Sportreportage – Tod auf Raten einer Institution
Ich schaue auf das heutige ZDF-Fernsehprogramm (digital), und es kommt etwas Wehmut auf. „17:15 Uhr: Besseresser: Das Duell“, steht dort. Die Jahrzehnte währende „heilige Zeit“ des Sports im Zweiten Deutschen Fernsehen, sie ist offenbar Geschichte.
In der Sportreportage erfuhr der Sportfan in den 70er-Jahren und 80er-Jahre ohne Internet, also ich, was so passierte: Geboten wurde ein bunter Strauß durch viele Sportarten. So war zB Speedway (Egon Müller) und die Ringer-Bundesliga fester Bestandteil, und ich erfuhr von der Existenz von Orten wie Schifferstadt, Witten und Aalen; wie ich überhaupt meine deutsch-geografischen Kenntnisse dem Sport zu vedanken habe, den 5 Fußball-Regionalligen Süd, Südwest, West, Nord und Berlin sei Dank! Ach was suchte ich Schalke in meinem Diercke-Weltatlas vergeblich … Es rang da auch ein baumstarker Kerl mit, der zur Verwunderung meines einmal reinschauenden Vaters Adolf Seger hieß (die Verwunderung verstand ich erst im Geschichtsuntericht, andererseits erklärt es sich der Vorname auch durch sein Geburtsdatum 2/1/1945). Geblieben in meinem Gedächtnis sind aber vor allem auch Moderatorinnen und Moderatoren wie Magdalena Müller (welchen Pullover trägt sie diesmal?), der pferdesüchtige Armin Basche und später der so smarte Norbert König.
Kurzum, die Sportreportage war Information und Unterhaltung zugleich zB der fantastische „Sport aus aller Welt“ meist mit dem ansonsten für mich so drögen Oskar Wark: Da wurde ich in die mir so fremden Arenen (Madison Square Garden, Aintree) und Sportarten wie American Football, Hurling und Heliskiing eingeladen zuzusehen.
Bis in die 2010er-Jahre hielt sich die Sportreportage Woche für Woche, und auch wenn Fußball und der Bundesliga-Samstag immer auch eine Rolle spielte: Sie ging weit darüber hinaus mit längeren Stücken, egal ob über Segeln, Tischtennis oder auch Sumo. Außerdem aktuelle Berichte über das Formel-1-Rennen vom Nachmittag, Handball-, Basketball und Eishockey-Bundesligen, fast immer die der Männer.
Das wurde immer weniger: vielleicht mangels TV-Rechte oder wegen der zunehmenden Konkurrent des Live-Sports in anderen Sendern (Bundesliga bei Sky) aber auch im ZDF selbst: Im Winter ging die Sport-Reportage in den schier endlosen und spätestens im Februar extrem ermüdenden Live-Strecken von morgens bis abends übers Ski und Rodel und Eis auf. Und irgendwann um 2020 herum, ich kann das ohne nachzusehen gar nicht genau datieren, weil ich das Ganze längst nicht mehr sklavisch Woche für Woche verfolgte, gab es die Sendung in der Form nicht mehr. Stattdessen wurde ein einzelnes Thema in einer längeren Sendung behandelt: Doping, Wetten auf Amateurspiele. Doch jetzt in den vergangenen Wochen, die xte Kochshow und andere Banalitäten.
Immerhin gibt es Hoffnung: Nächsten Sonntag hat wieder der Sport das Wort zum angestammten Zeitpunkt. „Kicker als Ware“ und eine Woche später: „Rad Transkontinental Race“. Schaun mer mal.
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