Jeden Drehbuchautor hätte man mit einem solchen Ende vom Hof gejagt. Ein Elfmeter von Lina Hurtig entschied ein ohnehin schon skurriles Elfmeterschießen zwischen Titelverteidiger USA und Schweden zu Gunsten der Skandinavierinnen. Ihren Schuss konnte US-Torfrau Alissa Naeher zwar berühren, aber in einer irren Effetkurbe drehte sich der Ball in Richtung Torlinie. Mit bloßem Auge war nicht zu erkennen, ob er sie mit vollem Umfang wie von den Regeln gefordert die Linie überschritten hatte. Doch es gibt ja die Torlinientechnik, die Schiedsrichterin Stephanie Frappart in Anspruch nahm. Relativ schnell entschied sie auf Tor, und Hurtig machte ihrem Namen alle Ehre und raste von ihren Mannschaftskolleginnen verfolgt jubelnd übers Feld. Als besagte Szene über die Bildschirme flimmerte, war klar: Es war eine Millimeter-Entscheidung, und hoffentlich haben sie die Kameras auch gut kalibriert. Gott sei Dank hab ich das nicht entscheiden müssen. Die Szene erinnerte mich an den legendären Penaltyschuss des deutschen Eishockeyspielers Peter Draisaitl, als sein Versuch bei Olympia 1992 gegen Kanada vom Torhüter gestoppt wurde, der Puck Sekunden lang auf der Torlinie tanzte, aber eben dort liegen blieb.

Dass die Schwedinnen überhaupt ins Elfmeterschießen gekommen waren, hatten sie ihrer Torfrau zu verdanken. Zesira Musovic zeigte die bisher beste Torhüterleistung des Turniers, blieb fehlerlos und hielt unter anderem herausragend den Direktschuss von Sophia Smith ab und gegen die freistehende Alix Morgan. In der Offensive enttäuschte Schweden. Naeher war stets bei den gefürchteten Standards und auch beim einzig gefährlichen Torschuss von Sofia Jakoben zur Stelle.

Es kam also zum Elfmeterschießen, in dem Muhovic keinen einzigen Versuch auch nur berühren konnte. Ihr der Schwedinnen Glück war, dass Megan Rapinoe, Smith und die eigens für die Penalty-Entscheidung eingewechselte Kelley O´Hara das Ziel verfehlten. Da blieben die Fehlversuche von Björn und Blomqvist letztlich folgenlos. Bitter für die US-Ikone Rapinoe, die ziemlich sicher ihr letztes großes Turnier bestritt. Andererseits hat sie in ihrer Karriere genug gewonnen, wenn auch nicht den Respekt von Donald Trump.

Für die Schwedinnen geht es hingegen weiter – im Viertelfinale am Freitag gegen Japan. Sie werden sich gehörig steigern müssen, denn die bisher so glänzend auftrumpfenden Asiatinnen dürften das Tor besser treffen als die USA – bisher war das 14-mal der Fall.

Auch im zweiten Achtelfinale heute zwischen den Niederlanden und Südafrika wurde die Torfrau zur Spielerin der Partie gewählt, und das war die Holländerin Daphne van Domselaar, die eine Art Privatduell gegen die bärenstarke Thembi Kgatlana für sich entschied und eine weitere Turnierüberraschung verhinderte. Immer wieder rettete sie in höchster Not gegen die glänzende Angreiferin. So reichte Oranje eine durchschnittliche Leistung. Jill Roard und Tiisetso van de Donk nach einem furchtbaren Torwartfehler Kaylen Swart trafen.

Holland trifft ebenfalls am Freitag im Vietelfinale auf Spanien. Auch sie werden sich erheblich steigern müssen, doch ich rechne jetzt mit einem Halbfinale Japan gegen Spanien.