Eigentlich sollte mich nach 60 Jahren Bundesliga, sie ist damit übrigens genau vier Tage älter als ich, falls das irgendjemanden interessiert, nichts mehr überraschen. Aber dann gibt es eben doch Meldungen, die mich umhauen. Wie die von gestern, als der RB Leipzig in fünf dürren Worten vermeldete, dass er sich von Sportdirektor Max Eberl getrennt habe. Und diese Meldung haut der Club einen Tag vor der wegweisenden Partie gegen Bayern München raus. Das muss man erst mal schaffen. Und dass man es nicht einmal für nötig befunden hat, Trainer Marco Rose diesen Schritt mitzuteilen, bevor er es im Internet lesen durfte, spricht für sich.

Die Trennung an sich kam jetzt gar nicht sooo überraschend für diejenigen, die die vergangenen Wochen verfolgten. Die Verantwortlichen waren nicht zufrieden mit der Arbeitsauffassung von Eberl, der sich angeblich zu oft in seinem schmucken Häuschen mit seiner Freundin in München aufhielt und manchmal erst um 10 (!) im Vereinsgelände auftauchte. Als ob es sich in Leipzig immer noch nicht herumgesprochen hat, dass es Telefon, Skype etc gibt, dass es also einem Spielervermittler in, sagen wir Marseille, völlig egal ist, ob der Gesprächspartner in München, Leipzig oder Timbuktu ist.

Ich hätte nie gedacht, einmal Helmut Kohl zu zitieren: Aber wichtig ist, was hinten raus kommt. Und da ist es Eberl und seinem Team in der Sommerpause gelungen, trotz der Abgänge von absoluten Leistungsträgern wie Nkunku, Szobozlai und Guardiol ein schlagkräftiges, ja unter Umständen sogar bundesliga-titelreifes Team zusammenzustellen; das nota bene, die Bayern im Supercup mit 3:0 zertrümmerte.

Man warf Eberl vor, sich nicht genug zum Verein zu bekennen. Wobei „Verein“ RB Leipzig ohnehin absurd klingt mit seinen nicht mal 1000 Mitgliedern, von denen gerade 20 stimmberechtigt sind. Außerdem sind diese Bekenntnisse ohnehin das Papier nicht wert. Ich erinnere mit Grausen an Falko Götz, der damals bei der Vorstellung als Trainer bei 1860 sagte, er sei glücklich bei seinem absoluten Lieblingsverein zu landen. Leere Worte

Jedem war klar, dass der Herzensverein von Eberl seit Kindesbeinen die Bayern sind. Okay, das Verhältnis zu RedBull-Impressario Oliver Mintzlaff war wohl nicht das Beste, aber Freundschaften auf der Führungsebene sind dann doch eher die Ausnahme wie zurzeit etwa in Heidenheim. Wichtig ist eine konstruktive ZUsammenarbeit, in der man durchaus mal auch unterschiedlicher Auffassung sein darf. Vielleicht hat es auch da geknarzt, aber doch  nicht unüberwindbar

Doch zurück zum Ausgangspunkt, dem irrsinnig anmutenden Zeitpunkt. Warum wartet man, wenn man Eberl schon unbedingt rausschmeißen will, nicht die Partie gegen Bayern ab? Hatte man Angst vor einem Sieg, der den Rauswurf dann doch ziemlich unverständlich machen würde? Vielleicht hat es ja tatsächlich einen aktuell-konkreten, handfesten Anlass gegeben, den allerdings blieb uns RB bisher schuldig.

Was bleibt, ist eine völlig unnötige Aufregung vor einer Partie, die der ganzen Konzentration bedarf. Und mir kann keiner erzählen, dass das die Spieler die vergangenen Stunden nicht extrem beschäftigt hat. Da sind ja immerhin einige Profis, die Eberl im Sommer verpflichtet hat mit Worten wie: „Hier kannst Du Dich entfalten, besser werden. Ich vertraue Dir.“ Und jetzt müssen diese Spieler erstens mitansehen, wie schnell das mit einem Rauswurf gehen kann und müssen sich zweitens Gedanken machen, ob der Nachfolger ebensolches Vertrauen hat. Das alles lenkt ab, und wenn es nur diese zwei Prozent sind, die am Ende fehlen.

Ich war dem Konstrukt RB bei aller Kritik immer recht aufgeschlossen, gönne als langjährig in Frankfurt (Oder) gelebt habend dem Osten und gerade Leipzig einen zumindest nationalen Spitzenverein. Aber alle Hater haben jetzt wieder neue Nahrung gefunden.

Ich habe übrigens eine ganz einfache Erklärung für den Rauswurf: Max Eberl hat sich geweigert, das widerliche Gesöff Red Bull in der Öffentlichkeit zu sich zu nehmen. Das ist die wahre Verbundenheit gewesen, die gefehlt hat.