schön freigespielte Phil Foden traf zwar ins Tor, stand aber klar im Abseits. Ein Kopfball von Kane rauschte knapp daneben, und ein Schluss von Declan Rice ging nur an den Pfosten. Ansonsten viel Lethargie, auch auf den Rängen, wo die Zuschauer auf Schalke sanft entschlummerten.Die Slowaken? Gingen sehr rustikal zur Sachem und ihr Torwart Martin Dubravka fing nicht eine Flanke, sondern faustete
6 Minuten Nachspielzeit, warum nur so viele, und es kam, wie es kommen musste. Eine schöne Hereingabe verwandelte Jude Bellingham in der 5. Minute per herrlichem Seitfallzieher. Sie haben es also nicht verlernt. Auch Harry Kane nicht. Der traf kurz nach Beginn der Verlängerung: Wieder faustete Dubravka eine Ecke weg, Marc Guehi flankte, und der völlig freistehende Bayern-Stürmer verwandlete eiskalt. Danach wieder schnöder Ergebnisfußball, umjubelt von den Fans, die ihre Spieler und vor allem den Trainer kurz vorher noch am liebsten zum Teufel gejagt hätten.

Mann des Spiels
Jude Bellingham: Nur selten blitzte sein Können auf, handelte sich Gelb ein und konnte von Glück reden, dass seine ärmliche Schwalbe nicht mit Gelb-Rot bedacht wurde. Aber dann halt sein Magic Moment, bezeichnenderweise in der Nachspielzeit, in der er in der vergangenen Saison so viele Tore für Real erzielt hatte.

Stark trotz der Niederlage
Ivan Schranz: Erzielte sein drittes Turniertor. Bester Offensivakteur neben Strelec. Der Spieler von Slavia Prag hat das Interesse der Scouts geweckt, dürfte dort nicht mehr lange spielen.

Ausblick des Siegers
Für die Engländer geht es jetzt gegen die Schweiz, das dürfte ein ganz anderer Prüfstein werden als die doch sehr biederen Slowaken. Und die werden nicht in Ehrfurcht erstarren, andererseit aber auch aufpassen müssen einen jederzeit möglichen Geistesblitz eines Könners wie Bellingham, Foden oder Kane.

Und die Verlierer
Haben mit dem Achtelfinale ihr Ziel erreicht. Und manch Spieler von ihnen hat bei manchen vermögenderen Verein als in der Halbzeit Interesse geeweckt.

Spanien – Georgien 4:1
Was für ein Unterschied im zweiten Sonntagsspiel. Mit Spaniern, die vor Spielfreude sprühten und Georgiern, die wieder ihre ganze Seele auf dem Feld ließen. Am Ende war es klar. Sie durften ja sogar von der ganz großen Sensation träumen nach der Führung durch, fast schon klar, ein Eigentor. Ganz kurz wirkten die Spanier angezählt, aber die Georgier konnten oder wollten nicht nachlegen. Es dauerte dann allerdings nicht lang, bis die Spanier die Georgier mehr und mehr einschnürten. Manch Betrachter fühlte sich an ein Überzahlspiel wie im Eishockey erinnert. Dabei waren sie auch zielstrebig mit brillanten Dribblern wie Nico Williams und Lamine Yamal, doch zunächst vereitelte der erneut ganz starke Schlussmann Giorgi Mamadashvili den Ausgleich. Den besorgte dann noch vor der Pause Rodri.
Nach der Pause hatte der Georgier Khvicha Kvarazschelia einen Geistesblitz, wollte Schlussmann Unai Simon mit einem Schluss noch vor der Mittellinie überlisten, doch verfehlte das Ziel ganz knapp. Die Spanier ließen sich nicht beeidnrucken, spielten teilwweise brillant. Babian Ruiz verwandelte eine Maßflanke von Yamal per Kopf zum 2:1, Nico Williams ließ nach herrlichem Konter und tollem Abschluss unter die Latte das 3:1 folgen. Die Entscheidung gegen die tapferen Georgier, die noch das 1:4 durch den eingewechelten Leipzig-Profi Dani Olmo schlucken mussten.

Mann des Tages
Rodri: Er behielt in der heiklen Phase nach dem Rückstand den Überblick, ordnete schnell die Reihen. Sehr überlegter Schuss zum Ausgleich unhaltbar für Mama.

Stark trotz der Niederlage
Giorgi Mamadashvili: Trotz der 4 Gegentreffer wieder eine großartige Leistung des Torwarts des Turniers. Vielleicht hätte er die Flanke vor der Führung durch ganz beherztes Herauslaufen abblocken können, und am Ende hatte er auch nicht mehr den Elan. Aber auch absolute Spitzenclubs werden ihre Torwartfrage noch mal überdenken.

Ausblick des Siegers
Sie waren nach der Vorrunde mein Turnierfavorit, (auch wenn ich n einem Tippspiel aus taktischen Gründen Portugal zum Europameister erkor, um Rückstand aufzuholen): 11 Könner, die auch ihr Können zeigen dürfen. Jetzt gegen Deutschland, das ist für die Nagelsmann-Truppe der Wahrsager. Die Spanier sind nicht unverwundbar, wie die 1. Halbzeit gezeigt hat, aber es muss schon sehr viel zusammenpassen. Was den Gastgeberen Mut machen könnte: Wirklich unter Druck allerdings ist die neuformierte Abwehr der Spanier noch nicht. Das müssen Musiala und Co. austesten.

Und die Verlierer
Die Georgier waren eine echte Bereicherung. Sehr fantasievoller Fußball mit zwei absoluten Topstars (Mama+Kvaradona). Die kannte ich vorher schon, abe auch andere haben tolle Vorstellungen gezeigt. Fast schade, dass die Reise jetzt zu Ende ist, dazu ein sympathischer Auftritt. Vielen Dank Sagnosvili und hoffentlich auf Wiedersehen.

Andersens Horrormärchen

talien raus, Deutschland weiter – und endlich mal wieder eine Diskussion über den VAR. Und aus dem Sommermärchen ward ein Donnermärchen

Italien – Schweiz 0:2

Was für eine furchtbare Vorstellung für Italien. Der Europameister von 2021 schied sang- und klanglos aus mit einer haarsträubend schlechten Leistung vorne und hinten. Die Schweiz dagegen bekommt endlich ihr Potenzial auch umgemünzt.Sicher nicht frei von Schwächen, aber doch sehr kompakt. Sie haben eine tolle Achse

Mann des Spiel
Ruben Vargas: Kaum zu stoppen von den Italienern mit vielen feinen Aktionen. Und nicht nur für die Galerie. Das 1:0 durch Urs Remo Freuler bereitete er mustergülig vor, das zweite Tor erzielte er selbst durch einen sehenswerten Schlenzer. Auch wenn er von der italienischen Abwehr hier nur Geleitschutz erzielt, den Ball muss man erst mal so kunstfertig treffen. Ehemalige italienische Verteidigungsheroen wie Cannavaro, Chiellini und alle anderen werden entgeistert zugeguckt und gedacht haben: wo zum Teufel ist bei uns der gute alte Catenacchio geblieben?

Stark trotz der Niederlage
Gianluca Donnarumma: Am Torwart lag es wirklich nicht. Der Kapitän hielt, was es zu halten gab, und er bewahrte sein Team durch einige Glanzparaden vor weiteren Gegentreffern. 2021 wurde er zum besten Spieler des Turniers gewählt. Das wird ihm dieses Jahr nicht gelingen.

Ausblick des Siegers
Die Schweizer haben endlich mal ein echtes Team. Newben Vargas hat mir besonders Granit Xhaka gefallen. Gott sei Dank für die Schweizer, dass er und Trainer Yakin ihre Auseinandersetzung beigelegt haben und an einem Strang ziehen. Und der so engagierte Xhaka kam auch ohne Gelb(sperre) aus. Das Viertelfinale muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein, egal ob gegen England oder die Slowakei.

Und der Verlierer?
Ein Turnier, bei dem  von vorne bis hinten (fast) alles schiefging. Erinnert sei an das Gegentor gegen Albanien in der ersten Partie nach nur 22 Sekunden. Ich habe wirklich gedacht, dass der Last-Minute-treffer gegen Kroatien Italien beflügeln könnte, ein ekliger Kontrahent in einer K.-o.-Phase waren sie eigentlich immer. Nichts von alledem. Welche Schuld Luciano Spalletti daran trägt, vermag ich nicht zu urteilen aus der Ferne. Tatsache ist, dass er zu keiner Zeit den Zauber versprühte, mit dem er die SSC Napoli 2023 zum Meistertitel führte.

Deutschland – Dänemark 2:0

Eine Partie für die Geschichtsbücher. Nicht, weil das Spiel an sich besonders aufregend war, aber wegen der Umstände. So sorgte ein Gewitter direkt über dem Westfalenstadion nach 35 Minuten für eine rund halbstündige Pause. Die den Deutschen durchaus zupass kam, denn  nach einer fulminanten Anfangsviertelstunde den Faden verlor. Zunächst mehrere Großchancen und eine aberkannten Tor von Nico Schlotterbeck (für mich die richtige Entscheidung, aber den Einsatz zuvor von Kimmich, der einen Gegner wegblockte,  hätte ein großzügigerer Schiri, zumal ein Engländer, auch durchgehen lassen können. Auffällig war, wie viele Kopfballduelle die Deutschen im dänischen Strafraum für sich entschieden.Nach einer knapp halbstündigen Pause, in der die zum Teil völlig durchnässten Zuschauer lautstarke Kostproben ihrer Sangeskunst ablegten, ging es weiter. Trainer Julian Nagelsmann hatte die Unordnung erkannt, das Team wirkte wieder sicherer.

Nach 10 Minuten folgte die reguläre Halbzeitpause, wobei die Frage schon gestellt werden darf, warum man sich diese nicht schenkte. Magenta hatte zwar mit Ittrich einen Schiedsrichter an Bord, diese Frage wurde aber nicht gestellt. Regeltechnisch wäre das wohl möglich gewesen.
Seis drum. Kurz nach der Pause folgten fünf Minuten, die der dänische Sportskamerad Joachim Andersen Zeit seines Lebens nicht vergessen wird. In der 48. Minute drosch er nach einem Getümmel im Strafraum den Ball ins Netz. Unhaltbar für Neuer, aber der hat ja den beühmten Reklamierarm. Tatsächlich konsultierte Schiedsrichter Michael Oliver den Fernseher am Spielfeldrand, und relativ schnell kam er zum Entschluss: Abseits, Tor zählt nicht. Im Vorfeld stand der Däne Thomas Delaney um einen Zentimeter tatsächlich in der verbotenen Zone, vermittelte uns zumindest ein Standbild. https://www.sueddeutsche.de/

Fluch der Technik, und wer sagt mir bitte, dass dieses Standbild wirklich auf die Hunderstelsekunde genau im entscheidenden Moment gemacht wurde? Laut UEFA ist das tatsächlich der Fall wegen der sogenannten Semi-automated offside technology, SAOT, die alle Spieler zu jedem Zeitpunkt an 26 Stellen des Körpers trackt. „Semi“, also halb nur deshalb, weil anders als etwa im Tennis noch ein Mensch, also der Schiri, anhand der übermittelten Daten zu einer Entscheidung führen muss; er muss also auf dem Fernsehschirm richtig erkennen, was ihm die Maschine zeigt.

Unglück Nummer 1, und Unglück Nummer 2 sollte folgen. Praktisch im Gegenzug flog ein Ball an Andersens Hand, soweit so unstrittig. Doch die Regeln velangen auch eine Absicht des „Täters“ für eine Strafe. Da die Schiris nicht in die Köpfe der Spieler schauen können (KI hilf bitte auch!“), gibt es Kriterien, unter anderem das der unnatürlichen Armbewegung. Jeder, der sich mal bewegt hat weiß, dass gerade bei schnellen Wendungen die Arme automatisch vom Körper wegfliegen. Und der scharfe Ball an Andersens Hand kam aus höchstens einem Meter. Für Mr. Oliver reichte es trotzdem für einen Elfmeter, regelkonform und ohne Ermessensfehler. Kai Havertz ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und verwandelte sehr gekonnt. das war die Entscheidung gegen doch sehr limitierte Dänen, die dann Jamal Musiala endgültig herbeiführte. Bei dem Treffer den Nico Schlotterbeck mit einem weiten Ball vorbereitete, stellt sich allerdings schon die Frage, ob der ansonsten sehr gut haltende Kasper Schmeichel nicht durch konsequentes herausstürmen den Ball hätte abfangen können. Danach hatten die Deutschen noch einige Riensenchancen, die sie aber vergaben, schade bei meinem 3:0-Tipp. Besonders sehenswert: eine geniale Ball-Annhame von Havertz an einem Dänen vorbei, aber dann ein leider nicht so genialer Abschluss.
Letztlich ein verdienter Sieg der Deutschen, das sahen auch die Dänen so. Und doch halt die Frage aller Fragen, wie sie einen Rückstand verkraftet hätten. Aber von diesem „what if“ lebt der Sport, lebt der Fußball.

Mann des Tages
Nico Schlotterbeck: Souveräne Vorstellung hinten (weit besser als sein Nebenmann Anthony Rüdiger). Pech, dass sein Kopfballtor nicht zählte. Mit vielen guten Aktionen. Mehr als nur ein Ersatz für den Gelb-gesperrten Jonathan Tah. Ich bin gespannt, ob er sich auch im Viertelfinale beweisen darf.

Stark trotz der Niederlage
Kasper Schmeichel: Also auch hier der Torwart, der ein paar wirklich tolle Taten zeigte. Ansonsten nur ganz vereinzelte gute Aktionen eines insgesamt enttäuschenden Teams.

Ausblick des Siegers
Die Deutschen haben das Minimalziel Viertelfinale erreicht, was folgt, ist erfreuliche Zugabe. Wenn aber wie allgemein erwartet nächsten Freitag in Stuttgart Spanien (heute vs Georgien) der Kontrahent sein sollte, muss eine gehörige Steigerung her. Sogar die so harmlosen Dänen legten Abwehrschwächen offen. Gerade wenn es schnell geht, wirkt der Defensivverbund überfordert. Auf der anderen Seite gibt es offensiv viele Optionen – und zwar nicht nur den spielerisch so federleichten Musiala und den Brecher Niklas Füllkrug.

Und die Verlierer?
Danish Dynamite – das war einmal. Höchstens Fehlzündungen. Letztlich fährt man ohne Sieg und mit nur zwei Toren (eines sehr sehenswert) nach Hause, und niemand wird sie vermissen. Zumindest die Spieler, nicht die wunderbaren Fans, von denen ich mir ja am Dienstag in München ein Bild machen durfte. Einfach nette Leute, die Spaß haben wollten. Ob sie diesen in den nächsten Jahren an ihrem Team haben werden, wage ich zu bezweifeln.