Japan ist mein Favorit

Trotz aller Unwägbarkeiten wage ich ein Power Ranking, allein basierend auf den Leistungen im Turnier. Meine Nummern 1 und 2 werden das Finale nicht bestreiten können, weil sie schon im Viertelfinale aufeinandertreffen würden.

Japan Drei überzeugende Siege und ein Torverhältnis von 12:0 sprechen für sich. Sie sind tolle Fußballerinnen, ideenreich, flink, technisch beschlagen und flexibel, wie die brillante Kontertaktik beim 4:0 gegen Spanien zeigte. Der Titel führt über Nippon.

Schweden: Mein wahrscheinlich gar nicht mehr so geheime Geheimtipp. Physisch sehr stark mit unglaublich gefährlichen Standards. Amanda Ilestedt tut sich hier hervor, traf als Verteidigerin schon dreimal.

 Frankreich Das 0:0 gegen Jamaika war noch sehr holprig, aber Les Bleues zeigten dann gegen Brasilien ihre Stärken. Sie haben grandiose Einzelspielerinnen mit Wendy Renard an der Spitze. In die Quere kommen könnte ihr Leichtsinn (3 Gegentore gegen Panama), und ob wirklich alle Teamquerelen verschwunden sind, bleibt abzuwarten.

 England Mit Spielführerin Leah Williamson, Mittelfeldantreiberin Fran Kirby und Torjägerin BethMead fehlen drei Stützen, die wesentlich zum EM-Triumph 2022 beigetragen haben. Doch individuelle Klasse und Teamspirit sind immer noch vorhanden. Die Abwehr muss erst mal überwunden werden, was bisher noch kein Team geschafft hat.

Niederlande Den Holländerinnen fehlt mit Miedema ihre beste Spielerin. Dennoch wussten sie größtenteils zu überzeugen und sicherten sich vor den USA den Gruppensieg. Der Halbfinaleinzug scheint nicht utopisch.

 USA Ein Pflichtsieg gegen Vietnam, zwei Unentschieden gegen die Niederlande und Portugal – das ist wahrlich keine weltmeisterliche Bilanz. Gegen Portugal rettete gar der Pfosten den Titelverteidiger in der Nachspielzeit den Verbleib im Turnier. Doch jetzt werden die Karten neu gemischt, und die US Girls haben Siegeswillen und Selbstbewusstsein en masse. Allerdings sind Stars wie Rapinoe doch in die Jahre gekommen, und die Jüngeren in ihren Leistungen noch schwankend.

Australien Hier habe ich wegen des Heimvorteils vielleicht ein paar Bonuspunkte verteilt. Iorrunde kamen sie ohne ihren Superstar Sam Kerr aus, die jetzt hoffentlich wieder fit ist. Zumindest das Viertelfinale müsste drin sein.

Spanien Das Team begann souverän mit zwei klaren Siegen gegen Costa Rica und Sambia. Gerade das in der Deutlichkeit überraschende 0:4 gegen Japan lässt einige Fragen offen. Weltfußballerin Alexia Putellas ist nach überstandenem Kreuzbandriss längst noch nicht in Topform. Doch es gibt Spielerinnen wie die grandiose Technikerin Aitana Bonmati, die das ausgleichen können.

Schweiz Erst nach langem Schwanken habe ich die Schweiz hinter Spanien gesetzt. In der Nacht zum Samstag können sie mich im direkten Achtelfinalduell eines Besseren belehren. In der Defensive steht das Team der deutschen Trainerin Inka Grinks sehr sicher, doch auch hier hapert es am offensiven Spiel. Nur aufs Elfmeterschießen zu hoffen, dürfte dann doch zu wenig sein.

Kolumbien Maßgeblich für meine Einschätzung vor Norwegen und Dänemark ist die Partie gegen Deutschland und vor allem das Wunderkind Linda Caicedo, nicht nur wegen ihres Traumtores gegen Merle Frohms, dem vielleicht schönsten Treffer der WM. Technisch beschlagen sind sie, und ihr körperbetontes Spiel, manchmal auch über die Grenzen des Erlaubten, taugt nicht jedem.

Norwegen Nach zwei Partien standen sie mit 0 Toren und nur einem Pünktchen vor dem Aus, das sie allerdings mit einem überzeugenden 6:0 gegen Philippinien abwenden konnten. Sie verfügen über herausragende Einzelspielerinnen wie Ada Hegerberg und Caroline Hansen und eine kompakte Abwehr. Werden sie für Japan zum Stolperstein?

Nigeria Die Afrikanerinnen blieben in ihrer Gruppe unbesiegt – das allein spricht für sich. Insgesamt das beste Team aus Afrika, seit Jahrzehnten. Höhepunkt war natürlich das 3:2 gegen Gastgeber Australien. Zwei torlose Remis belegen die Stärken in der Abwehr und Schwächen im Spiel nach vorn, das Leitmotiv dieses Turniers.

Jamaika Drei Spiele kein Gegentor, immerhin gegen Branchengrößen Frankreich und Brasilien. Vorne allerdings herrscht Flaute, wenn sich nicht gerade England-Legionärin Bunny Shaw ein Herz nimmt. Ansonsten müssen die Reggae Girlz um Beistand von oben beten, was sie ja inbrünstig tun.

Dänemark Das erste Spiel gegen Neuseeland (0:1) war furchtbar. Klare Steigerung beim 0:1 gegen England und der Pflichtsieg gegen Haiti. Mir ist völlig unklar, welches Level die Däninnen erreichen können. Eine Pernille Harder hat vielleicht nicht mehr die große Klasse von früher, kann aber jederzeit einen Geistesblitz haben.

Südafrika Das 3:2, mit dem das Team die Italienerinnen aus dem Turnier kegelte, war die erste große Überraschung. Immerhin sechs Tore gelangen dem Team (bei sechs Gegentreffern); es ist damit der Gegenentwurf von so vielen Außenseitern, denen es allein auf die Defensive ankommt. Unterhaltsam anzuschauen war das allemal. Mal sehen, ob sie diese Taktik auch gegen Holland anwenden.

Marokko Es begann desaströs mit dem 0:6 gegen Deutschland, das die Marokkanerinnen mit zwei furchtbaren Abwehrfehlern einleiteten. Das Team fing sich und die Deutschen mit zwei 1:0-Erfolgen noch ab. Was jetzt kommt, ist nur noch Zugabe; das Halbfinale zu erreichen wie die Männer in Katar, scheint dann doch utopisch.