Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio – das bedeutet: Der Kalender wird umgekrempelt, weil aufgrund der klimatischen Verhältnisse der Höhepunkt des Jahres erst ab Mitte September (und damit knapp einen Monat später als üblich) stattfinden kann. Dementsprechend unklar ist, wie die Stars der Szene noch darauf sind. Mal davon abgesehen, dass es ohnehin schwierig ist, echte Stars noch auszumachen. Am Samstag geht es also los, dank der Zeitverschiebung (Tokio ist 7 Stunden voraus) finden die Entscheidungen alle am (späten) Vormittag MESZ statt.
Rückblick 1991
Wenn ich an die WM 1991 zurückdenke, war die Zeitverschiebung geradezu ideal, obwohl ich schon in der Vorbereitung aufs 2. juristische Staatsexamen steckte (very long away, seufz). Der absolute Höhepunkt damals: das epische Weitsprung-Finale zwischen Mike Powell und Carl Lewis, mitkommentiert in der ARD von Lewis‘ Schwester Carole. Powell siegte mit dem immer noch gültigen Weltrekord von 8,95 Metern, Lewis blieb ebenfalls über der magischen Weite von 8,90 von Bob Beamon (windunterstützte 8,91). Eingebrannte Zahlen in meinem Gedächtnis ohne Nachschauen, ganz ehrlich. Auch das Sprintfinale der Männe mit 6 Läufern unter 10 Sekunden (und Sieger Carl Lewis mit 9,86/Weltrekord) ist mir in Erinnerung geblieben. Überhaupt liest sich die Männer-Siegerliste für alle (zumindest ältere) Leichtathletikfans wie ein Who is who (Pettigrew, Konchellah, Kiptanui, Bubka, Günthör, Riedel). Aber zumindest von mir längst vergessene (sagen wir: verdrängte) Größen (Matete, Austin, Foster)
Bei den Frauen schaffte Kathrin Krabbe das Sprint-Doppel 100 und 200 Meter jeweils vor Gewn Torrence und Melene Ottey), Grit Breuer (die dritte aus der Springstein-Trainingsgruppe, die später des Dopings überführt wurde). Auch hier eine grandiose Weitsprungkonkurrenz Jackie Joyner-Kersee mit 7,32 vor Heike Drechsler mit 7,29 und Heike Henkel zu Hochsprunggold (2,05).
Und 2025?
Im Jahr nach Olympia nimmt die Leichtathletik gefühlt ein bisschen Pause, zumindest bei mir. Das was ich bei den Diamond-League-Meetings gesehen haben, war durchaus hochklassig, hat mich aber nicht wirklich vom Hocker gehauen (was immer ich auch erwartet habe). Mal wieder die große Ausnahme: der unfassbare Stabhochspringer Mondo Duplantis, der mit seinen Weltrekordsprüngen mittlerweile bei 6,28 angelangt ist. In seinem Sog: der Grieche Emanuel Karelis, der jetzt regelmäßig die 6 Meter überspringt. Das Finale ist am Montag ab 13:10).
Natürlich sind die 100 Meter immer spannend: Am Sonntag die Finals bei Frauen (15:13) und Männern (15:20)
Bei den Frauen sind meine beiden Stars die 400-Meter-Läuferinnen Sidney McLauglin-Levrone und Femke Bol. Leider treffen die beiden nicht im direkten Duell aufeinander, weil McLaughlin diesmal über die flache Strecke unterwegs ist und Bol die Hürden bevorzugt. Vielleicht ein Treffen in Mixed- und Frauenstaffel?
Ein Top-Wettbewerb könnten die 100 Meter Hürden werden, wo Masai Russell, Tia Jones und Weltrekordlerin Tobi Amusan sich einen packenden Dreikampf um den Titel geben (bei guten Verhältnissen gar mit Weltrekord=12,12).
Die DeutschInnen
Nach dem medaillenlosen Debakel bei der WM 2023 in Budapest gab es immerhin viermal Edelmetall bei Olympia 2024.
Diese 4 Medaillen sollte erneut zu erreichen sein, wobei gerade in der Leichtathletik die Felder sehr viel ausgeglichener und stärker sind in den meisten Disziplinen als etwa im Rodeln. Mit dem bloßen Zählen von Gold, Silber und Bronze habe ich sowieso meine Probleme, aber sie sind halt die harte (und letztlich auch zähl- und zahlbare Währung). Aber eines lässt sich wohl prognostizieren: Die deutwschen Leichtathleten werden ein besseres Bild abgeben als 2023.
Mit Malaika Mihambo (Weitsprung) und Julian Weber (Speerwurf) sehe ich 2 (klare Weber) GoldfavoritInnen, die beide auf jeden Fall gut für eine Medaille sind. Das gilt auch für Zehnkämpfer Leo Neugebauer, dem meist eher früh im Jahr sehr starken US-Studenten behagt der späte Termin vielleicht noch weniger.
Sehr stark waren die deutschen Mittel- und Langstreckenläufer: Ob es allerdings gegen die afrikanische Übermacht vor allem aus Kenia und Äthiopien (auch ansonsten ist gerade hier die Konkurrenz enorm) wirklich zu einer Medaille reicht, glaube ich eher nicht. Ein günstiger Verlauf könnte bei diesen oft taktisch geprägten natürlich in die Karten spielen. Wobei es für jeden der Starter schon eine Top-Leistung wäre, die Endläufe zu erreichen. Sehr gespannt bin ich auf den jungen Hammerwerfer Merlin Hummel, dem ich hinter dem unangreifbar scheinenden Olympiasieger Ethan Katzberg alles zutraue (naja).
(Gute) Außenseiterchancen haben Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogonleye und die 3 Diskusstarterinnen Shanice Craft, Kristine Pudenz und Marieke Steinacker). Und die 2-Meter-Springerin Christina Honsel, vor allem wenn sie diese Höhe im 1. Versuch packen sollte.
Noch ein Wort zu Gina Lückenkemper, neben Mihambo die bekannteste deutsche Leichtathletin. Wenn sie gegen die amerikanische Macht aus den USA und Karibik den Endlauf erreicht, wäre das eine Top-Leistung. Wirklich toll wäre es halt, wenn sie auch mal bei einem Großereignis unter den 11 Sekunden bleiben würde. Und mit der Staffel hat sie sogar Chancen auf eine Medaille, wenn denn die Wechsel klappen …
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