Wer die beiden Spiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan und Frankreich binnen drei Tage sah, will nicht glauben, dass das die gleiche Mannschaft war. Desaströs und ohne jede positive Körpersprache gegen Japan. Engagiert, ergebnisorientiert und am Ende sogar erfolgreich gegen die Top-Nation Frankreich – wie konnte das passieren?

Im Ligageschehen würde man das den berühmten Trainereffekt nennen, und offenbar lässt sich das auch auf Nationalmannschaften übertragen. Wie Mehltau lag der bleierne Druck unter Flick auf all der Spieler Schultern, die ja in ihren Vereinen ordentliche bis sehr gute Leistungen abgeliefert haben. Dieser Druck war wie weggeblasen, die Befreiung war auch über die Fernsehgeräte förmlich spürbar, schon bei den Nationalhymnen.

Rudi Völler war in diesen drei Tagen genau der richtige Mann am richtigen Ort. Ein echter Sympathieträger im Fußball-Land Deutschland noch dazu mit Erfahrung bei der Leitung eines Nationalteams. In drei Tagen kann er natürlich nicht Wunder schaffen, aber immerhin fand er die richtigen Worte, um den bleischweren Mehltau wegzublasen.

Und wie es halt dann so ist, spielte dann auch das nötige Glück eine Rolle. Ein Gegner, der auf den besten Fußballer des Planeten Mbappé und einige andere Topstars verzichtete (es war immer noch eine namentlich tolle Mannschaft) und ein Idealstart mit einem sehr schön herausgespielten Tor bereits in der 4. Minute. Die ersten 30 Minuten waren das Beste seit Langem, was eine Nationalmannschaft zeigte, und danach verteidigte sie mit Zähnen und Klauen das Ergebnis, als ginge es um ein WM-Achtelfinale.

Auf jeden Fall haben es Rudi Nazionale und sein Trainerteam geschafft, die Fußballstimmung im Land komplett zu drehen. Plötzlich herrscht wieder Vorfreude auf die EM im eigenen Land in gut einem  dreiviertel Jahr. Diesen Rückenwind gilt es jetzt zu nutzen, wobei die sportlich ziemlich unsinnige Amerika-Reise in einem Monat noch einmal eine echte Herausforderung wird. Stand jetzt wird sich dann Rudi Völler wieder von der Trainerbank verabschiedet haben. Sein Nachfolger wird sehen müssen, wie er mit dem Schattenmann Völler im Hintergrund, ob dieser es will oder nicht, zurechtkommt.