Transferurteil des EuGH: Aufreger oder doch nur Sturm im Wasserglas?

Wenn sich ordentliche Gerichte mit Sport beschäftigen, ist die Aufregung meist groß. Die Verbände pochen auf ihre Eigenständigkeit, in die man sich bitte nicht einzumischen hat. Wie wunderbar das klappt, sehe ich regelmäßig bei der internen Aufarbeitung von Skandalen, die gerne unter den Teppich gekehrt werden. Schlimmstenfalls kann man ja den allzu eifrigen Ermittler seiner Aufgaben entbinden. Und welcher Verband hat schon gerne Doping-Sünderunter seinen Spitzensportlern. Doping??? Hilft bei uns doch nicht weiter, argumentieren besonders gern Fußballer und Tennisartisten, obwohl das Gegenteil längst bewiesen ist.
Geradezu Magenkrämpfe bekommt der Fußball und seine Verantwortlichen, wenn sich der Europäische Gerichtshof mit Urteilen einschaltet, was selten genug vorkommt. So 1995, als der Belgier Jean-Marc Bosman das damalige Transfersystem aushebelte. Seitdem gehören die damals auch bei Vertragsende üblichen Transfersummen, die nach einem komplizierten Schlüssel errechnet wurden und Wechsel erscwerten wenn nicht unmöglich machten, der Vergangenheit an.

Und jetzt? Droht ein zweiter Fall Bosman, der die Existenz der Vereine bedroht. So las es sich zumindest in einigen Berichten auch seriöser Zeitungen. Was war passiert (arg verkürzt:? Der Franzose Lassana Diarra hatte 2013 bei Lok Moskau einen 4-Jahres-Vertrag abgeschlossen. Ein Jahr später kam es zu Unstimmigkeiten, und Diarra quaittierte den Dienst. Lok klagte und erhielt auch Recht. Diarra wurde zu 10 Mio Schadenersatz verurteilt. Wohlgemerkt: Zu diesem Zeitpunkt war Russland trotz des Einmarsches auf die Krim 2014 ein geachtetes Mitglied der Fußball-Familie und kommender Gastgeber der anstehenden WM 2018.
So weit, so schlecht. Lassana Diarra  begab sich auf Vereinssuche, doch weil jeder mögliche Interessent automatisch in die Haftung genommen wurde nach FIFA-Recht, also die 10 Mio gesamtschuldnerisch aufbringen muss, fand sich kein Verein, obwohl der belgische Erstligist Charlerloi großes Interesse zeigte.. Gegen diese Gesamtschuldner-Regelung ging Diarra vor, und der Fall landete jetzt vorm EuGH. Dieser erklärte die Klausel für unzulässig und befreit den interessierten Verein auch von der Beweislast, dass er den Spieler, in diesem Fall Lassana, nicht zum Vertragsbruch ermuntert oder dahingehend beeinflusst hat. Nicht-Handeln zu beweisen ist, wie wir alle wissen, eine der schwierigsten Übungen.

Das erste Geschrei war riesig, ohne dass wir bisher eine Urteilsbegründung kennen. Jetzt könne jeder Spieler jederzeit den Verein wechseln. Vertragsbrüche seien programmiert, und die Vereine könnten die möglichen Ablösesummen nicht mehr in ihren Bilanzen aufführen. Bosman 2, wehklagte es.

Ich sehe riesige Unterschiede. Keineswegs erlaubt das Urteil Vertragsbruch ohne zwingenden Grund. Klar werden manche Spieler aus für sie vermeintlich ungünstigen Kontrakten jetzt vielleicht besser herauskommen, aber ohne jede Entschädigung wird das nicht vielen gelingen (bis der nächste Profi vielleicht auch das aushebelt). Schon jetzt müssen sich ja Spieler erklären und sinken schnell in der Gunst, wenn sie mit vollem Einverständnis aller Beteiligten zu einem vermeintlich oder tatsächlich besseren Verein wechseln, siehe gerade Waldemar Anton, der von den Stuttgarter Fans vehement ausgepfiffen wurde, als er dort für den BVB antrat. Klar, das wird sich legen, aber in Zukunft wird noch genauer hingeschaut, mit welchen Mitteln ein Profi seinen Wechsel forciert. Und der abgebende Verein bekommt erstens die Entschädigung und kann zweitens in die Verträge eine Ablösesumme hineinschreiben, die auch im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung gilt. Und bis diese Klausel auf Rechtmäßigkeit bis zur letzten Instanz geklärt ist, werden einige Jahre vergehen.
Szenarien, dass interessierte Vereine auf Teufel komm raus einen Spieler aus einem Vertrag holen und gegebenenfalls auch alle Strafen bezahlen, sind zwar nicht ausgeschlossen, dürften sich aber auf wenige Fälle beschränken. Vielleicht aber bin ich auch zu blauäugig und unterschätze immer noch die Riesengier von Fußball-Profis und ihren Beratern. On verra.

Transferwahnsinn ohne Ende

Das schier nicht enden wollende Transfertheater um Harry Kane mit Wendungen noch und nöcher hat am Freitag endlich ein Ende gefunden (ob und für wen es glücklich wird, muss sich zeigen), doch der Transferwahnsinn feiert weiter fröhliche Umstände, der durch die Öl-Milliarden aus Saudi Arabien kräftig angeheizt wird.

Neymar in die Wüste

So wechselt Neymar mit seinen gerade mal 31 Jahren zu Al Hilal. Kolportiert wird eine Ablöse von 80 Millionen Euro an PSG, die 2017 den Brasilianer für 222 Millionen von Barca loseiste. Er trifft dort auf Trainer Jorge Jesus und unter anderem auf Mitspieler wie Milinkovic-Savic, Ruben Neves und Kalidou Koulibaly. Angeblich wird er 100 Millionen per anno plus Annehmlichkeiten wie Privatjet, Luxusautos, olympiareifes Pool etc, etc. Und wenn er positives über Land und Verein posten, ist das ebenfalls klingende Münze wert.

Diese Irrsinnssummen täuschen aber nicht drüber hinweg, dass er ins sportlich praktisch unbedeutende Nirwana verschwindet. Er galt ja als das größte brasiliansiche Talent seit Pelé konnte diesen unfassbaren Vertrauensvorschuss nicht wirklich erfüllen. Kein WM-Titel bei drei Teilnahmen, kein Südamerika-Titel, und mit PSG kein CL-Sieg. Zuletzt litt er sehr unter Verletzungspech. Nicht falsch verstehen: Neymar war zumindest ein grandioser Spieler, der mit seiner exaltierten Art, seiner furchtbaren Fallsucht und nicht zuletzt mit seinem zumindest diskutablen Lebenswandel (mir aber völlig egal) und der Unterstützung des rechtsradikalen Bolsonaro extrem polarisierte.

Union rüstet auf

Es spricht für die Verantwortlichen bei den Eisernen, dass zwei Wechsel von deutschen Nationalspielern nahezu geräuschlos über die Bühne gingen. Robin Gosens und Kevin Volland unterschrieben am Dienstag bei den Berlinern, zwei gestandene Profis mit Erfahrung in den großen Ligen Europas. Stürmer Volland hat ja bei Leverkusen und Hoffenheim in der Bundesliga durchaus Eindruck hinterlassen, ehe er zur AS Monaco wechselte. Mittelfeldabräumer Gosens in der Serie A bei Bergamo und zuletzt bei Inter, wo er auch aufgrund von Verletzungen nicht wirklich auftrumpfen konnte. Union kehrt damit von der bisherigen Linie ein wenig ab und verstärkt sich mit namhaften Spielern.

Bayern auf Torwartsuche

Die Neuer-Verletzung und die immer noch reichlich unsichere Zukunft des Nationaltorhüters bringen die Münchner weiter in die Bredoullie. Noch immer weiß man nicht, was man eigentlich wirklich sucht. Eine echte Nummer 1, weil man Neuer ein starkes Comeback nicht wirklich zutraut oder nur ein Platzhalter bis zu dessen Rückkehr. Bisher gab es reichlich Absagen. Mit Kepa war man sich schon fast einig, doch dann verletzte sich Reals Courtois schwer am Knie, und Kepa zog es in die spanische Heimat und heuerte bei den Madrilenen an. Rulli war ebenfalls vielversprechend, eine schwere Verletzung durchkreuzte die Pläne. Und Marokkos Torwartheld Bono zieht es offenbar ins neue gelobte Land Saudi Arabien.

Noch gibt es Kandidaten wie etwa Ortega, Ersatz bei ManCity. Charmant vor allem für den Münchner Boulevard: Er spielte einige Jahre bei den Münchner Löwen. Doch zurzeit gibt es noch ein striktes Transfer-Veto von City-Trainer Pep Guardiola. Außerdem in der Verlosung ist der zurzeit vertragslose David de Gea, der allerdings exorbitante Gehaltsvorstellungen hat und bei all seiner Klasse auf der Linie spielerisch doch arg limitiert ist.

Es würde hier zu weit führen, alle kolportierten Namen aufzulisten: Die Liste geht quer durch alle Ligen, doch die Konkurrenz bei der Torwartsuche ist groß, zumal die Araber auch an Stammkeepern der großen Ligen dran sind. Zunächst muss es also Sven Ulreich richten. Ihm sollte nach Möglichkeit nix passieren.