Jürgen Klopp: So geht Abschied

Als im Januar Jürgen Klopp bekanntgab, er wolle Ende der Saisonals Trainer beim FC Livepool aufhören, weil er keine Kraft mehr haben, war die Trauer bei den Reds groß, man konnte es sich nicht vorstellen. Immerhin: Alle hatten Zeit genug, sich auf den Abschied vorzubereiten und alle Beteiligten (nicht zuletzt Klopp selbst) haben diese Zeit bestens genutzt: Es waren großartige Momente  an der legendären Anfield Road.

Gestern war es also soweit, das letzte Spiel der Reds unter Klopps Ägide. Es ging um nichts mehr, und das war auch gut so,  auch wenn Pool gerne noch im Meisterschaftsrennen gewesen wäre oder den Titel gar gewonnen hätte. So geriet die Partie zur Nebensache, weil auch Gegner Wolverhampton Wanderers den erstrebten Klassenerhalt längt gesichert hatte. Kein bangender Blick zu anderen Spielständen, alle konnten auf den Abschied konzentrieren. Unzählige Plakate teils sogar in Schwarz-Rot-gold waren zu sehen. „Thank you, Boss“ stand drauf oder „Thank You Jürgen“, sogar mit den für Angelsachsen untypischen Punkten überm „U“. Und sie sangen die Lieder für ihren Jürgen, vor allem immer wieder das Jürgen-Klopp-Lied nach der Beatles-Melodie „I Feel Fine“.
„Jürgen said to me, you know / We win the Premier League, you know / He said so / I’m in love with him and I feel fine / I’m so glad that Jürgen is a Red / I’m so glad he delivered what he said“.
Eine Liebeserklärung der Fans, des Clubs, ja der ganzen Stadt, die Klopp seit Oktober 2015 im Sturm erobert hat. Lassen wir die Versprengten, die zum Lokalrivalen FC Everton halten, gnädig außen vor.
Sogar das Wetter außergewöhnlich schön mit strahlendem Sonnenschein, als wolle sich Petrus persönlich für die oft so grauen sturmgepeitschten Tage am Merseyside entschuldigen. Nach dem Schlusspfiff (für Statistiker 2:0 für Liverpool) eilte Klopp nach ersten Gratulationen und Umarmungen erst mal in die Katakomben; um sich zu sammeln, zu begreifen, was da alles auf ihn einprasselt. Ich musste an Dirk Nowitzki nach dem NBA-Triumph für Dallas 2011 denken.
Und dann wurden alle einzeln vomn Club herausgeholt, die den Verein verlassen. Erst die Spieler, der begnadete Thiago, leider so oft verletzt, Joel Matip, den Klopp 2016 zu den Reds geholt wurde und sich dort zu einem Klasse-Verteidiger entwickelt hat. Es folgte der gesamte Trainerstab, der ja geschlossen mit Klopp den Club verlassen wird.
Und dann der Meister selbst. Über das ganze Gesicht strahlend, die markanten Zähne zeigend. Ein rundum glücklicher Mann. Und er reagierte wie so oft groß, lobpreiste das Team, die Zeit, die Stadt, den Brexit (äh nein!). Und auch wenn er jetzt geht, er wird nicht nur sprichwörtlich weiter einen Koffer in Liverpool haben. Dort wo er zu den ganz großen Legenden aufgestiegen ist, zu den immer noch heiß geliebten und verehrten Bill Shankley und Bob Paisley.

Doch sein Leben geht ja weiter, erst mal mit einer längeren Pause, die er mit seiner Frau Ulla zu verbringen gedenkt und vielleicht tatsächlich mit seligem Nichtstun. Doch mit seinen 56 Jahren und vor allem seinem Tateendrang ist er zu jung für den endgültigen Ruhestand, und da stellt sich mir ernsthaft die Frage, welchen Verein er nach diesen Gefühl-Overkill noch trainieren will. In England? Undenkbar. In Deutschland? Nach Borussia Dortmund, wo er ja (fast?) genauso verehrt wird. Klar, der FC Bayern wäre eine Option, aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Nicht der Dortmunder Erzrivale, nicht der großkopferte Mia-san.mia-Verein. Nicht jetzt und auch nicht in einem Jahr oder später.

Also Spanien oder Italien. Der Barcelona, das wäre schon reizvoll, das mit der Sprache würde schon hinhauen, aber irgendwie passen diese Super-Großclubs wie Barca, Real, Milan und Juve nicht zu Kloppo. Am ehesten noch Inter.
Oder zwei verwegene Ideen: Athletic Bilbao, enorm viel Tradition und Begeisterung, der immer noch nur baskische Spieler zulässt, aber eben auch nicht-baskische Trainer wie einst Jupp Heynckes, der dort zum Spitzencoach reifte. Aber halt doch recht weit von der absoluten Spitze. Und dann wäre da noch der HSV. Der ja Ende der Nuller-Jahre schon drauf und dran war, ihn als Trainer zu verpflichten und nicht verstummenden Gerüchten nach vor allem deshalb drauf verzichtete, weil ihnen Kloppos Fünf-Tagesbart und die zerrissenen Jeans nicht gefielen. Darüber würden sogar die edlen HSVer heute großzügig hinwegsehen, aber auch nur vielleicht.

Jetzt muss Klopp erst mal diese unfassbare kollektive Liebesbezeugung verarbeiten, nicht abheben (er neigt ja zur Besserwisserei). Und dann wird er schon wieder irgendwo auftauchen, vielleicht als Sportdirektor, wieder Fernse-Experte, aber wahrscheinlich da, wo ihn jetzt keiner vermutet.