Sinners Aufgabe mit Ansage

Jannik Sinner kam voller Selbstvertrauen zum letzten Masters-Turnier der Saison nach Paris. In einem grandiosen Finale hatte er am Sonntag in Wien Daniil Medwedew bezwungen. Doch ein Blick auf den Spielplan von Mittwoch ließ schon Böses erahnen. Insgesamt 6 Partien, davon 2 in einer gesonderten Abendveanstaltung, hatten die Pariser Veranstalter angesetzt. Dass es spät werden würde, war also ziemlich klar, und es bestand die Mötlichkeit, dass es sehr spät werden würde.

Und es wurde sehr spät, weil zuvor zwei der fünf vorher angesetzten Spiele mehr als drei Stunden dauerten und die sogenannte Day-Session erst kurz vor 10 beendet war. Dann musste die Zuschauer die Halle verlassen für diejenigen, die die Abend-Session gebucht hatten. Die 5. Partie zwischen Holger Rune und Dominic Thiem begann erst um 22.30 Uhr und war gegen Mitternacht beendet. Erst danach trat Sinner gegen McDonald an. Zu diesem Zeitpunkt übrigens stand schon fest, dass der Sieger der Partie am Donnerstag so gegen 17 Uhr antreten werde. Kurz vor halb 3 hatte Sinner in drei Sätzen nach etwas mehr als zwei Stunden gewonnen, doch schon da ließ er anklingen, dass sein Start zum Achtelfinale gegen Alex de Minaur noch nicht gesichert sei.

Und es kam, wie es kommen musste. Heute gegen Mittag gaben die Turnierveranstalter den Rückzug von Sinner bekannt. Er wolle mit den Kräften haushalten im Hinblick auf das ATP-Finale in Turin, also seiner italienischen Heimat, und den folgenden Davis Cup. Denn nach so einem Match kommt der Körper nicht sofort zur Ruhe, an Schlaf ist wahrscheinlich frühestens zwei Stunden nach dem Matchball zu denken, das waren also dann knapp 12 Stunden vor der nächsten angesetzten Partie.

Sehenden Auges haben die Veranstalter einen der derzeit heißesten Spieler der Tour aus dem Turnier geworfen. Die späten Startzeiten sind schon länger ein Thema. Im vergangenen Jahr war auch Sascha Zverev ein Leidtragender, der nach einem sehr späten Halbfinale in Barcelona völlig übermüdet gegen Carlos Alcaraz im Endspiel ohne Chance war. Und in Paris war am Montagabend die Partie zwischen Dominic Thiem und Stan wWawrinka auch erst weit nach 2 Uhr nachts beendet. Die Spieler meckern schon lange, doch die egomanischen und geldgierigen Veranstalter setzen sich hinweg und machen, was sie wollen. Das ist menschenverachtend, und dient auch der Sache nicht. Weder den Zuschauern, die ganz spät in der Nacht nicht wissen, wie sie heimkommen, noch den Zuschauern, die dann eine entweder völlig einseitige oder eben gar keine Partie wegen Müdigkeit oder eben der Absage sehen.

Was wäre also eine Lösung? Das Problem liegt schon mal darin, dass ein Hallenturnier oft über höchstens zwei Plätze verfügt  Wenn ein Turnier wie das in Paris nur eine Woche lang dauert, aber 56 Teilnehmer hat, dann müssen insgesamt 55 Einzelspiele und auch noch 15 Doppel  innerhalb von sieben Tagen absolviert werden. Ein Spieler, der erst am Mittwoch ins Turniergeschehen eingreift, muss bis zum Endspiel an jedem Tag antreten. Es gibt keine Ausweichmöglichkeiten. Wobei es vielleicht für einen Spieler sogar besser wäre nach einer einigermaßen ausgeschlafenen Nacht zwei Spiele an einem Tag zu bestreiten, was im Freien wegen Regenunterbrechungen ja immer wieder passiert. Aber 6 Spiele an einem Tag auf einem Court mit Spielbeginn 11 Uhr (warum eigentlich nicht wenigstens 10 Uhr?) anzusetzen, ist einfach nur Wahnsinn. Es müsste eine Regel von ATP oder auch WTA geben, die verbietet, dass Spiele nach 23 Uhr erst beginnen. Und vielleicht lässt sich ein Hallenturnier mit 56 Teilnehmern eben nicht innerhalb von nur einer Woche stemmen. Klar, je mehr Teilnehmer, desto mehr Profis bekommen was vom reichhaltigen Preisgeld ab, aber es gibt eben Grenzen.