Was vom Super Bowl übrigbleibt

Die Schlacht ist geschlagen, die Kansas City Chiefs haben das Kunststück geschafft und den Titel durch den 25:22-Erfolg in Las Vegas über die San Francisco 49ers verteidigt. Das schafften zuletzt die New England Patriots mit Quarterback-Legende Tom Brady. Ich will mich und euch jetzt am späten Montagabend nicht lange mit Spielberichten aufhalten. Ein paar Dinge sind (wahrscheinlich nicht nur) mir jedoch aufgefallen. Okay, es ist doch etwas länger geworden …

Das Rekordspiel

Lange hats gedauert, sehr lange, ja so lange wie noch nie ein Super Bowl zwischen Kick-off und dem entscheidenden Touchdown respektive Ende der Spielzeit. Mehr als 4 Stunden, in Deutschland war es kurz vor 5 Uhr morgens, als Patrick Mahomes drei Sekunden vor Schluss der Overtime den entscheidenden Wurf auf Mecole Hardman ansetzte. Der fing sogar den Ball, das war nicht schwer, aber angesichts der unzähligen Drops, also Nicht-Fänge fangbarer Bälle, die die Ballempfänger der Chiefs sich diese gesamte Saison leisteten, dennoch bemerkenswert. Dass Hardman und nicht Travis Kelce, der Boyfriend der sagenhaften Taylor Swift, den entscheidenden Ball fing, belegt die Tatsache, dass es kein Scripted Game war, wie Veschwörer schon länger vermuten.

Der Wichtigste (?!)

Neben dem Super-Bowl-Sieger steht auch die Wahl zum MvP, also den wertvollsten Spieler der Partie im Fokus. Diese gewinnt grundsätzlcih jemand aus dem Siegerteam, und dieser Jemand ist meistens der Quarterback. Folgerichtig wurde Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes MvP, zum dritten Mal beim dritten Sieg der Chiefs mit ihm. Klar, der Quarterback ist bestimmt die wichtigste Person bei einem Football-Team auf dem Feld. Und nimmt man allein seine Leistung in der Overtime zur Grundlage, als er mit neun Pässen bei neun Versuchen plus zwei tollen Läufen jeweils zu first Downs bis ins gelobte Land führte, brauchen wir über die Wahl nicht zu reden.

Und dennoch bin ich mit der Wahl nicht glücklich, und ich versuche das zu begründen.

– Mehr als zwei Viertel war es für ihn eine bestenfalls durchschnittliche Partie von Mahomes. Er warf dabei eine haarsträubende Interception, und auch sonst hatte er gegen die fulminante 49ers große Schwierigkeiten, Lücken zu finden.
– Gerade bei diesem Spiel, in dem die Abwehrreihen sehr lange dominierten auf beiden Seiten, hätte es endlich ein Defensivmann vedient, zum MvP gewählt zu werden. Allein das Halbzeitergebnis von 10:3 spricht Bände. Es gab allein im 1. Durchgang 5 Punts, ein lost Fumble, aber nur einen Touchdown und 2 Fieldgoals. Defense wins Championships, you know. Es hätte auch insgesamt zu dieser NFL-Saison gepasst, die weniger von grandiosen Quarterbacks geprägt wurde als von großartigen Verteidigungen. Und es war gerade die Chiefs-Verteidigung, die das Team im Spiel hielt. Aber es hat sich halt keiner wirklich aufgedrängt und keiner hat bei aller Klasse sich schon einen großen Namen gemacht wie einst ein Reggie White oder Warren Sapp.
Oder gar jemand von den Special Teams? Immerhin war es Punt-Einheit, die tief in der 49ers-Hälfte den Ball nach einem Fehler der 49ers eroberte und die Tür sperrangelweit für den ersten Touchdownpass von Mahomes aufriss. Dazu gelang ein grandioser Punt der Chiefs an die 1-Yard-Linie – der Heilige Gral eines jeden Punters und sein Team. Und nicht zuletzt blockte Chenall von den Chiefs einen Extrapunkt-Versuch der 49ers. Der Punkt, der fehlen sollte, who knows. Oder gar Chiefs-Kicker Harrison Butker! Die Nerven behalten, als er in ganz am Ende der regulären Spielzeit treffen MUSSTE, um die Chiefs im Spiel zu halten. Ansonsten fehlerlos und souverän und ein Field Goal aus 57 Yards, dem zweitlängsten der SB-Geschichte.

Die tragischen Helden

  • die gesamte 49ers-Defense, die 3 Viertel die Chiefs-Offense in Schach hielt. Kansas City gelang wenig bis gar nicht. Sie jagte Mahomes wie einen Hasen übers Feld und schaffte mehrere Sacks und Tackles für Raumverlust. Am Ende ging ihr allerdings die Puste aus, und Mahomes zerlegte sie zweimal nach allen Regeln der Kunst.
  • Besonders tragisch hierbei: Linebacker Dre Greenslaw. Bei einer Einwechslung stolperte er und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Mit dem Krankenwagen wurde er abtransportiert: erste Diagnose, Achillessehnenriss. Im 3. Viertel kam er wieder mit einem Spezialverband und sah sich das Drama von der Seitenlinie an. Gute Besserung.
  • Jauan Jackson gelang etwas Besonderes. Der Wide Receiver der 49ers fing einen Touchdownpass (das ist seine Stellenbeschreibung) und er WARF nach einem Trickspielzug einen Touchdownpass. Dieses gleichzeitige Kunststück schaffte er erst als zweiter Spieler in einem Super Bowl nach Nick Foles von den Philadelphia Eagles 2018. Das wäre bei einem 49ers-Sieg vielleicht der MvP geworden und nicht der durchaus überzeugende SF-Quarterback Brock Purdy.

Travis Kelce

– der Sportliche

Auch ohne Taylor Swift wäre Kelce Gesprächsthema gewesen. Wobei man durchaus trennen darf zwischen dem praktisch nicht vorhandenen Kelce in der 1. Halbzeit (1 Catch für 1 Yard – für ihn indiskutabel). Das frustrierte ihn dermaßen, dass der 2-Meter-Mann nach einem Spielzug, der ihn nicht berücksichtigte, obwohl er ziemlich frei stand, seinen Trainer Andy Reed im Wortsinn an die Wäsche ging. Das brauchte er offenbar zum Wutablassen. Nur kurze Zeit später umarmte er Reed (der nach dem Spiel die Aktion mit einem Lächeln abtat, wobei Reed und Lächeln …). In der 2. Halbzeit wurde er zu dem großartigen Tightend, dem wohl besten seiner Zunft-  aller Zeiten (?). Jetzt war er wieder der kongeniale Partner von Mahomes, wie auch bei den vorigen 2 Super-Bowl-Triumphen. Am Ende standen für ihn 9 Catches für 93 Yards zu Buche, zwar keinTouchdown, aber wichtige zu first downs.

– wegen Taylor und so

Im Vorfeld des Spiel gab es für den Boulevard ja nur ein Thema, naja. Schafft es Kelce-Freundin Taylor Swift rechtzeitig von ihrem Konzert in Tokio nach Vegas? Laut Flugplan war das ohne Problem möglich. Und so verfolgten Tausende, wahrscheinlich hunderttausende per Flightradar Taylors Flug nach LA. Dort landete sie pünktlich, auf jeden Fall rechtzeitig. Und weil sie eben der Weltstar ist, der sie ist und zurzeit vielleicht Americas Most Important Person, fand sich auch für ihren Privatflieger auf dem eigentlich überfüllten Vegas-Flughafen noch ein Plätzchen. Taylor Swift war also da, jubelte in der Chiefs-Box neben Kelces Mama und Mahomes Frau und all den anderen. Die Kameras hielten darauf und uns Zuschauer über praktisch jede (Er)Regung auf dem Laufenden, ob ich wollte oder nicht (eher nicht). Und nach Spielschluss war sie natürlich auf dem Spielfeld; es gab Bussis und mehr, und danach eine große Partie und mehr und danach …

Die NFL kann sich über den Glücksfall Kelce/Swift gar nicht genug bedanken. Angeblich schauen so viel Frauen wie noch nie die in Amerika doch eigentlich auf höchstem Niveau ausgereizte Sportart. Angeblich haben die Chiefs (Mehr!)-Einnahmen in dieser Saison von 300 Millionen Euro. Das Kelce-Trikot ist das Meistverkaufte. Kein Wunder, dass Zyniker von einem von vorn bis hinten abgekarteten Spiel sprechen. So ein Zufall, sagen sie, dass die in der Saison so schwachen Chiefs den Super Bowl gegen viele Wahrscheinlichkeiten erreichen und dann noch gewinnen. Ich hoffe inständig, dass es ein echtes Liebesmärchen ist. Seufz. Und siehe da, ein erstes Wölkchen. Zur Konfettiparade diese Woche in Kansas City wird Taylor Swift nicht dabei sein können, sie hat Verpflichtungen in Australien und Neuseeland, also nicht gerade um die Ecke. Ihr ökologischer Abdruck, ach lassen wir das.

Und was wäre wenn

der Extra Punkt von Jake Moody nicht geblockt worden wäre, das wären 4 Punkte Vorsprung für die 49ers gewesen. Dann hätten die Chiefs am Ende der regulären Spielzeit einen Touchdown gebraucht, um zu gewinnen. Ein Field Goal hätte nicht zur Verlängerung gereicht. Müßig darüber zu spekulieren, weil dann die Spielanlage beider Teams eine ganz andere gewesen wäre. Und doch wird der Fehlschuss Moody länger verfolgen. Passt zur ziemlich unglücklichen Saison für die Kicker-Gilde fast der gesamten NFL.

Last and Least die Halbzeitshow

Es ist ein Relikt des Superbowls, die Halbzeitshow, in der ein nicht zwingend US-amerikanischer Musikstar auf einer eilends zusammengezimmerten Bühne auftritt und seine bekanntesten und vielleicht auch nicht so bekannten Werke zum Besten gibt. Für viele unverzichtbar und sogar wichtiger als das Spiel selbst. Für mich verzichtbar, und wenn ich mit dem Künstler wie Usher, der diesmal die Ehre hatte, wenig anfangen kann, ist das nicht gerade hilfreich. Überhaupt nichts R&B,  Marvin Gaye und Diana Ross liebe ich, und da kommt der liebe Usher halt um Längen nicht hin. Traditionell miserabel beim Pausenact ist die Ton-Qualität, was die Sache nicht besser macht. Für mich ein im wahrsten Wortsinn ein Lichtblick war die in fulminantes Rot gewandete Alicia Keys, die auf einem ebenso roten Klavier den für mich schönsten Act ablieferte auch im Duett mit Usher. Ansonsten Show as Show can mit Rollerblade und einem schwitzenden Usher, der sich das Hemd von seinem nassen Leibe riss, die nackte Brust entblößte. Und niemand schrie auf oder schrieb empört, soweit für mich erkennbar, „Nipplegate!“, remember 2002, als Justin Timberlake die Brust von Janet Jackson entblößte. Das war ein Skandal, und seitdem ist Live bei Super Bowl und Ähnlichen nicht mehr Live, sondern 5 Sekunden Verzug, damit man, wer auch immer „man“ ist, einschreiten kann im Fall der Fälle.
Egal wie: An die Shows von Michael Jackson und vor allem Prince (Doppelseufz mit Blick in den Himmel) kam diese Halbzeitshow nicht heran.

Remember 2007. Noch mal seufz.

https://www.youtube.com/watch?v=-WYYlRArn3g