Ein Wurftreffer mit Folgen
Aufreger des Bundesliga-Spieltags war keine sportliche Begebenheit, obwohl die erste Niederlage des FC Bayern in Mainz durchaus Amüsement auslöste sondern ein Zuschauer-Idiot bei der Partie 1. FC Union Berlin vs VfL Bochum. Ein vermeintlicher Fan des so stolzen 1. FC Union sah sich in der Nachspielzeit beim Stand von 1:1 bemüßigt, ein Feuerzeug aufs Spielfeld zu werfen. Logisch, heißt ja auch Wegwerffeuerzeug. Dummerweise und vielleicht auch gar nicht gewollt traf dieses weggeworfene Wegwerffeuerzeug den Bochumer Torwart Patrick Drewes, vielmehr streifte es ihn am Hinterkopf. Er erschrak sichtlich, sammelte das Feuerzeug als Beweisstück ein. Sekunden später eilten zwei Betreuer aufs Feld und führten den allen Anschein nach Benommenen in die Kabine. Dorthin bat dann auch Schiedsrichter Petersen alle Spieler. Nach 28 Minuten Pause, in denen sich Petersen mit dem Schiri-Boss per Telefon beratschlagte, kamen die Profis zurück und spielten die Partie, also die angegebene Nachspielzeit ohne jede Aktion zu Ende. Ein abgesprochener Nichtangriffspakt (da finde ich es übrigens immer sehr süß, dass Petersen die Zeit auf die Sekunde genau einhielt, bevor er abpfiff).
Drewes war da nicht mehr dabei, und da die Bochumer nicht mehr auswechseln durften, mimte Feldspieler Philipp Hofman den Schlussmann, berührte aber nicht einen einzigen Ball. Drewes, dem die Bochumer Übelkeit attestierten, wurde ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte keine schwereren Verletzungen feststellten. Er konnte noch in der Nacht die Klinik verlassen. Am heutigen Montag legte der VfL wie angekündigt offiziell Einspruch gegen die Spielwertung ein. Der Club hofft auf 3 Punkte am Grünen Tisch, die im Abstiegskampf ziemlch helfen könnten.
So weit die traurigen Fakten, das Nachspiel ist teilweise noch viel trauriger. Zum einen wird reichlich unverhohlen Drewes Schauspielerei vorgeworfen. Das Feuerzeug habe ihn nur gestreift, könne also gar keinen Schaden angerichtet haben. So klang es nicht nur erbost und feindselig in Kommentarspalten, auch in denen von seriösen Blättern wie die Süddeutsche Zeitung. Auch viele der sogenannten Experten sprangen auf den Zug wie Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe (lange Zeit der beste seiner Zunft in Deutschland. „Feuerzeugwurf ist inakzeptabel!! Aber das Schmierentheater von Drewes auch!“ Nichts anderes als Schauspielerei wirft er dem Schlussmann vor. Per Ferndiagnose aus Fernsehbildern. Die Erfahrung hat ja auch schon jeder gemacht, dass man mit einem Feuerzeug aus 30 Metern Höhe getroffen wird.
Zumindest auf Oliver Kahn trifft das tatsächlich zu, bei ihm war es sogar ein Golfball, der ihn bei einem Pokalspiel in Freiburg an der Schläfe traf. Er kehrte damals tatsächlich aufs Spielfeld zurück, mit blutverschmierten Verband und Trikot.
https://www.sportschau.de/fussball/2000-als-kahn-vom-golfball-am-kopf-getroffen-wurde,video-historie-fc-bayern-sc-freiburg-100.html
Jetzt befand er: „Er hätte es zumindest versuchen müssen weiterzuspielen.“ Zumindest das Wort Betrug nahm er nicht in den Mund.
Ich finde diese Täter-Opfer-Umkehr beschämend. Wir können alle nicht in den Kopf von Drewes reinschauen können, ihm Schauspielerei ohne den geringsten Anhaltspunkt vorzuwerfen. Wie groß war der Schmerz, der Schock? Die Angst vor einem zweiten Wegwerffeuerzeug-Depp?
Und soll man jetzt wirklich dem VfL Bochum vorwerfen, alles Mögliche zu versuchen, die drei Punkte zu ergattern (also zwei zusätzliche). Wie war das denn mit den Protesten nach unerlaubten Auswechslungen, die ohne jede auswirkung aufs Spiel blieben? Eintracht Frankfurt profitierte von den 4 Amateur-Bayern, obwohl sie das Spiel haushoch verloren hatte. Lauterns Meistertrainer Otto Rehhagel wechselte aus Vesehen einen damals vebotenen 4. Ausländer ein und reagierte umgehend mit der Wieder-Auswechslung, als ihm der Fauxpas auffiel. Spielwertung zu Gunsten des Gegners, der, Trommelwirbel, VfL Bochum hieß.Das war 1998
Kein Ruhmesblatt heimste auch Unions Sportdirektor Horst Heldt ein, den ich seit seiner Zeit bei den Münchner Löwen (Großer Seufzer!) sehr gerne mag. Der erging sich nach dem Spiel tatsächlich erst mal in einer länglichen Spielanalyse (die allerdings keine Sau interessierte). Danach schwadronierte er von einem Einzeltäter (den die Polizei übrigens schon ermittelt zu haben glaubt). dabei flogen vor und nach dem Kopftreffer auch andere Wegwerffeuerzeuge aufs Spielfeld, wie Bochumer Profis versicherten.
Für mich kann es nur eine Entscheidung geben, nämlich die Spielwertung zu Gunsten des VfL. So bitter das für die Abstiegskampf-Konkurrenten sein mag. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Bochumer nach der Auswechslug mit einem Mann weniger spielen mussten. Auch die Dauer der noch zu absolvierenden (Nachspiel)-Zeit dürfte ohne Bedeutung bleiben, denn wo soll da eine vernünftige und nicht rein willkürliche Grenze gezogen werden?
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