Sinner nimmt eindrucksvoll Revanche

Wimbledon-Wahnsinn, die Endspiele

 

Die Sieger heißen also Iga Swiatek und Jannik Sinner. Die Polin spazierte geradezu durchs Turnier, gerade zum Ende. Sinner hatte deutlich mehr Mühe und revanchierte sich eindrucksvoll an Carlos Alcáraz, gegen den er vor gut einem Monat noch das Paris-Finale nach 3 vergebenen Matchbällen verloren hatte.

 

Iga Swiatek – Amanda Anisimova 6:0, 6:0

 

Eine sogenannte Brille hat es in einem Wimbledon-Finale seit mehr als 100 Jahren nicht mehr gegeben. Swiatek hatte kein Mitleid mit der völlig überforderten und am Ende der Partie aufgelösten Amerikanerin und erteilte ihr die Höchststrafe. In der modernen Tennis-Ära (seit 1968) hat es das bisher erst einmal gegeben, als 1987 Sgteffin Graf gegen Natascha Zwerewa mit 6:0, 6:0 gewann. Insgesamt hatte Swiatek ein grandioses Turnier, wie folgende Zahlereien bestätigen.

 

  • In den 7 Spielen hat sie einen Satz abgegeben, den ersten in der 2. Runde gegen McNally, danach 6:2, 6:1.
  •  Nur in 2 ihrer 6 Zweisatzsiegen musste sie über 7:5 gehen. Ansonsten je einmal 6:4/6:3 und insgesamt achtmal 6:0 bis 6:2 (aloso insgesamt zehmnmal).
  • Im Halbfinale und Finale insgesamt 4 Games abgegeben, das hats in Wimbledon noch nie gegeben, sag ich jetzt mal.
  • Die höchstgesetzte Gegnerin war Anisimova als Nr. 13.
  • Insgesamt nur 3 gesetzte Gegnerinnen. Neben Anisimova waren das Tauson/23 im AF und Samsonowa/19 im Viertelfinale. Die Kehrseite des amüsanten Favoritensterbens zu Beginn des Turniers.

Vor allem hat Swiatek ihre Allergie gegen Rasen-Tennis eindrucksvoll abgelegt, die sie in den vergangenen Jahren früh scheitern ließ. Nach einem äußerst durchwachsenen Frühjahr und dem schnellen Aus in Paris befand sie sich tatsächlich in einer Schaffenskrise. Wohl dem, der sich so daraus befreit. Und ein Extralob für Andrea Petkovic, die diesen Triumph in ihrer Wimbledon-Vorschau vorhergesagt hat. Mal sehen, was das Jahr noch bringt, das gilt auch für Anisimova: Wenn ihre Finaltränen getrocknet sind, wird sie auf ein extrem erfolgreiches Turnier zurückblicken, das sie in die Top Ten der Weltrangliste spülte.

 

Jannik Sinner – Carlos Alcáraz 4:6, 6:4, 6:6, 6:4

 

Das Ergebnis spiegelt gar nicht die Überlegenheit des Italieners vor allem in den Sätzen 3 und 4 wider. In jedem Durchgang gelang ihm das erste Break, nur im ersten Satz fand Alcáraz eine Antwort. Danach war er dem immer durchvollerem Spiel von Sinner fast ausgeliefert.
Das Spiel reichte längst nicht an das epische Duell der beiden vor einem Monat heran. Das war auch nicht zu erwarten, denn diese Partie gehört jetzt schon mindestens zu den Top 5, die die Tenniswelt je gesehen hat. Beide agierten äußerst fehlerhaft, was natürlich auch daran lag, dass sie im Angesichts der Stärke des Gegenübes sehr viel riskierten. Und da machte Sinne schlicht den besseren Job. In manchen Ballwechslen (so bei den jeweiligen Satzbällen in Durchgang 1 und 2 blitzte das Ausnahmekönnen der beiden auf.
Im 4. Satz bäumte sich der Spanier noch mal auf, erzwang beim Stand von 3:4 2 Satzbälle, die Sinner souverän abwehrte. Aber insgesamt spielte er nicht so frei bei diesem Turnier, die zahlreichen Satzverluste (schon im Auftaktmatch gegen Fognini musste er über die volle Distanz gehen) sind vielleicht Beleg dazu.
Das ist allerdings auch die einzige Hoffnung der Konkurrenz, dass in den kommenden Jahren es nicht zur ewigen Wiederholung Sinner-Alcáraz kommt. Spielen beide auch nur annähern ihr bestes Tennis, kommt da keiner heran. Tja wäre Novak Djokovic ein paar Jährchen jünger, dann könnte er Sinner/Alcáraz sicher ärgern. Unfassbar genug, dass er mit seinen 38 Jahren in allen 3 Grand Slams dieses Jahres das Halbfinale erreichte.

 

Ein (Doping)Fakt zum Nachdenken

 

Sowohl bei Swiatek als auch bei Sinner fanden die Dopingfahnder im vergangenen Jahr positive Proben. Sowohl Swiatek (3 Wochen) als auch Sinner (3 Monate) kamen mit vergleichsweise glimpflichen Strafen davon, Sie überzeugten zumindest die zuständigen Sportrichter von ihrer Unschuld und den äußerst unglücklichen Umständen, die zu einem positiven Befund führten. Normalerweise hätten beide in diesem Jahr (also auch nicht in Wimbledon!) Turniertennis spielen dürfen. Erstaunlich die Nonchalance, ja Gleichgültigkeit, wie dieser Fakt in der Berichterstattung praktisch ausgeblendet wird. Aber Hauptsache, alle verdächtigen die Radsportler und vor allem Tadej Pogacar bei der Tour de France, die gerade läuft.

 

Wimbledon bei Amazon

 

Ich gebe zu: Ich habe Jeff Bezos nicht boykottiert und die Übertragung bei Amazon nicht nur stundenlang verfolgt, sondern regelrecht genossen. Wie im Vorjahr hatte der Streamingsender ein Riesenaufgebot an Top-Reportern und Top-Experten nach London beordert. Live vor Ort ist so eine Übertragung (der Tennistag ging immer über mindestens 10 Stunden) schlicht zwei Klassen besser, als wenn der Großteil aus einem Müncher Studio erfolgt, wie es leider Eurosport seit Jahren betreibt, sogar bei den French Open direkt vor der Pariser Haustür.
Die schon erwähnte Andrea Petkovic verdient als Beste vieler Guten den Preis des Münchner Löwen. Leider nicht dotiert, aber das hat die Tennis-Millionärin auch nicht nötig, hoffe ich doch schwer. Petkovic sticht gegen die ebenfalls sehr guten Barbara Schett (ich liebe ihren österreichischen Dialekt), Sabine Lisicki (ein bisschen viel ohh und ahhh und uhhh), Michael Stich (erzählt manchmal ein bisschen sehr viel auch in die Ballwechsel) sowie all die anderen, die das Wort bekamen.
Herausragend auch die Moderatorin Katharina Kleinfeld. Ihre unterhaltenden und gleichsam informativen gerade am Ende des Wimbledon-Tages begeisterten mich. Auch die Kommentatoren störten nicht (das ist bei mir schon ein Sonderlob): Jonas Friedrich gebührt ein weiterer Löwen-Preis. Ihn würde ich noch vor Marcel Meinert ansiedeln.

Die große Rückkehr der Amanda Anisimova – wird sie gar triumphal?

Wimbledon-Wahnsinn, die Frauen

 

Das Turnier der Überraschungenhat dann doch noch eine Überraschungs-Finalistin bekommen. Während sich nämlich die eine Top-Favoritin Iga Swiatek souverän in 3 Sätzengegen die völlig überforderte Belinda Bencic durchsetzte, musste die andere verbliebene Top-Favoritin Aryna Sabalenka der Amerikanerin Amanda Anisimova. Wenngleich bei nähewrer Betrachtung das Aus der Belorussin nicht ganz so sensationell daherkommt, weil sie ja schon im Viertelfinale gegen Laura Siegemund vor dem Ausscheiden war.
Die Partie Anisimova vs Sabalenka verlief ganz ähnlich: Ein eher locer gewonnener 1. Satz von Anisimova, die klare Antwort von der Weißrussin im zweiten, und ein enger entscheidender dritter Durchgang. In dem dann eben Anisimova noch mehr Kräfte hatte als 2 Tage zuvor Siegemund und deshalb die nicht ganz in Top-Form befindliche Sabalenka elimieren konnte.

Was für eine Rückkehr von Anisimova: ein 17-jähriges Wunderkind, dem die Experten eine große Zukunft vorhersagten. Es wurden gar Vergleiche mit Serena Williams angestellt; maßlos übertrieben wie die ewigen Vergleiche jeder einigermaßen talentierten duetschen Akteurin mit Stefanie Graf. dass Leben hatte andere, sehr unschöne Pläne. Der Tod des Vaters warf die damals 18-Jährige zurück. Sie spielte zwar weiter auf Der Tur, aber große Erfolge blieben aus. Es folgte ein Burnout, eine lange Pause. Vor einem Jahr kehrte sie in Wimbledon zurück, verlor dort gegen eine Qualifikantin. Sie blieb dran, und nach und nach kehrten die Erfolge zurück: Turnier-Sieg bei den Qatar Open, und beim Vorbereitungsturnier erreichte sie unter anderem gegen Emma Navarro und Olympiasiegerin Qinwen Zheng das Finale, wo sie der erstaunlichen Deutschen Tatjana Maria unterlag.
In Wimbledon zeiogt sie sich von der besten Seite, wobei sie durchaus auch kämpfen musste wie im Achtelfinale beim Dreisatzerfolg gegen Linda Noskova.

Jetzt also die Krönung gegen Swiatek: Die Polin hat ihre Abneigung gegen Rasentennis souverän abgelegt, war in ihren 6 Spielen ins Endspiel nahezu ungefährdet. Nur einen Satz hat sie bisher in Wimbledon abgegeben, eher aus Fahrlässigkeit gegen Caty McNally. Sie muss deshalb als Favoritin gelten, mein Tennisherz schlägt allerdings für Amanda Anisimova, und sei es nur, dass ich mit meinem progmnostizierten „ova“-Turniersieg recht habe, der sich allerding ejher auf Osteuropäerinnen und vor allem Tschechinnen bezog.

Bleich geht es los, ich bin gespannt.

 

Swiatek gedopt – und ein ganz übles Dejà vú

Die Doping-Nachricht ploppte am Donnerstag auf. Tennisspielerin Iga Swiatek ist positiv auf das verbotene Mittel Trimetazidin getestet. Die Probe datiert vom 12. August. Soweit, so extrem ungut, doch was danach folgte, ist ein Skandal, der böse Erinnerungen weckt, die noch sehr frisch sind.

Disclaimer: Ich mag Iga Swiatek und ihr aggressiv-attraktives Tennisspiel sehr. Sie ist vielleicht nicht die größte Entertainerin auf dem Platz , aber sie eines der wenigen prägenden Gesichter im Frauen-Tennis, wo ansonsten die Akteurinnen bis auf wenige Ausnahmen (Coco Gauff, Karolina Muchova) reichlich austauschbar scheinen.

 

Sehr milde Strafe

 

Iga Swiatek wurde am 12. September, also kurz nach den US Open, für 3 Wochen gesperrt, ohne dass die Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt wurde. Die Polin musste für die Asien-Tour passen, offiziell tat sie das wegen persönlicher Gründe, soweit ich mich richtig erinnere. In der Zeit erarbeiteten sich die Anwälte zusammen mit Swiatek die Begründung: Sie habe Melatolin, ein in Polen frei erhältliches Mittel, genommen, um den Jetlag der Vielreisenden zu bekämpfen. Leider leider sei da etwas kontaminiert worden mit dem verbotenen Zeug. Das reichte der für Dopingsachen zuständigen Tennis-Instanz Itia,  von einer härteren Strafe abzusehen, auch weil Proben während Olympia und der US Open negativ ausfielen. Großzügig sah man darüber hinweg, dass Swiatek das Melatolin ausgelassen hatte bei den insgesamt 14 Medikamenten, die ihr Sportlerkörper so braucht. Die Müdigkeit, der Jetlag, entschuldigte Swiatek sich,  Das reichte: Eine Woche muss die Polin noch gesperrt absitzen, sie konnte den Zeitraum frei wählen, und sie wählte den ohnehin spielfreien Dezember. Bei den WTA Finals in Saudi-Arabien durfte sie mitmachen allein durch ihre Vorrundenteilnahme gut 1 Million Dollar kassieren, ohne dass irgendjemand von ihrem Doping-Drama Bescheid wusste. Eine Farce in jeder Hinsicht.

 

Erinnerungen an den Fall Sinner

 

Zusammengefasst: Iga Swiatek wurde auf Trimetazidin getestet, jenes verbotene Mittel, das der russischen Eiskunstläuferin Karolina Walejewa letztlich zum Verhängnis wurde und sie eine 4-Jahressperre absitzen muss. Für den Tennisssport ist das eine Katastrophe: Swiatek war zum Zeitpunkt des Tests die Nummer 1 der Weltrangliste, zusammen mit Aryna Sabalenka dominierte sie bis dato das Jahr. Und genau wie der ebenfalls des Dopings überführte Jannik Sinner

https://blickueberdenteich.de/der-fall-jannik-sinner-stinkt-zum-himmel/

kommt sie mit einer absolut lachhaften Bestrafung seitens der Itia davon.

Mag ja sein, dass sie das Mittel unbewusst genommen hat, aber bei anderen Tennis-Sportlern ist man da mit Sperren sehr viel schneller und härter zur Hand. So wurde Simona Halep trotz ihrer Unschuldbekundungen vorläufig für 4 Jahre gesperrt, und vor der Berufungs-Entscheidung, die die Sperre auf 9 Monate reduzierte,  durfte sie nicht spielen. »Ich stehe hier und frage mich: Warum gibt es so einen großen Unterschied in Behandlung und Urteil?«, kommentierte die zu Recht fassungslose  die Rumänin auf Instagram. No names warten ewig auf eine Entscheidung, während der sie ihrer Tennis-Tätigkeit auch nicht nachkommen können. Die tschechische Nachwuchsspielerin Nikola Bartunkova, bei der ebenfalls Trimetazidin gefunden wurde und sich ebenfalls auf kontaminierte Mittel berief, wurde ohne aufschiebende Wirkung für ein halbes Jahr gesperrt – und das war angeblich noch die Untergrenze des vorgesehenen Strafrahmens.

 

Was bleibt, ist Fatalismus

 

Halten wir fest: Im Tennis ist 2024 sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern die Nummer 1 der Welt positiv auf Doping getestet wurden. In beiden Fällen gab es lachhafte Strafen, die weit unter dem normalen Strafrahnen 2 bis 4 Jahre blieben. In beiden Fällen erfuhr die Öffentlichkeit erst davon, als die Fälle zumindest Tennisverbands-mäßig abgeschlossen waren. Nick Kyrgios, einer der streitbarsten Profis, bringt es auf den Punkt: „Wir können einfach sagen, dass wir es nicht wussten. Das reicht.“
In der Öffentlichkeit ist zwar ein deutliches Rumoren zu spüren, das Wort Skandal, der die Fälle und deren Handhabung und Quasi-Nichtbestrafung nun mal sind meiner Meinung nach, höre ich selten. Ich stell mir nur mal vor, im Radsport wäre bei Tadej Pogacar, ähnlich überlegen wie ein Sinner oder eine Swiatek,  etwas gefunden worden, und der Slowene hätte die gleiche Begründung abgegeben. Das hätte in der SZ sofort den Dopingjäger Thomas Kistner auf den Plan gerufen, der ihn gekreuzigt hätte. Es sind ja ohnehin alle auch ohne positive Fälle vollkommen überzeugt, dass der Radsport verseucht ist. Oder es wären nicht zwei in der Szene und beim Publikum überaus beliebte Sportler aus Polen und Italien, sondern böse Chinesen oder gar Russen gewesen.

So wie es aussieht, werden sowohl Swiatek als auch Sinner beim nächsten Grand-Slam-Turnier, den Australian Open im Januar, antreten. Zwar hat die Wada im Fall Sinner Einspruch eingelegt und will eine höhere Strafe, doch über den will der Sportgerichtshof erst im Frühling entscheiden, wie es scheint. Auch dieses Hinhalten erachte ich als völlig indiskutabel und lässt im übrigen erahnen, dass auch de CAS keine längere Sperre ausspricht. Aber das ist reiner Spekulatius meinerseits. Aber wäre das nicht ein tolles Bild, (das nicht so unwahrscheinlich ist): Swiatek und Sinner gemeinsam mit ihren Siegespokalen? Bei mir kommt da sehr wenig Vorfreude auf..