Nicht nur körperlich groß

Es ist vollbracht! Zum ersten Mal überhaupt sicherten sich die deutschen Basketballer den WM-Titel. Wie im Viertelfinale gegen Lettland, als sie nur mit Glück dem Ausscheiden entkamen, und dem Thriller im Halbfinale gegen die USA machten es die Jungs um Trainer Gordon Herbert extrem spannend. Gott sei Dank, dass die WM vorbei ist. Noch so ein Spiel hätten meine Nerven vielleicht nicht mehr mitgemacht. Und wenn sogar Leute, die mit Basketball wenig am Hut haben, vor Aufregung kaum mehr hinschauen können …

Dabei sah es Mitte des letzten Viertels vemeintlich komfortabel aus bei einer Zwölf-Punkte-Führung. Doch die schmolz so schmell dahin wie die Butter in der Sonne, und die Serben, trainiert vom Deutschland-Kenner Svetislav Pesic kamen bis auf drei Punkte heran. Dann übernahm endgültig der Mann das Kommando, der qua Amt dazu prädestiniert ist. Dennis Schröder fasste sich ein Herz, wagte ein Slalom-Dribbling durch die beinharte Serben-Abwehr und legte den Ball souverän zwischen die Reuse. Ein echtes Meisterstück des Kapitäns, der insgesamt 28 Punkte auflegte. Wenn es noch irgendeinen Zweifel an seiner Befähigung gab, dass er auch wichtige Spiele entscheiden kann, wie ihn ein begnadeter Bild-Redakteur vor der USA-Partie hatte, sind diese verschwunden. Völlig zu Recht wurde er zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt – trotz seiner furchtbaren Partie vs Lettland.

Doch wie in den Partien zuvor hatte jeder so seine Verdienste. Franz Wagner schaffte am Ende 19 Punkte, Voigtmann glänzte in der Verteidigung wie das gesamte Team im zweiten Durchgang. Da kam Bojan Bojanovic, der in der ersten Hälfte eine grandiose Partie mit 15 Punkten ablieferte und die Deutschen vor schier unlösbare Probleme stellte, nur noch auf zwei Zähler. Dafür sprang einer ein, der eigentlich für die Verteidigung zuständig ist: Alexsa Avramovic drehte vor allem im Schlussabschnitt auf, erzielte innerhalb kürzester Zeit sechs Punkte (ein Dreier, drei Freiwürfe nach Foul bei Dreierversuch). Der Mann war drauf und dran, Albträume bei den deutschen Basketball-Fans zu verursachen, doch ganz am Schluss gingen auch ihm die Kräfte aus.

Wenig später war Schluss, und die Spieler konnten ihr Glück kaum fassen. Die Jubelszenen wirkten allerdings nicht ganz sooo exstatisch wie nach dem USA-Spiel. Sie waren tatsächlich einfach zu kaputt, nervlich und körperlich. Wie sehr so ein Turnier an die Substanz geht, war auch Gordon Herbert in einer bermerkenswerten Szene  anzusehen. Fast apathisch kauerte er am Boden.

Doch er wird sich erholen: Und immer mit diesem Triumph in Verbindung gebracht werden. Wie Pesic, der das deutsche Team 1993 in München zum EM-Triumph führte und sich jetzt als guter Verlierer zeigte.

Ein Extralob gehört dem Team von Magenta Sport, die eine grandiose Übertragung abgelierfert haben – wie schon im gesamten Turnier. Mitreißender und doch auch immer sachlicher Kommentar, und wunderbare Analysen und Interviews nach der Partie. Es gibt doch immer Preise für die beste Sportsendung des Jahres. Der müsste auf auf jeden Fall an die Jungs gehen – wie die Basketballer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mannschaft des Jahres werden. Fun Fact: Mit keiner Silbe erwähnten sie den Rauswurf von Hansi Flick, auch nicht in der Nachberichterstattung. Peinlich genug, dass die offizielle Meldung darüber mitten in die spannende Schlussphase platzte. Aber vielleicht ist das tatsächlich ein bisschen eng gedacht.

Eine Frage bleibt für mich noch offen: Wie ist die Luft im Hause Bastian Schweinsteiger/Ana Ivanovic? Wie der Deutsche und die Serbin das Spiel, zusammen gesehen haben (wenn sie das denn getan haben), das wäre sicher interessant zu sehen sein.