Zwei zumindest in der Schlussphase ziemlich aufregende Halbfinals sind gestern und heute bei der Frauen-WM gespielt worden. Und durchgesetzt haben sich die Teams, die ich am Ende leicht favorisiert habe. Wobei es sowohl bei Spanien vs Schweden als auch bei Australien vs England auch anders herum hätte laufen können.

Spanien vs Schweden 2:1

Lange Zeit war es ein Abtasten. Kein Team wollte ins offene Messer laufen, die Stärken des Gegners wirkten sich fast lähmend auf die Aktionen aus. Echte Chancen kamen lange nicht zu Stande. Es war das die kurz zuvor eingewechselte Paralluelo – für die ziemlich blasse Putellas – die bei den Spanierinnen für frischen Wind sorgte. und fast folgerichtig die Führung erzielte. Erst jetzt legte Sverige die Fesseln ab und brachte die gegnerische Abwehr gehörig durcheinander. Der Ausgleich von Blomquist entsprach dem Spielverlauf.

Und dann entschied eine ziemlich unerklärliche Unachtsamkeit von Schweden die Partie. Bisher so sicher bei gegnerischen Ecken, „vergaßen“ sie Carmona am Strafraumeck, die die bisher so starke Torhüterin Mukovic mit einem Sonntagsschuss via Querlatte bezwang. War er haltbar? Ich will es nicht komplett ausschließen, aber die Tore sind halt verdammt groß für die vergleichsweise kleinen Keeperinnen.

Australien vs England 1:3

Das war die beste Turnierleistung der Lionesses, die sich auch von der Riesenkulisse in Sidney nicht beeindrucken ließen. Von Beginn an hatten sie die Initiative in der Hand, kamen auch zu einigen Chancen, die sie aber zunächst nicht nutzen konnten. Australien hatte dem nur großen Kampfgeist entgegenzusetzen. Die erstmals von Beginn an agierende Sam Kerr konnte zunächst keine Akzente setzen. Die Führung von Toone von der Strafraumkante war die verdiente Führung der Engländerinnen.

Nach der Pause kam Australien mit neuem Elan und verstärktem Druck besser ins Spiel, und eine grandiose Einzelleistung von Kerr samt fantastischem Abschluss ins Kreuzeck brachte den Ausgleich und die Fans schier in Raserei. Das Spiel wogte hin und her mit Chancen auf beiden Seiten, dann brachte ein übler Abwehrpatzer von Carpenter die Vorentscheidung für die Lionesses. Sie war zu unentschlossen und brachte den Ball nicht weg, Hemp ließ sich nicht lange bitten und schob überlegt zur Führung ein. Australien drängte noch mal vehement, vergab aber durch Vine und Kerr beste Chancen, ehe Russo nach feinem Steckpass von Hemp für die Entscheidung sorgte.

Jubel hier, Trauer dort, so ist das halt im Sport

Also England vs Spanien am Sonntag abermals in Sidney. Ich wage keine Vorhersage. England wirkte sehr abgezockt, und Trainerin Sarina Wiegman hat noch für jede Gegnerin die passende Taktik gefunden. Zurückkehren nach ihrer Rotsperre wird Laura James, und man darf gespannt sein, wen Wiegmann herausnimmt, wenn überhaupt. Für die holländische Trainerin ist es die vierte Endpielteilnahme bei einem großen Turnier in Folge. Zuvor wurde sie mit Holland Europameisterin 2017 und Finalistin bei der WM 2019. Mit England triumphierte sie 2022 im Finale gegen Deutschland. Spanien hat sich dagegen als spielstärkste Mannschaft etabliert mit vielen Möglichkeiten in der Offensive, die nie so ganz auszuschalten ist. Und wenn dann Putellas auch noch in Fahrt kommt …

Tags zuvor gibt es noch das Spiel um Platz 3 zwischen Australien und Schweden. Beide Teams versichern, dass sie sich mit einem Sieg aus dem Turnier verabschieden wollen, aber die Schwedinnen wollen wahrscheinlich nur noch heim. Immerhin: 2011 und 2019 gewannen sie das Spiel um Platz 3, das damals aber auch für die Olympia-Quali von Bedeutung war. Gerade die Australierinnen wollen daheim für einen für einen schönen Abschluss sorgen und die Fußballbegeisterung im Land aufrechterhalten. Das Ganze erinnert mich ein bisschen an die Männer-WM 2006 in Deutschland, als das Heimteam Deutschland es einfach mehr wollte als Portugal. Deshalb würde ich die Matildas leicht favorisieren.

Mit Gustavsson (Australien) und Gerhardsson (Schweden) kommt es zu einem schwedischen Trainerduell, was immer das bedeuten mag.