Das Warnlämpchen blinkte kräftig am Tag vor dem Aus. Da kam nämlich der erklärte Mitfavorit um den alternden Weltstar Marta nicht über ein 0:0 gegen Jamaika hinaus; statt der Selecao zogen die Reggae Girlz ins Achtelfinale ein, was Reggae-Ikone Bob Marley auf seiner Wolke 7 im Himmel sicher sehr erfreut haben dürfte.
Es war schon lange klar: Es gibt keine Kleinen mehr, die Partie der Deutschen gegen Südkorea würde also kein Selbstgänger sein, und doch spürte man überall großen Optimismus, diese Hürde schon zu überstehen. Wie wir jetzt wissen, entpuppte sich diese Annahme als Irrtum und die Hürde als zu hoch.
Klar, mit ein bisschen Spielglück hätten die Deutschen gewinnen können, sogar gegen durchaus beachtliche Südkoreanerinnen, die viel besser spielten als in ihren beiden Spielen zuvor, als sie punkt- und torlos blieben. Aber eines war auffällig: Gegen gut verteidigende Mannschaften tut sich das deutsche Team extrem schwer. Spielerische Akzente oder gar fließende Kombinationen, die einen Abwehrverbund aushebeln können, sucht man vergeblich, und irgendwann klappt dann auch das bewährte Mittel „Flanke hoch in den Strafraum, Kopfball Popp“ nicht mehr nach Belieben, sondern war nur ein Mal erfolgreich – zu wenig, weil gleichzeitig Marokko recht überraschend gegen Kolumbien gewann und die Deutschen noch vom zweiten Platz verdrängte.
Und damit wären wir beim 6:0 zum Auftakt gegen eben dieses Marokko. Der hohe Sieg kaschierte die Schwierigkeiten, die die Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg auch in dieser Partie in der ersten Halbzeit hatte. Und es verdrängte die zum Teil furchtbaren Testspiele im Vorfeld der WM, als eben die Schwächen, die letztlich zum Aus führten, zu beklagen waren: eine wahrlich nicht sichere Innenverteidigung und mangelnde Kreativität und oft auch taktisches Unverständnis. Hier sind gewisse Parallelen zu den Männern unverkennbar. Das grundsätzliche Ausbildungssystem gehört längst auf den Prüfstand.
Bestimmt war das Voss-Tecklenburg nicht entgangen, aber trotz vieler Mahnungen fehlte es den Akteurinnen im zweiten Spiel gegen Kolumbien an Gelassenheit, die Spielerinnen wurden etwas übermütig. Statt in der Nachspielzeit das 1:1 zu halten, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fürs Achtelfinale gereicht hätte, drängte man mit aller Gewalt auf das Siegestor, das allenfalls Statistiker erfreut hätte, sonst aber ohne große Bedeutung gewesen wäre. Prompt fing sich das Team nach einem blitzsauberen Konter und abschließender Ecke ein völlig überflüssiges Gegentor und die Niederlage ein, was den Grundoptimismus allenthaben nicht wirklich etwas anhaben konnte. Oder war der beim Team nur gespielt?
Vielleicht wurde es den Spielerinnen nämlich auch alles zu viel: der Hype um das Team, die – immer noch für viele ungewohnt – riesige mediale Aufmerksamkeit. Und nicht zuletzt die Bitte, ja Aufforderung, die „Mädels“ mögen doch bitte den deutschen Fußball retten nach dem deprimierenden Vorrunden-Aus der deutschen Männer vor gut einem halben Jahr in Katar und vier Jahre zuvor in Russland, das damals ebenfalls im entscheidenden Spiel gegen eine südkoreanische Mannschaft besiegelt wurde. Die unglaubliche Nervosität vor allem zu Beginn der Südkorea-Partie mag ein Beleg dafür sein.
Was jetzt unbedingt notwendig ist: eine seriöse Aufarbeitung, was in Australien schlechter lief als vor einem Jahr bei der EM, als das Team erst im Endspiel von England im Wembleystadion geschlagen wurde. Das grundsätzliche Können und auch die zunehmend professionellen Strukturen in den Vereinen sind ja vorhanden, wie der Finaleinzug bei der EM vor einem Jahr auch der Einzug des VfL Wolfsburg ins Champions-League-Finale beweist. Die Wölfinnen stellten ja einen Großteil der Mannschaft. Für die Verantwortlichen gilt es jetzt, bei aller berechtigten Kritik nicht alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Gerade Fußball wird, wie kaum eine andere Sportart, von Unwägbarkeiten, ja Zufälligkeiten beeinflusst. Ein Pfostenschuss hier, ein knappes Abseits dort – und schon sieht die Sache ganz anders aus – man frage die die Unglücksrabin aus Portugal, die in der Nachspielzeit gegen die USA nur den Pfosten traf, der das Aus des Titelverteidigers verhinderte. Andererseits sich nur auf das beliebte „hätte, wenn …“ oder Verletzungspech berufen, ist der Sache nicht dienlich. Hier ist der DFB gefragt, und man kann nur hoffen, dass er jetzt ein besseres Krisenmanagement führt als nach dem Männer-Desaster in Katar. Die schon geäußerte Selbstkritik von Voss-Tecklenburg, ist dabei ein erfreuliches erstes Zeichen. Ob sie dann wirklich die radikale Konsequenz zieht und ihren Hut nimmt, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen.
Vielleicht ebbt der Hype jetzt etwas ab, der vielen auf den Geist ging, die mit Frauenfußball immer noch nichts anfangen können und jetzt mit Wonne lästern. Schade wäre es allerdings, wenn das Grundinteresse, das in den vergangenen Jahren auch hierzulande kontinuierlich stieg, abflauen würde. Das Spiel der Frauen wird immer attraktiver, das zeigte und zeigt die WM, die jetzt in die entscheidende Phase einbiegt. Wenig nützlich sind dabei allerdings die ewigen Vergleiche mit den Männern; die Frauen spielen ihr eigenes Spiel – und das ist (meistens) gut so, wenn auch nicht fürs deutsche Team im australischen Winter.
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