Die Frauen-WM geht mit Halbfinale morgen und am Mittwoch  in die entscheidende Phase, und es steht fest, dass am Sonntag eine neue Titelträgerin die Trophäe in Empfang nehmen kann. Eine klare Favoritin hat sich für mich nach dem bisherigen Turnierverlauf nicht herauskristallisiert. Alle vier Teams haben ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen. Das versuche ich jetzt zu analysieren. Die Reihenfolge ist keine Wertung.

Spanien

Es ist wahrscheinlich die spielstärkste Mannschaft des gesamten Turniers mit glänzenden Einzelkönnerinnen wie Bonmati und Redondo sowie die pfeilschnelle Siegtorschützing gegen Holland Paralluelo (was für ein schöner Name), die auch vor einer verheißungsvollen Sprinterkarriere stand, bevor sie sich für Fußball entschied. Nicht zu vergessen die Weltfußballerin Putellas, die meist eingewechselt wird und für neuen Schwung sorgt. Dagegen scheint die Abwehr manchmal etwas leichtfertig und anfällig für Konter zu sein.

Schweden

Die körperlich wohl stärkste Mannschaft der verbliebenen Teams. Und sie haben mit Musovic die beste Torhüterin des Turniers, die sowohl die USA und Turnierfavorit Japan zur Verzweiflung gebracht hat. Eine weitere Stärke sind neben ihrer mannschaftllichen Geschlossenheit die stets gefährlichen Standards, wo Ilestedt eine zuverlässige Abnehmerin ist, die bereits viermal getroffen hat und als Abwehrspielerin tatsächlich die Torschützenwertung gewinnen könnte. Das kaschiert eigene Schwächen im Spielaufbau. Gerade die Partie gegen die USA wurde zur reinen Abwehrschlacht, die Nummer Glück überstanden wurde.

Ausblick auf die Partie Spanien vs Schweden (morgen 09.30)

Spanien hat es in der eigenen Hand, wenn sie ihr Offensivspiel ins laufen bringen, können sie die schwedische Abwehr in Not bringen. Wenn sie dann doch besser abschließen als die USA und Japan … Auf der anderen Seite kann Schweden jederzeit damit rechnen, nach einer Ecke oder so zum Erfolg zu kommen. Und Musovic ist ein echter Faustpfand. Und Selbstvertrauen müssten die Skandinavierinnen nach den Erfolgen gegen die vermeintlichen Turnierfavoriten genug haben.

Mein Verstand würfelt noch, mein Herz schlägt für Spanien

England

Als amtierende Europameisterin haben die Lionesses die größte Erfahrung in der Endphase eines Turniers. Und auch wenn sie spielerisch nicht immer überzeugt haben – man muss sie erst einmal schlagen. Trotz der vielen Ausfälle gibt es noch genug Klasse auf dem Feld wie Bayern-Legionärin Standway, die Antreibern im Mittelfeld, Bronze und Russo. Gerade die Kolumbianerinnen haben aber gezeigt, dass man mit schnellen technisch hochwertigem Spiel gegen England zu Chancen kommen kann: Die muss man dann halt nutzen.

Australien

Spätestens jetzt ist Euphorie im ganzen Land. Und diese Euphorie beflügelt die Matildas, die sich im Turnier nach einem ziemlichen Stotterstart klar gesteigert haben. Natürlich hatten sie in der Elferlotterie vs Frankreich auch das nötige Glück, aber das braucht jede Weltmeisterin (und auch jeder Weltmeister) im Laufe eines Turniers. Und die nötige Nervenstärke im Elfmeterschießen haben sie auch gezeigt, als Gorry, Yallup und Carpenter treffen mussten und es auch mehr oder weniger glücklich schafften..

Die Wundertüte heißt weiterhin Sam Kerr. Australien hat den Ausfall ihres absoluten Superstars überraschend gut weggesteckt, und vor allem in der Partie gegen Frankreich hat sie nach ihrer Einwechslung gezeigt, dass sie dass Spiel noch einmal beleben kann.

Ausblick England vs Australien

Es wird eine fantastische Stimmung sein in Sidney vor mehr als 75 000 Zuschauern. Natürlich genießen die Aussies Heimvorteil, aber England hat im Viertelfinale gegen Kolumbien gezeigt, als der Großteil der Zuschauer die Südamerikanerinnen anfeuerten, dass sie mit der Atmosphäre zurechtkommen, zumal diese nie in Feindseligkeit ausartet. Für Australien spricht die Euphorie und der Umstand, dass sie mit der größtmöglichen Drucksituation schon fertig geworden sind. England hat dagegen den unbedingten Siegeswillen und insgesamt die besseren Einzelkönnerinnen auf dem Platz stehen.

Mein Verstand neigt eher zu England, mein Herz umso klarer zu Australien.

Schaun mer mal.