Deutsche Fußballfrauen beamen uns zurück in die 80er-Jahre
Die Viertelfinali der Fußball-EM der Frauen sind gespielt, mit zum Teil bemerkenswerten Partien mit allem, was diese Sportart so faszinierend und (je nach Ansicht) wunderbar oder grauenhaft macht.
Ein Sieg der Leidenschaft und des Herzblutes
Ein Kapitel für sich schrieb die Partie Deutschland gegen Frankreich, die uns in längst vergangen geglaubte Zeiten zurückbrachte. Schon die Vorzeichen waren klar: Hier ein teilweise begeistendes Team von les Bleues, dort eine Mannschaft, die nach einem mehr als ernüchternden 1:4 in der Vorrunde gegen Schweden die Wunden leckte. Und spätestens nach dem vorsätzlichem Haareziehen von Kathrin Hendrich gegen eine französische Spielerin samt Rot und (recht glücklich) verwandeltem Elfmeter in der 13. Minute schienen alle Messen doch gesungen. Wer jetzt übrigens meint, Haareziehen sei typisch Frau, den verweise ich gerne auf eine Szene von vor einer Woche, als im Finale der Club-WM Joao Neves (PSG) Chelsea-Spieler Marc Cucuralla das gleiche Delikt beging. https://www.ran.de/sports/fussball/klub-wm/videos/fifa-klub-wm-cucurella-im-fokus-neves-sieht-rot-nach-haare-ziehen
Was dem langhaarigen Spanier nicht zum ersten Mal passierte.
Deutsche und Aufgeben?, denktste! Denn sie besannen sich wie zu besten Zeiten auf die deutschen Tugenden (die Dauer-Motzki Matthias Sammer schon vergessen glaubt) und lieferten einen tollen Kampf bis über die Schmerzgrenze hinaus. Eine schöne Ecken-Variante brachte das 1:1 durch Sjoeke Nüsken, und die Verteidigung wehrte alle Angriffe der Französinnen mit riesigem Herzen ab. Wobei es ihnen die bemerkenswert einfallslosen Gegnerinnen auch recht einfach machten. Glück kam hinzu bei zwei Abseitstreffern der Equipe tricolore (eines davon haarscharf). Auf der anderen Seite scheiterte Nüsken mit einem ganz schwachen Elfmeter und prolongierte die Serie von absurd schwachen Versuchen vom Punkte bei diesem Turnier.
Also Verlängerung, immer noch 10 gegen 11. Die gefährlichste Szene der Französinnen entschärfte die deutsche Schlussfrau Ann-Katrin Berger mit einer Monsterparade, als sie eine veunglückte Kopfball-Abwehr von Janina Minge von der Linie kratzte: sicher der beste Save des Turniers und vielleicht einer der besten in der EM-Geschichte (Männlein und Weiblein).
Mit etwas Glück (eine Französin traf in der Schlussminute der Verlängerung nur die Oberkante der Querlatte, an die Berger den Ball guckte) retteten sich die Deutschinnen ins Elfmeterschießen, und dort avancierte Berger endgültig zur Matchwinnerin. Nicht nur hielt sie 2 Versuche, sondern sie traf auch selbst vom Punkt, als sie selbstbewusst als 5. Schützin antrat und eiskalt verwandelte. Offen bleibt nur, ob ihr die auf einer Trinkflasche aufgemalten Hinweise halfen (Wer dachte da nicht an Jens Lehmanns Zettel 2006 gegen Argentinien, der im Fußball-Museum ausgestellt ist). Und wie es sich für ein deutsches Team im Elfmeterschießen gehört, waren die Schützinnen fast unfehlbar. Sechs verwandelten souverän, nur die extra dafür eingewechslte Sara Däbritz wollte es zu gut machen und zielte etwas zu hoch. Die französische Torhüterin jedenfalls berührte keinen Ball (außer, wenn sie ihn aus dem Tornetz holte).
So viele Parallelen zu den 1980ern und vor allem zur Nacht von Sevilla 1982, als die deutschen Männer sich gegen eine vermeintlich übermächtige Equipe Tricolore durchsetzten. Wieder diese unfassbare Leidenschaft, eine glänzenden Torfrau (die allerdings nicht der Gegnerin die Zähne ausschlug wie einst Toni Schumacher Patrick Battiston. Wobei: Haareziehen ist auch nicht die feine Art).
Apropos Haareziehen: Ich hatte riesiges Vegnügen in einem anderen Blog die Partie zu verfolgen, wo alle denkbaren und undenkbaren Haarwortspiele gemacht wurden. Mir persönlich fiel sofort „Asterix der Gallier“ ein, als der gefangenengenommene Miraculix den Römern statt des Zaubertranks ein Haarwuchsmittel braute (samt tausend Sprüchen über Haare).
Zurück zum Spocht: Die Deutschinnen treffen am Mittwoch auf den klaren Favoriten Spanien. Tags zuvor duellieren sich England und Italien
Elfmeterschießen aus Absurdistan
Und damit bin ich bei der 2. bemerkenswerten Viertelfinal-Partie, genauer gesagt, dem Elfmeterschießen zwischen England und Schweden, das nach dem 2:2 nach Verlängerung (die Schwedinnen hatten schon 2:0 geführt) nötig wurde. Ich kann es nicht anders sagen: Ein schlimmeres Duell vom Punkt habe ich noch nie gesehen. Nicht nur, dass nur 5 von insgesamt 14 Schüssen erfolgreich waren, sondern viel mehr die (Entschuldigung!) mehr als dilettantische Art, wie zahlreiche Versuche derart schwach in die Hände der gegnerischen Torfrau geschoben wurde, kaum dass der Ball die Torlinie erreicht hätte, ließ mich mehr und mehr staunend und (ich gebe es zu) laut lachend zurück. Zur tragischen Heldin avancierte die schwedische Torfrau Jennifer Falk: Die hielt zwar vier Elfer, versagte aber selbst vom Punkt, als sie den Ball bei ihrem Versuch, der das Match zu Gunsten Sverige entschieden hätte) weit übers Tor drosch.
Am Ende durften also die Engländerinnen jubeln trotz ihrer England-typischen 4 Fehlversuche im Elferschießen.
Viertelfinale
Norwegen – Italien 1:2
Das entscheidende Tor erzielte die Squadra Azzurra eine Minute vor Schluss
Schweden – England 5:4 n. E.
Spanien – Schweiz 2:0
Lange wehrte sich die Gastgeberinnen gegen übermächtige Ibererinnen, doch zwei fein herausgespielte Treffer entschieden das Spiel zugunsten der Spanierinnen um die brillanten Bonmati und Putellas
Frankreich – Deutschland 6:7 n. E.
Halbfinale
Di., 21:00: England – Italien in Genf/ZDF und DAZN
England ist Titelverteidiger und hat sich von Spiel zu Spiel gesteigert. Italien steht zum ersten Mal seit 28 Jahren in einem EM-Halbfinale
Mi., 21:00: Spanien – Deutschland in Zürich/ARD und DAZN
Bei Olympia 2024 setzte sich das deutsche Team im Spiel um Platz 3 mit 1:0 durch
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