Wer verliert, fliegt raus

Ab heute starten die Achtelfinali (so sagte es immer  der ehemalige ORF-Reporter und -Sportchef  Franz Krynedl) bei „unserer“ EM. Für viele beginnt nach der teils doch ermüdenden Vorrunde das Turnier erst richtig. Wer allerdings Fußball-Feuerwerke erwartet, könnte enttäuscht werden. Mich würde es im Gegenteil sehr überraschen, wenn etwa Franzosen und Engländer ihr bisher zwar ziemlich unansehnliches, aber letztlich doch erfolgreiches Defensiv-Konzept aufgeben würden. In vielen Partien gibt es zumindest namentlich einen klaren Favoriten und einen Außenseiter. Mals sehen, wer gerade von den nicht so hoch gehandelten Teams das Heil in der Flucht nach vorn suchen. Georgien und Rumänien könnte ich mir gut vorstellen.
Hier gibt es jetzt erst mal eine Vorschau auf alle acht Partien chronologisch von heute bis Dienstag. Dann tippe ich „mein“ viertuelles Turnier durch (sportlerdeutsch: Bracket=Turnierbaum) durch, allerdings nur den Sieger und nicht das genaue Ergebnis.

Sa., 18.00: Schweiz – Italien in Berlin (RTL und Magenta)
Für mich eine ziemlich offene Partie. Die Schweizer haben mir zumindest teilweise gegen Deutschland gut gefallen, aber das ist keine Übermannschaft. Italien war praktisch draußen, um sich mit einem Tor in der letzten Minute der Nachspielzeit ins Achtelfinale zu retten. Dort fehlt ihnen mit Riccardo Calafiori beste Mann wegen einer Gelbsperre, die Schweizer müssen aus dem gleichen Grund auf Silvan Widmer verzichten. Für Italien spricht, dass sie in K.-o.-Spielen nur schwer zu schlagen sind

Player to Watch
Granit Xhaka. Der Schweizer hat seine formidable Leverkusen-Form zur EM transportiert. Vielleicht seine besten Spiele im Dress der Nati. Bei den Italienern zeigt Torwart Gianluca Donnarumma seine Klasse.

Sa., 21.00: Deutschland – Dänemark in Dortmund (ZDF und Magenta)
Meine Erwartungshaltung an die Dänen tendiert nach dem Trauerspiel am Dienstag gegen Serbien gegen Null. Ihr mit Abstand bester Kicker Christian Eriksen hat eine Darmgrippe und musste gestern aussetzen. Die Deutschen haben eine mögliche Schmach eines Vorrunden-Aus souverän vermieden. Sicher nicht alles Gold, was glänzt, aber insgesamt doch überzeugende Leistungen. Und der Last-Minute-Ausgleich am Sonntag war für die Stimmung im Team und auch im Land vielleicht Gold wert. Auch hier fehlen zwei Spieler wegen einer Gelbsperre. Jonathan Tah wird von Nico Schlotterbeck eersetzt, bei den Danen fehlt Morten Hjulmand, der so spektakulär gegen die Engländer traf.

Player to Watch:
Niclas Füllkrug: Noch hat Julian Nagelsmann nicht endgültig entschieden, ob er von Anfang an spielt oder doch Kai Havertz. Seine Einwechslung ist praktisch sicher. Er hat im deutschen Team eine unglaubliche Trefferquote (13 Tore in 19 Spielen). Die Dänen hoffen, dass Rasmus Höjlund endlich was reißt.

So., 18.00: England gegen Slowakei in Gelsenkirchen (ZDF und Magenta)
Zu den bisher so furchtbaren Engländern ist schon so viel gesagt. Trotz viel Kritik aus der Heimat: Trainer Gareth Souhtgate ist zufrieden, verweist durchaus zu recht auch auf den Gruppensieg. Pragmatismus at its worst. Grausig anzuschauen, aber erfolgreich. Besonders in der Kritik steht Jude Bellingham, den viele gerne auf der Bank sähen, aber zumindest einige gute Aktionen hatte. Die Slowaken haben auch keine Bäume ausgerissen. Wirklich herausragende Spieler sehe ich nicht, aber alle können Fußballspielen. Gelingt ein frühes Tor, kann es ein richtig tolles Spiel werden.

Player to Watch
Phil Foden: Bisher zeigte er sehr wenig von seiner Riesenklasse. Doch er kommt mit extrem viel Glücvkshormonen von einem Kurztrip nach Hause, ist er doch zum dritten Mal Papa geworden. Mutter und Kind sind wohlauf, wenn das nicht beflügelt … Bei den Slowaken hoffe ich auf ein paar Geistesblitze von Stanislav Lobotka.

So., 21.00: Spanien – Georgien in Köln (ARD und Magenta)
Der zurzeit am meisten gehandelte Turnierfavorit gegen den vermeintlich größten Außenseiter. Die georgier haben mich in allen drei Partien begeistert mit ihrem fantasiereichen Spiel. 11 technisch brillante Spieler stehen da auf dem Platz, alle auch mit einem Riesenherz. Die Spanier sind das einzige Team mit drei Vorrundensiegen, noch dazu alle zu null, und das gegen starke Gegner wie Kroatien, Italien und, jawoll, auch Albanien. In dieser Partie wird der Gegner des Deutschland-Spiels ermittelt.

Player to watch
Nico Williams: Seine Tempodribblings sind eine Augenweide, auch wenn sie manchmal ins Nichts führen. Aber für solche Leute zahlen die Leute Eintrittsgeld. Den Laden zusammen hält vor allem Rodri. Die Kroaten haben allerdings im ersten Spiel gezeigt, dass die Abwehr trotz der Null nicht unangreifbar ist. Bei den Georgiern möchte ich den grandiosen Torwart Goiorgi Mamardashvili und Kvicha Kvazchelia herausheben. Auch für Kvaradona gilt: tolle Dribbling, aber manchmal wäre ein Blick und gar ein Pass zu einem besser postierten Mitspieler hilfreich-

Mo., 18:00: Frankreich – Belgien in Düsseldorf (ZDF und Magenta)
Fast ein Heimspiel im nahen Düsseldorf für beide Teams, die eine heiße Rivalität pflegen. Kylian Mbappé hatte ein paar weitere Tage, um sich an seine Masken zu gewöhnen. Die Franzosen agieren wie die Engländer: Erst mal schauen, dass hinten nichts passiert, und vorne wird Mbappé schon treffen. Mit dierser Taktik sind sie 2018 Weltmeister und 2022 Vizeweltmeister geworden. Jetzt klappte bisher nur beim ersten Teil des Plans, der Defensive. Die Offensiv-Bilanz lautet dagegen nach 3 Spielen: 2 Tore, nämlich ein Eigentor und ein Elfer. Die Belgier enttäuschten mich ebenfalls und überstanden ihre Gruppe gerade mal so. Vom Potenzial her könnte es ein tolles Spiel werden, genug Klasse-Akteure gibt es auf beiden Seiten. Wenn man sie nur von der Leine ließe …

Player to Watch
NGolo Kanté: Kaum jemand wusste, wie dem Mittelfeldmann sein Jahr in Saudi-Arabien bekommen ist. Offenbar hervorragend, insgesamt war er der beste Mann der Franzosen der Vorrunde. Bei den Belgiern schau ich genau auf Romelu Lukaku. Vielleicht wäre mein Urteil über die Mannschaft viel politiver, wenn denn wenigstens eines seiner drei nachträglich aberkannten Tore gezählt hätte.

So., 21:00: Portugal – Slowenien (ARD und Magenta)
Die Portugiesen waren vor dem Turnier mein EM-Favorit (in einem kicktipp), und bisher gibt es keinen Anlass, diesen Tipp zu bereuen. Sie starteten mit zwei letztlich souveränen Siegen, ihr „zweiter Anzug“ verlor zwar gegen Georgien, doch ich fand sie da gar nicht so schlecht, aber sie scheiterten halt am überragenden Mamardaschwili. Blödsinn, da von Wettbewerbs-Verzerrung zu reden. Gerade die Deutschen sollten wissen, was ein portugiesisches B-Team in einem letzten Vorrundenspiel anrichten kann, remember 2000 und nenne den Namen Conceicao. Die Slowenen ihrerseits waren der andere Teil des Trauerspiels gegen Dänemark, meine Sympathien für sie halten sich deshalb eher in Grenzen.

Player to watch
Rafael Leao: Ein hochinteressanter Stürmer, der bei Milan sehr auftrumpfte, hier bisher sein Können allerdings höchstens aufblitzen ließ. Die Slowenen brauchen einen Jan Oblak in Top-Form (dann ist dieser sehr schwer zu bezwingen), und vorne kann Benjamin Sesko von RB Leipzig immer eine großartige Aktion zeigen.

Mo., 18.00: Rumänien gegen Holland in München (ARD und Magenta)
Da gewinnen die Rumänen eine Gruppe und bekommen es zur Belohnung mit Holland zu tun. Künstlerpech. Und Rumänen können tatsächlich Ballkünstler sein, auch wenn vom jetzigen Kader niemand an den unvergleichlichen Gheorghe Hagi heranreicht, auch nicht sein Sohn Ianis. Die Holländer haben den viel namhafteren Kader, aber es gibt halt  Gründe, warum sie nur Gruppendritter hinter Österreich und Frankreich geworden sind. Die verschiedenen Mannschaftsteile passen nicht zusammen, und gerade im Mittelfeld hapert es.

Player to watch:
Cody Gaakpo vom FC Liverpool hat mir bisher ganz gut gefallen,und er ist auch torgefährlich. Womit auch die ausrede von Englands Teamchef Southgate widerlegt ist, die schwere Premier-League-Saison wäre schuld an den schwachen Spielen seiner Mannen. Aus detscher Sicht sind natürlich die in der Bundesliga harausragenden Frimpong und Xavi Simons zu beachten.

Mo., Österreich -Türkei in Leipzig (Magenta)
Die Österreicher haben die ohnehin schon hohen Erwartungen noch übertroffen, denn an einen Gruppensieg unter anderem gegen Frankreich und Holland hätten auch größte Optimisten nicht geglaubt. Und wie es so ist in unserem Nachbarland: Die Euphorie kennt kaum noch Grenzen. Schon wird an einen Durchmarsch ins Finale geglaubt, angesichts des leichteren Turnierastes nicht völlig herfantasiert, was auch deutsche Medien bestätigen. Wenn es halt nicht die Kombination Österreich und Fußball wäre, wo letzten Endes frei nach doch alles schiefgeht, was eigentlich gar nicht schiefgehen kann. Und eine Partie gegen die Türkei ist geradezu prädestiniert dafür. Keine Frage, aufgrund der Turnierleistungen bisher sind die Ösis zu favorisieren, zumal sie in einem Test im April denselben Gegner gleich mit 6:1 überfuhren. Allerdings war da eben auch gehöriges Spielglück dabei. Die Türken haben ihre unendliche Leidenschaft entgegenzusetzen, der Ausfall von Hakan Calhanoglu wegen einer völlig überzogenen Gelben Karte trifft sie allerdings hart. Unterschätzen darf sie niemand, aber das ist bei Österreichs deutschen Nationaltrainer Ralf Rangnick kaum zu erwarten. So gefeiert wurde in Österreich kein Deutscher seit 1938, äh lassen wir das lieber.

Player to Watch
Marcel Sabitzer: Er knabberte von allen Dortmundern am heftigsten an der Niederlage gegen Real Madrid. Aber spätestens im Holland-Spiel hatte er seine starke Form wiedergefunden, gekrönt durch sein herrliches Siegestor kurz vor Schluss. Ansonsten bilden die Österreicher das am besten harmonierende Team  der EM, dass das Fehlen echter Superspieler mehr als kompensiert. Bei den Türken richten sich die Blicke nach Calhanoglus Ausfall noch mehr auf das Supertalent Arda Güler. Wenn der in den Flow kommt, wird es für Austria sehr gefährlich.

Und hier mein getipptes Bracket (fettgedruckte Teams weiter)

Achtelfinale (Sa. – Di.)
Spanien – Georgien
Deutschland – Dänemark
Portugal – Slowenien
Frankreich – Belgien
Schweiz – Italien
England
– Slowakei
Rumänien – Holland
Österreich
– Türkei

Viertelfinale (5./6. Juli)
Spanien – Deutschland
Portugal – Frankreich
Italien – England
Holland
– Österreich

Halbfinale (9./10. 7.)
Spanien – Portugal
England – Holland

Endspiel: 14. 7. in Berlin
Portugal – Holland

 

Was so auffiel bei der EM

Die Vorrunde ist überstanden. Nach 36 teilweise sehr unterhaltsamen (Österreich – Holland, Italien Kroatien, Georgien – Türkei), aber auch unterirdischen Partien ist es gelungen, auch mittels Rechenschiebers aus 24 Teams 16 Achtelfinalisten zu ermitteln. Ab morgen beginnt also die K.-o.-Runde, die Do-or-die-Spiele. Ob die dann immer zu aufregenden Spielen führen, wage ich zu bezweifeln, zu (zumindest ergebnismäßig) pragmatisch agieren manche Mannschaften. Konkrete Vorschauen auf die K.-o.-Spiel mache ich hier morgen, heute gibt es eine Rückblick, was so aufgefallen ist.

Der pragmatische Ergebnisfußball lebt

Negativ hervorzuheben sind hier besonders die Engländer. Angesichts der klangvollen Namen wie Phil Foden, (Spieler des Jahres in England),Jude Bellingham (Spieler des jahres in Spanien), aber auch Harry Kane (Europas Torschützenkönig der Saison) und Declan Rice (Tuchels Super Holding Six) ist das schon mehr als dürftig, was die Three Lions bisher abgeliefert haben. Zwei mickrige Tore gelangen, der Unterhaltungswert der Spiele tendiert gegen Null. Das ficht Trainer Gareth Southgate nicht an, verweist auf den (letztlich ungefährdeten ( Gruppensieg) und das gerade defensiv vieles zu stimmen scheint. Ohne meiner morgigen Vorschau zuviel vorwegzunehmen: Die Launen des Turnierbaumes haben den Engländern einen durchaus gangbaren Weg bis in ein mögliches  Finale beschert, was auf der Insel dementsprechend gefeiert wird. Wenn das gerade deutsche Fußball-Fans ärgert, denen sei ein Blick auf die Finalteilnahmen und den Weg 1982, 1986 und 2002 empfohlen.
Fast genauso enttäuschend waren bisher die Belgier; der ewige Geheimfavorit hat sich nachhaltig von dieser Rolle verabschiedet. Für sie könnte gegen Frankreich im Achtelfinale Schluss sein. Auch Les Bleus und Trainer Didier Deschamps setzen auf eine sichere Verteidigung (die tatsächlich auch sicher steht, wenn da nicht Upamecano für manchen Bock gut wäre). Und vorne hilft der liebe Gott oder Maskenmann Kylian Mbappé
Der Modus half dem Pragmatismus, weil auch 4 der 6 Gruppendritten das Achtelfinale erreicht haben.

Die wunderbaren Georgier

Ich muss gestehen: Wirklich ein Begriff vom Team war mir vor Turnier-Beginn nur der brillante Torwart Mamardaschwili und Kwarazchelia von der SSC Napoli, einer der prägenden Spieler des Meisterteams 2023. Die beiden sind tatsächlich die Auffälligsten. Mamardaschwili ist mit Abstand der beste Torwart des Turniers, „Kwaradona“ spielt den Gegnern Knoten in die Beine. Doch Akteure wie Korataschwili und Mikautadse haben sich in den Vordergrund gespielt. Die unfassbare Begeisterung und Spielfreude ist anstecken,d Trainer und Ex-Bayern-Profi Willy Sagnol ist offenbar genau der richtigen Mann am richtigen Ort. Wahrscheinlich geht das Märchen jetzt gegen Spanien zu Ende.
Dazu auch eine statistische Anmerkung: Der Außenseiterstatus der Georgier wird ja gerne mit der Weltrangliste und Platz 75 belegt. Die ist allerdings derart undurchaschaubar, das sie als ernstzunehmendes Kriterium über Stärke/Schwäche eines Teams praktisch gar nichts aussagt. Das ist ähnlicher Quatsch wie das dauernde Heranziehen des 1,5-Milliarde-Euro schweren Kaders der Engländer, weil auf der Insel Fantasiesummen gezahlt werden, die mit der Wirklichkeit und dem eigentlichen Wert der Spieler nichts zu tun haben.

Tu felix Austria

Die Österreicher gingen ja mit viel Rückenwind ins Turnier. Verhalten war man allerdings dennoch angesichts der sogenannten Todesgruppe mit Frankreich, Holland und Polen. Mit dem Gruppensieg hätte wohl niemand gerechnet. Und der wurde eben nicht ermauert, sondern das Team von Ralf Rangnick spielte mit den attraktivsten Fußball der Vorrunde. Bei Rot-Weiß-Rot sehe ich eine klare Spielidee, nämlich die unerbittliche Balljagd des gesamten Teams bis tief in die gegnerische Hälfte. Hier ist im besten Sinne des Wortes ein Kollektiv zu sehen, greift im Idealfall ein Rädchen ins andere. Und bei allem Respekt vor Arnautovic, Sabitzer und den anderen: Es fehlt der alles überragende Einzelkönner, zumal mit David Alaba der beste Spieler des Landes nicht aktiv dabei ist, sondern nur als Non-playing-Captain. Wie weit der Weg führt, muss man sehen, aber beim Sieg gegen Polen hat die Truppe gezeigt, dass sie auch unter größtem Druck die Leistung abrufen kann.

Die indiskutable Gruppe C

Ja, ich bin auch persönlich beleidigt über das wirklich furchtbare Spiel Dänemark gegen Serbien, weil ich dieses live vor Ort in der Münchner Arena ertragen musste. Wers wirklich noch mal nachlesen will: https://blickueberdenteich.de/ein-furchtbares-spiel-und-doch-vergnueglich/

Insgesamt schafften es England, Dänemark, Slowenien und Serbien in 6 Spielen auf satte 7 Tore, und das nicht weil die Abwehrreihen oder gar Torhüter so brillant agiert hätten. Keiner wollte, jeder schaute auf Blitztabellen. Und ein gewisses Maß an offensiver Unfähigkeit kommt dann noch dazu. Das Traurige ist, dass allein die Serben die Koffer packen müssen, der Rest darf weiter dilletitteren.

Der bescheuerte Modus

24 Teams – das ist von vornherein dämlich, weil es eben keine Zweierpotenz (8, 16, 32) ist, die man dann in einer K.-o.-Runde herunterspielen kann. Also musste der Kunstgriff der „besten 4 Dritten“ her, um auf 16 zu kommen – und damit war die Ungerechtigkeit programmiert. Denn die Gruppen spielten ihre jeweils letzten Spieltage nicht alle gleichzeitig (was bei 12 Spielen und nur 10 Stadien schon logistisch unmöglich ist, von der Vermarktung ganz zu schweigen), sondern nach und nach. Die Ungarn waren als Erste dran am Montag und wussten dann bis zum Abpfiff der Gruppe F am Mittwoch nicht, ob sie dabei sind oder nicht, sie waren es am Ende nicht. Die anderen wussten dagegen immer deutlicher Bescheid, was sie an Ergebnissen zum Weiterkommen bräuchten. Exemplarisch etwa die Österreicher. Die wussten vor dem Holland-Spiel, dass sie dieses sogar mit 4 Toren Unterschied verlieren könnten und trotzdem ganz sicher weiterkommen würden. Da kann man es natürlich ganz anders angehen lassen, was Ralf Rangnick hinterher ja auch unumwunden zugab, als er einige Spieler zunächst schonte.
Klar, je mehr Teilnehmer, desto mehr Länder sind involviert, die es normalerweise in ein 16er-Feld nicht schaffen, und die sog. Kleinen waren fürs Turnier sehr gewinnbringend wie Georgien und Albanien. Aber dann kann man gleich auf 32 Teams aufstocken mit acht Gruppen. Würde der Qualität auch nicht über Gebühr schaden, wenn dann die diesmal zuschauenden Schweden (Tradition!), Norweger (Haaland!) und Griechen (Europameister 2004!) auch noch mitgemacht hätten.
Und noch ein Gustostückerl aus der Regelecke: Es kam tatsächlich zu einem Tiebreaker in der (natürlich!) Gruppe C, als die Anzahl der Gelben Karten über die Platzierung und erst so den Deutschen die Dänen als Gegner bescherte. Was so recht niemand auf dem Schirm zu haben schien, den Eindruck vermittelten zumindest die Trainer hernach. So darf sich der Slowene Novakovic, ein Co-Trainer, rühmen, mit seiner Gelben Karte mitentschendend gewesen zu sein, das seinem Team Deutschland als Achtelfinalgegner erspart bleibt und „nur“ Portugal heißt. Blöd natürlich, dass diese Karte im mir vorliegenden Spielberichtsbögen nirgends auftauchte und das Gelb-Zusammenrechnen während der Partie zur Makulatur werden ließ.

Tolle Regel, warum nicht schon vor 50 Jahren?

Vor Beginn des Turniers gab es eine bedeutende Änderung. Nach einem Schiedsrichterpfiff darf nur noch der Kapitän mit dem Schiri diskutieren. Was hatten alle Angst vor einer Kartenflut, angesichts der bisher üblichen, oft endlosen Streitereien um jeden Einwurf. Es passierte: wenig bis nicht. Die Spieler waren sehr diszipliniert, und die (meisten) Schiris legten die Regel auch nicht buchstabengetreu aus, sondern mit Augenmaß. Die traurige Ausnahme war der Ungar Kovac bei der jetzt schon sagenumwobenen Partie Türkei gegen Tschechien, als er insgesamt 21 (!) Gelbe Karten zog – EM-Rekord.

Insgesamt klappte es aber wirklich gut, und die Frage darf (nicht nur) ich schon stellen: Warum nicht viel, viel früher, zumal Sportarten wie Eishockey und Rugby schon ewige Zeiten nach diesem Modus verfahren. Klar, es gab merkwürdige Besonderheiten. So erhielt Italiens Torwart Donnarumma wegen Meckerns Gelb. Der ist zwar Kapitän, aber auch Torhüter. Und damit diese im Fall eines Falles nicht übers ganze Feld laufen müssen, wird ein Feldspieler als Ersatzkapitän benannt, aber eben mit der Folge, dass der echte Kapitän Donnarumma nichts mehr sagen darf.

Zu guter Letzt

  • Die Torschützenliste führt souverän Hans (Jimmy) Eigentor ein, der bereits siebenmal teils auf extrem skurrile Weise (Sami Akaydin https://www.sportschau.de/fussball/uefa-euro-2024/das-eigentor-von-sametakaydin-gegen-portugal,eigentor-tuerkei-100.html erfolgreich war. Romelo Phantomtor netzte auch schon dreimal ein; der bedauernswerte Belgier Romelo Lukaku erzielte drei wunderbare Treffer, die allesamt wegen Abseits (zweimal hauchzart) und angeblichen Handspiels (bestenfalls gestreift) nach Video-Ansicht kassiert wurden
  • Schreckmoment mit glimpflichen Ausgang: Der Ungar Vargas stieß heftigst mit einem Schotten zusammen und blieb bewegungslos liegen, war zeitweise bewusstlos. Man musste das Schlimmste befürchgten. Am nächsten Tag die leichte Entwarnung: zwar böse Brüche im Gesicht, aber offenbar keine bleibenden Schäden. Gute Besserung!

Und jetzt viel Spaß beim Achtelfinale!

 

 

Ein furchtbares Spiel – und doch vergnüglich

Gestern war ich live in der Münchner Arena beim EM-Spiel Dänemarkj gegen Serbien. Es war entsetzlich. Ich weiß wirklich nicht, ob ich es ohne die nette Gesellschaft ausgehalten hätte.. Gesellschaft, die ich zuvor nicht kannte, sondern nur von einem anderen Blog, wo die Leserin „Clubwanze“, die auch hier schon  (zu selten!) kommentiert, Karten angeboten hat für besagtes Spiel. Gewissermaßen also ein Blind Date, und es ist schon witzig, wenn aus dem Nickname erst ein Klarname wird, der Klarname dann am Telefon auch eine Stimme bekommt und gestern dann in Natura vor einem steht („Du erkennst mich an meinem grünen Deutschland-Trikot“).

Zum Spiel: Ich kann mich an keine schlechtere Partie erinnern, die ich live vor Ort gesehen habe, und ich habe Schlimmes gesehen. Bei 60, bei Energie Cottbus. Das von dieser Elend Gruppe jetzt drei Mannschaften weiterkommen, ist der Treppenwitz schlechthin. Ich hab auch zur Clubwanze gesagt. Die ganze Gruppe wird disqualifiziert wegen Seelischer Grausamkeit, Und dafür dürfen wir die Schotten noch mal sehen und die Georgier. Und die Griechen fliegen wir ein, aber natürlich nur, wenn Otto Rehakles Rehagel auf der Bank sitzt..
Völlig unverständlich waren für mich die Serben, die als einzige dieser Gruppe unbedingt  ein Tor gebraucht haben und so überhaupt nichts, bis auf die letzten 10 Minuten darauf aus waren. Wenn Deutschland diese Dänen nicht weg schießt, verstehe ich die Welt nicht mehr. Einfach Katastrophe.

Zum Spiel passte die irre Abfahrt. Eine ruhige Stimme empfahl uns, nicht die U-Bahn zu nehmen, sondern einen Bus. Dem folgten wir, ein großer Fehler, denn Busse standen zwar da, doch keiner fuhr weg. Die stehen wahrscheinlich jetzt noch da. Irgendwann zogen wir die Reißleine und gingen doch zum U-Bahnhof. Dort war zwar ein irrsinniges Gedränge, aber wenigstens bewegte sich etwas. Ich bin ja jetzt oft schon auch von ausverkauften Stadion wieder per U-Bahn heimgefahren, aber so ein Chaos habe ich noch nie erlebt. Wenn das tatsächlich bei jedem Bayernspiel so chaotisch ist, dann habe ich wenigstens ein ganz kleines bisschen Verständnis für all jene, die 10 Minuten vor Schluss das Spiel verlassen, obwohl das ein absolutes Nogo ist.
Die Stimmung war anfangs gut, aber sie wurde immer müder, Kein Vorwurf an irgendeinen Fan, erstaunlich viele sind eh andauernd was trinken holen gegangen. Verständliches schön saufen nennt man so etwas wohl.

Spanien top, England flop

Powerranking der EM-Teams (Top 16)

2 Spieltage sind bei der EURO 2024 absolviert. Insgesamt haben mich die Spiele und die Begeisterung in den Stadien begeistert. Es gibt jetzt nicht das Überteam, auf das ich bedenkenlos meine Wette abschließen würde, aber doch einige sehr beeindruckende Mannschaften. Aber auch solche, die den Erwartertungen weit hinterherhinken. Das Ranking ist natürlich rein subjektiv. Neben den Ergebnissen, spielen auch meine Erwartungen (also das Potenzial aus meiner Sicht) und der Unterhaltungswert eine Rolle. Wenn Deutschland heute gegen die Schweiz nicht verliert, käme es nach dieser Rangliste bereits im Viertelfinale zu einem vorweggenommenen Endspiel zwischen Spanien und Deutschland. Und noch eines: Nicht aller der auserwählten 16 Teams werden auch das Achtelfinale erreichen.

  1. 🇪🇸 Spanien
    Zwei Spiele, zwei überzeugende Auftritte gegen zumindest nominell starke Kroaten und Italiener. Das junge Duo Williams und Yamal sprühen vor Spielfreude. Die Abwehr wirkt nicht hundert Prozent sattelfest, und Torwart Simón muss noch zeigen, was er kann.
  2. 🇩🇪 Deutschland
    Ebenfalls zwei überzeugende Partien gegen allerdings reichlich schwache Schotten und enttäuschende Ungarn. Auch hier bestechen zwei junge Offensivkräfte mit Musiala und Wirtz. Auch hier zeigt die Abwehr unter Druck Unsicherheiten, und Torwart Neuer hat mich gegen Ungarn nicht vollends überzeugt.
  3. 🇵🇹 Portugal
    Eine Ansammlung von Stars, die ich in einem Tippspiel zum Europameister erkoren habe. Unglaublich viel Pltenzial. Und gerade die Altstars Ronaldo und Pepe (wirklich stark!) sind tatsächlich gut integriert, wobei ich den Assist von Ronaldo trotz eigener guter Einschussmöglichkeit nicht überhöhen will. Der Teamspirit scheint zu funktionieren. Leao ist ein toller Stürmer, kann den Unterschied ausmachen, aber seine Schwalberei ist furchtbar.
  4. 🇫🇷 Frankreich
    Nominell vielleicht der beste Kader. Leider lässt Trainer Didier Deschamps seine Ansammlung von Weltklassespielern taktisch nicht von der Leine. Hinten dicht machen, und vorne werden es die Superstürmer schon richten. Funktioniert natürlich besser, wenn ein Kylan Mbappé wieder dabei ist. Spätestens im Achtelfinale wird er dabei sein, aber die Maske nach seinem Nasenbeinbruch wird ihn behindern. Ngolo Kante gefällt mir als Abräumer sehr gut, seine Zeit in Saudi-Arabien hat siener Form nicht geschadet.
  5. 🇳🇱 Holland
    Oranje setze ich ganz knapp hinter Frankreich. Die Stürmer sind mE nicht ganz so gut. Hinten räumt Virgil van Dijk auf, und Schlussmann Bart Verbrügge gehört zu den Besten des Turniers. Mindestens Potenzial fürs Halbfinale, das hängt vom Turnierbaum ab.
  6. 🇧🇪 Belgien
    Sehr unglückliche Niederlage gegen die Slowakei, weil 2 Lukako-Tore aberkannt wurden (und gegen Rumänien gleich noch eines). Der ewige Geheimfavorit ist nicht mehr so stark, aber ein de Bruyne kann jederzeit den Unterschied machen. Ein paar junge, interessante Spieler wie Doku von Manchester City rücken nach. Favorit auf den Sieg in der Gruppe F. Torwart Casteels ist jetzt allerdings nicht der allerstärkste.
  7. 🇨🇭Schweiz
    Beeindruckender Auftakt beim 3:1 gegen Ungarn. Gegen Schottland eher irdisch. Zum ganz großen Wurf dürfte es nicht reichen, weil vorne ein Klassestürmer fehlt. Aber eine gute Achse Sommer-Akanji-Xhaka..Könnte heute schon ein Härtetest gegen Deutschland werden.
  8. 🇩🇰 Dänemark
    Danish Dynamite hätte gegen Italien gewinnen müssen, und auch gegen Slowenien im ersten Spiel war das Team besser. Das Mittelfeld ist das Prunkstück: Christian Erikssen zieht die Fäden, glänzend unterstützt von Hojberg. Ist halt die Frage, wie das Team unter Druck aufspielt.
  9. 🇮🇹 Italien
    Jetzt erst? Jetzt erst! Schwache Leistung ohne Initiative gegen Spanien, die unangenehme Hürde wurde trotz des frühen Rückstands letztlich souverän genommen. Schlüsselspiel morgen gegen Kroatien. Und der Titelverteidiger hat gezeigt, dass man ihn in K.-o.-Spielen erst mal bezwingen muss.
  10. 🇦🇹 Österreich
    Dumme Niederlage wegen eines Eigentors gegen Frankreich. Enormer Druck in der „Todesgruppe“gegen Polen, und es gelang ein Pflichtsieg, der Austria auf ein Weiterekommen hoffen lässt. Vielleicht fehlt das ganz hohe Tempo und absolute Ausnahmekönner. Aber Rangnick hat ein richtig starkes Kollektiv gebildet. Wenn tatsächlich alles ineinandergreift, ist für mich sogar das Viertelfinale drin.
  11. 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿 England
    Mit Bauchweh. Zwar spielen die Three Lions grauenhaften Fußball, aber ein Sieg und ein Remis ,lassen sich nicht völlig wegdiskutieren. Aber es tut schon in der Seele weh, wenn man absolute Superspieler wie Foden, Bellingham (noch der beste) so herumstümpern sieht. Pragmatisch-erfolgreich – genau das was der Fußball-Romantiker nicht braucht (das haben die Deutschen in den 80ern brillant beherrscht … Trotz allem: Es kann weit gehen, auch weil die Abwehr mit Walker steht und auch Torwart Pickford einen guten Job verrichtet Wie bei den Italienern: Man muss sie erst mal schlagen.
  12. 🇷🇴 Rumänien
    Sie scheinen endlich wieder eine gute Fußball-Generation zu haben. Sehr schöne Kombinationen gegen die Ukraine und trotz der Niederlage gestern auch gegen Belgien. Und sie haben einen Puskas und einen Hagi, was soll da bitte schiefgehen?
  13. 🇹🇷 Türkei
    Der Co-Gastgeber: Die erste Partie gegen Georgien war bisher die spektakulärste des Turniers. Mit offenen Visier, also ein Graus aller Trainer, aber ein Fest für die Zuseher. Gegen Portugal wurden die Grenzen aufgezeigt, wobei ein absurdes Eigentor (das absurdeste von mittlerweile sechsen) alles andere als hilfreich war. Sie haben tolle Einzelspieler, aber die Abwehr scheint nicht halbfinalreif, wahrscheinlich ncht mal viertelfinalreif.
  14. 🇸🇮 Slowenien
    Noch ungeschlagen, aber gegen England muss wohl ein Sieg her, um weiterzukommen. Sehr begeisternde und beigeisterungsfähige Spieler. Zwei Ausnahmespieler mit Torwart Oblak und Stürmer Sesko. Ob das reicht, bleibt dahingestellt.
  15. 🇦🇱 Albanien
    Neben den Schotten die besten Fans. Und lange nicht mehr ein belächelter Fußballzwerg, sondern verdienter EM-Teilnehmer. Starke Auftritte gegen die hochfavorisierten Italiener und Kroaten. Besonders auffällig: Asslani von Inter. Schade, dass es gegen Kroatien nicht zu einem Sieg gereicht hat.
  16. 🇬🇪 Georgien
    Habe ich reingenommen, weil sie mit Mamashvili den besten Torwart des Turniers stellen. Mit großer Verve dabei, technisch beschlagen sind sie ohnehin, die Tiflissche Schule lässt grüßen. Eine echte Bereichewrung des Turniers

Und sonst
Die größte Enttäuschung sind bisher die 🇭🇷Kroaten, die wahrscheinlich das Achtefinale verpassen, außer es gelingt ein Sieg gegen Italien. Das Prunkstück Mittelfeld ist doch in die Jahre geworden.
Die 🇺🇦 Ukraine – mein Seelenfavorit: Echtes Herzrasen bei der Hymne und der Schwenk über die jungen Gesichter und der Gedanke, wo diese jungen Burschen wären, wenn sie nicht so gut Fußball spielen könnten.

Einfach nur furchtbar: 🇵🇱 Polen: Das einzige Team, das auch rechnerisch schon ausgeschieden ist. Zwei ganz schwache Leistungen.

Endlich! Ein Fußballfest

Schöne Spiele, noch bessere Stimmung

Seit knapp einer Woche läuft sie jetzt, die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, vulgo: EURO. Und ich bin hellauf begeistert. Lange hab ich drüber sinniert, was ich diesmal so faszinierend finde und bin zu folgendem Ergebnis gekommen.

  1. Angriff ist Trumpf.
    Zumindest bei den meisten Teams. Vor allem auch die zu den Außenseiter zählenden Mannschaften versuchen, Tore zu erzielen. Wie die Albaner, die Georgier, um die beiden vielleicht größten Dark Horses des Turniers zu nennen. Zu den in dieser Hinsicht enttäuschenden Teams sind leider zwei absolute Favoriten, nämlich die Engländer und (nicht ganz so schlimm) die Franzosen. Diese auch offensiv  hochbegabten Mannschaften steckenfast schon in einem Zwangskorsett: vor allem hinten sicher stehen, und vorne auf einen Geniestreich warten der Hochbegabten, sei es Jude Bellingham oder Kylian Mbappé, Nase hin oder her. Das Traurige ist: Didier Deschamps und Gareth Southgate haben Erfolg mit ihrer Taktik, der an den zynischsten italienischen Catenacchio erinnert. Gott sei Dank sind die beiden Teams bisher die Ausnahme von der Regel. Wir sehen faszinierende Angriffskombinationen etwa der Georgier und vor allem auch der Deutschen. Und wer mich nur ein bisschen kennt: ich hab beim Fußball keine nationale Brille auf. Aber dieses Team, gerade mit den brillanten Offensivspielern Jamal Musiala und Florian Wirtz, macht schon Spaß. Und vor allem fantastische Weitschusstore sind die Kirsche auf der Torte
  2. Überwältigende Stimmung
    „Endlich ein Fußball-Fest“, habe ich getitelt. Nach der in dieser Hinsicht eher trostlosen WMs in Katar und auch Russland sowie der auch noch corona-geschädigten Paneuropa-EM wieder in ein Turnier in einem echten Fußball-Land. Schön in der Mitte des Kontinents, damit alle Fanscharen eine vergleichsweise kurze Anfahrt/Flug hatten. Die Folge sind umfassbar stimmungsvolle Partien mit begeisterten Fans, die, oh riesiges Wunder!, die Partien tatsächlich begleiten und nicht per furchtbar monotonen Sprechgesang ermorden. Wer hätte gedacht, dass es in der  Münchner Arena so laut zugehen kann wie gerade bei Serbien vs Slowenien. Großer Ärger über mich selbst, dass ich die möglichkeit eines Kartenerwerbs nicht genutzt habe. Bei manchen Spielen flog sprichwörtlich das Dach weg wie bei Türkei vs Georgien in Dortmund. Die Fans aller Länder haben riesigen Anteil am Fußballfest.
    Umso trauriger, dass die Fans Leidtragende der maroden Deutschen Bahn sind. Haarsträubende Geschichten von gestrandeten Fans in Bahnhöfen etc wg nicht fahrender Züge machen die Runde. Es sind Systemfehler als Folge eines jahrzehntelangen Verkehrsversagens seitens des Bundes und der Länder. Kaputtgespart: zu wenig Züge, zu wenig Personal, zu wenig Wartung – es ist eine veritable Schande, und ganz Europa schaut nicht nur erstaunt zu, sondern leidet aktiv mit.

 

         Sportlicher Ausblick

Leider ist das Format mit den 24 Teilnehmern suboptimal. Denn letztlich scheiden vor dem Achtelfinale nur 8 Teams aus, und schon nach dem 2. Spieltag dürften einige Teilnehmer fix die K.-o.-Runde erreicht haben. Gerade dieser unselige Rückgriff auf die 4 „besten Dritten“ ist fatal, weil hier nicht Vergleichbares verglichen wird mit dramatischen Auswirkungen, nämlich Weiterkommen oder Ausscheiden. Die Teams in einer sog. schweren Gruppe sind doppelt gestraft. Abhilfe? Macht doch gleich 32 Teams mit acht Vierrergruppen, und jeweils zwei tEams kommen weiter.

         Und sonst?

Ein paar Anmerkungen zum deutschen Team: Die erste Elf steht, und die muss keinen Vergleich scheuen. Was längst nicht heißt, dass sie jetzt auch in der K.-o.Runde durchcruisen. Aber gerade Musiala und Wirtz, aber auch Gündogan, Kroos und die Innenverteidiger Rüdiger und Tah lassen die Erwartungen hochschnellen.Und Mittelstädt ist die positive Überraschung auf der linken Abwehrseite.

Aber Manuel Neuer fehlt bei meiner Aufstellung?

Ja – gegen die herrschende, ja fast allgemeine Meinung hierzulande bin ich längst nicht überzeugt von ihm. Nehmen wir das gestrige Spiel gegen Ungarn. Geradezu hymnisch wurde Manuel Neuer gelobt, als er den scharfen Freistoß von Szobozlai abwehrte und auch den Nachschuss reaktionsschnell entschärfte. Doch das war kein „Unhaltbarer“ wie alle jubelten, sondern ein Ball, den ein guter Torwart wie Neuer einfach haben muss. Und zwar im Idealfall entweder festhält oder wenigstens nicht nach vorne abwehrt, wo ein Nachschuss droht. Gleiches haben wir dann kurz vor der Halbzeit beim (klaren) Abseitstor der Ungarn gesehen. Wieder eine Abwehr zurück ins Feld, wo dann ein Ungar abstauben konnte. Und der haarsträubende Fangfehler kurz vor Ende war anfängerhaft und nur wegen Kimmichs Rettungstat auf der Linie ohne Folge. Und was macht etwa die tz? Gibt die Note 1 (überragend). Auch fast alle anderen Medien überhöhen die Rettungstat zum Heldenepos (Unser Manu ist wieder der Alte) und bagatellisieren die Fehler. Manu unangreifbar, Kritik ist Gotteslästerung.
Nicht falsch verstehen: Jetzt ist es zu spät für einen Torwartwechsel. Augen zu und hoffen, heißt es für die deutschen Fans, ter Stegen hin ode her.

Was so übrigbleibt

Paukenschlag durch Terzic

Dass beim BVB beim Trainerthema nicht eitel Sonnenschein ist, hat sich herumgesprochen. Je nach Lesart hat Edin Terzic Stress nicht nur mit Mats Hummels, son dern mit einem Großteil der Mannschaft. Besser gesagt hatte, denn heute zog er die Notbremse und batum vorzeitige Auflösung des Vertrags, eine Bitte, der die Vereinsführung folgte. So lautet zumindest die offizielle Version, der ich jetzt bis zum beweis des Gegenteils erst mal glaube.
Ob Terzic mit seiner Demission einer Entlassung zuvorgekommen ist, bleibt also Spekulation. Tatsache ist, dass der Trainer das Team mit beeindruckenden ins Champions-League-Finale geführt hat, Tatsache ist allerdings eine unterschnittliche Bundesliga-Saison mit Platz 5, die nur wg der erfolgreichen deutschen Jahreswertung in internationalen Wettbewerben nächste Saison wieder für die Königsklasse reicht (allerdings auch dank des fleißigen Punktesammels der Dortmunder selbst). Doch der internationale Erfolg kaschiert den nationalen Frust, auch das Heim-Aus gegen den VfB Stuttgart im Pokal hat das Befinden nicht gerade gesteigert. Ich persönlich glaube, dass sogar ein CL-Triumph die Situation nicht wesentlich verändert hätte. Vielleciht wäre Terzic die für ihn schwierige Entscheidung (Herzensclub und so) sogar leichter gefallen.

Übernehmen soll jetzt Nuri Sahin, bereits im Winter zusammen mit Sven Bender als eine Art Aufpasser, Berater (sucht es euch aus) geholt wurde. Ein Novize, was verantwortliche Trainerposition betrifft. Kann gutgehen, muss aber nicht. Der Kader passt, zumal Mats Hummels jetzt keinen Grund mehr hat, den Club zu verlassen.
Apropos Hummels: Wenn dessen unverhohlene und öffentlich geäußerte Kritik an Terzic der Grund dafür ist, das Julian Nagelsmann auf ihn für die EM verzichtet, dann wäre das für mich nachvollziehbar. Ansonsten für mich eine völlig unverständliche Entscheidung nach dessen bärenstarken Leistungen gerade in der Königsklasse

Europäisches Leichtathletikfest

Das war die EM, die gestern in Rom zu Ende gegangen ist, trotz des oft mauen Zuschauerzuspruchs gerade in den ersten Tagen. . Passenderweise mit einem (knapp gescheiterten) Weltrekordversuch des schwedischen Überfliegers Mondo Duplantis mit dem Stab. Ich mag die EMs in Olympia-Jahren nichtt, aber was ich gesehen habe, war zum Teil schon stark. Herausragend neben Duplantis seien exemplarisch die Dreispringer Jordan Diaz (18,19) und Pedro Pichardo (18,04) genannt. Malaika Mihambo schaffte mit 7,22 Meter ihre zweitbeste je gesprungene Weite und hlte das einzige deutsche Gold. Und für mich der größte Paukenschlag waren die 44,15, die Alexander Boom über 400 Meter auf die Bahn trommelte. Das wäre vor einer Woche noch Europarekord gewesen.
Unfassb ar dominant waren die Italiener. Erwartetes Gold gab es für Geno Tamberi im Hochsprung und 100-Meter-Olympiasieger Marcell Jacobs über 100 Meter und in der Sprintstaffel. Doch einige Newcomer nutzten den Heimvorteil (der eigentlich keiner war). 11 goldene – Respekt und kleine Zweifel aufgrund zum Teil unglaublicher Leistungssteigerungen.
Die Organisatoren haben sich paar Neuigkeiten einfallen lassen. So kamen in den 1500-Meter-Halbfinals nur je 6 Läufer weiter, unabhängig von der Zeit. Finde ich sehr gut, denn 1500 Meter sind halt ein von Taktik geprägtes Rennen. Genau anders war es in den 100-Meter-Vorläufen. Neben den jeweils 10 Gesetzten kamen die 14 zeitschnellsten ins Halbfinale, unabhängig von ihren Laufplatzierungen. Der Nachteil der unterschiedlichen Windunterstützung wurde hier in Kauf genommen.
Völlig missglückt ist mE dagegen der Versuch, die 10000 Meter mitten ins Programm zu hieven. Gerade, dass parallel Hochspringer und Speerwerferinnen antraten, die bei ihren Anläufen auch die Bahn brauchen und extrem gestört wurden durch die zersplitterten Felder, war sehr unglücklich. Ein Tamberi wäre deshalb fast an 2,29 Metern gescheitert, weil er seine Versuche nicht und nicht starten konnte. Auch die Idee, den 10000-Meter-Europameister in zwei getrennten Läufen zu küren, muss dringend überdacht werden. Höfliche Umschreibung: Lasst den Unsinn bleiben!

Was die Leistungen weltweit wert sind, wird sich in knapp zwei Monaten bei Olympia zeigen. Ich habe den Eindruck, dass die Qualität besser wurde. Das liegt aber auch daran, dass viele in Amerika oder Afrika geborene Athleten ihr Glück bei einem euopäischen Verband suchen. Die daraus resultierende Buntheit der Felder gefällt mir sehr. Alle müssen nur aufpassen, dass es nicht so wird wie im Tischtennis, wo vor allem bei den Frauen eine Armada von asiatischen Spielerinnen startet, weil sie in China oder Südkorea keine Chance sahen.