Der Offenbarungseid

Größer könnte die Diskrepanz nicht sein: hier die Basketballer, die am Freitag in einer begeisternden Partie die favorisierten USA bezwangen und heute gegen Serbien um WM-Gold kämpfen. Das war individuelle Klasse gepaart mit Mannschaftsgeist, das bis zu Tode strapazierte „Einer für alle, alle für einen“ wurde hier tatsächlich mit Leben erfüllt, man kann die einzelnen Heldentaten gar nicht alle aufzählen. Und dort am gestrigen Samstag? Sahen wir fürchterliche deutsche Fußballer, die völlig verdient auch in dieser Höhe mit 1:4 gegen Japan verloren. Hier gab es Fehler über Fehler, niemand half den anderen. Die Auftritte bei der WM, als man trotz der Niederlage eben jenen Japanern überlegen war und im ersten Halbjahr wurden noch einmal übertroffen in negativer Hinsicht – man möchte es kaum glauben.

Fast noch bizarrer als die Leistung der Mannschaft war hinterher der Auftritt von Hansi Flick. Reichlich konfus analysierte er hinterher bei RTL die Partie, das sei ihm noch zugestanden nach dieser auch für ihn wahrscheinlich nicht zu erwartenden Demontage seiner Elf. Doch auch in der PK mit einigem Abstand behauptete er: „Ich finde, wir machen das gut, und ich bin der richtige Trainer. Wir sind überzeugt, von den, was wir tun, und deshalb geht es mit mir auch weiter.“ Kein Wort der Selbstkritik. Er habe seine Mannschaft gut auf den Gegner vorbereitet. Aha.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll: vielleicht beim Abwehrverbund, in dem sage und schreibe drei der kriselnden Dortmunder ihr Unheil anrichten durften noch dazu auf – wie bei Nico Schlotterbeck links – auf einer für ihn völlig ungewohnten  Position. Die Dortmunder haben ja schon Defensiv-Probleme, wenn es gut läuft, aber jetzt … Und warum Flick den völlig überforderten und fehlerhaften Schlotterbeck nicht wenigstens zur Pause von seinen Leiden erlöste – es bleibt Flicks Geheimnis. Aber Schlotterbeck war nur der Schlechteste unter vielen Schlechten

Erschütternd war die mangelnde Kreativität. Wo war eigentlich der spritzige Florian Wirtz, der in den drei Bundesligapartien zuvor mit Lob überhäuft wurde. Einmal, bei der feinen Vorlage vor dem 1:1 durch Leroy Sané blitzte sein außergewöhnliches Können auf. Doch in der 2. Halbzeit, als die Japaner sich zurückzogen, fiel auch ihm nicht das Geringste ein, die Abwehr auszuhebeln. Es war furchtbar, mit anzusehen.

Klar, die Japaner können wunderbar Fußball spielen, vor allem wenn man sie lässt. Sie zeigten die Leichtigkeit und Inspiration, die ich bei den Deutschen vermisste, und nur ter Stegen und ihrem Unvermögen vor dem Tor sei gedankt, dass es ergebnismäßig nicht noch schlimmer wurde.

In einem dreiviertel Jahr steht die Heim-EM an. Mehr denn je ist zweifelhaft, ob dann Flick noch der Trainer ist; ich hoffe nicht, wenn ich das mal so sagen darf. Von Vorfreude kann nicht im Entferntesten die Rede sein eher von Angst, was am Dienstag die Franzosen um Kylian Mbappé mit diesem defensiven Trümmerhaufen anstellen könnten. Aber vielleicht noch schlimmer im Hinblick auf die Zukunft und die EM wäre ein dahingewurschteltes Unentschieden, das den DFB-Verantwortlichen wahrscheinlich mit einem verbandstypischen Weiter so quittieren würden.

Dagegen steigt meine Vorfreude aufs Basketball-Finale von Minute zu Minute. Bringt den Cup nach Hause! Und sogar wenn nicht, weil die Serben eine extrem gute Mannschaft sind auch ohne Superstar Nicola Jovic: diesen großen Sportmoment vom Freitag kann euch und uns niemand mehr nehmen.