Der Wind mitentscheidet die Tournee
Positives aus Österreich. Wahrlich nicht in der Politik, aber zumindest im Sport. Ein Dreifachtriumph bei der Vierschanzentournee für Rot-Weiß-Rot. Am Ende jubelte mit Daniel Tschofenig der Jüngste (22), und es blieben zwei reichlich frustrierte Podest-Inhaber zurück.
Der arme Stefan Kraft
Das saß er nun als Letzter auf dem schmalen Brett, den die Skispringer auch Donnerbalken nennen. Weit unten auf der riesigen Paul-Ausserleitner-Schanze in Bischofshofen, die ja fast schon die Ausmaße einer Flugschanze hat, das jubelnde Österreich-Volk mit Fahnenmeer und Geschrei. Denn schon vor Stefan Krafts letztem Versuch stand ja schon fest, dass ein Austria-Adler die Tournee gewinnen würde. Sehr knapp war der Vorsprung, den Kraft hatte, für den Tournee-Triumph, für den Einzelsieg. Aber der 31-Jährige ist der erfahrenste und erfolgreichste seines Teams, hat zigmal bei insgesamt 45 Weltcupsiegen bewiesen, dass er in heiklen Situationen die Nerven behält.
Es folgte: ein Drama. Plötzlich frischte der Wind auf. Wind ist der Feind aller Skispringer (manchmal auch der Freund, wenn er als Aufwind den Athleten auf ungeahnte Weiten trägt). Die gesamte Tournee war er ein eher friedlicher Genosse, der die Springen kaum beeinträchtigte. Jetzt aber zeigte er seine Macht, blies plötzlich viel zu stark, als dass Kraft seinen Versuch starten konnte (es gibt sogenannte Windkorridore, um einigermaßen gerechte Verhältnisse zu schaffen). Endlose Sekunden vergingen, ja Minuten. Kraft musste sogar die Skier abschnallen und dort oben in der Kälte ausharren.
Nach geschlagenen sieben Minuten durfte Kraft wieder auf den Donnerbalken. Sieben Minuten, in denen er viel Zeit hatte nachzudenken und nicht vor allem hadern durfte über das vermaledeite Schicksal, den „Scheißwind“. Sieben Minuten, in denen auskühlte und natürlich an An-Spannung verlor, die er nicht nicht komplett wieder aufbauen konnte. Für diese Umstände legte er einen starken Sprung hin,der aber knapp nicht reichte, um den führenden Daniel Tschofenig und den Zweiten Jan Hörl abzufangen (das Trio trennte am Ende der 8 Durchgänge gerade mal 4 Punkte). Dementsprechend groß war der Frust und die anfangs recht karge Gratulation an den siegreichen Landsmann.“Ich kann verstehen, dass es sie anzipft“ zeigte der ob des Dreifach-Triumph überglückliche Bundestrainer Andi Widhölzl Verständnis für den ausgebliebenen Mannschaftsjubel. Mannschaftsgeist, den das ÖSV-Team die gesamte Tournee demonstriert hatte trotz aller Rivalität.
Mit „sie“ meinte Widhölzl (ein ehemaliger Tourneesieger) neben Kraft auch den Zweitplatzierten Jan Hörl, der ebenfalls mit dem Schicksal und mit sich haderte. Auf die Höchstweite von 143 Metern trug es ihn im finalen Durchgang, doch dort konnte er keinen Telemark mehr setzen. Und genau dies müssen die Punktrichter ab dieser Saison zwingend mit höheren Abzügen bei der Stilnote bestrafen. „Ich habe selber mit mir zu kämpfen gehabt, weil ich die Landung verschissen habe“, ärgerte sich Hörl, dem gerade ein Pünktchen zum Gesamtsieg fehlte. Immerhin hielt er den Teamgedanken hoch: „Wir sind Erster, Zweiter, Dritter und können stolz sein, dass wir zwei Wochen so einen coolen Fight hatten“, sagte Hörl. Er gönne Tschofenig den Erfolg. „Der Bessere hat gewonnen.“
Hinterher entbrannten natürlich Diskussionen, ob die Sprungjury alles richtig gemacht hat, als sie Kraft so lange da oben warten ließ. Der ehemalige Weltklassespringer Martin Schmitt monierte, dass die Länge des Anlaufs zu lang gewesen sei. Sonst hätte man den Wettkampf durchziehen können, sagte der Eurosport-Experte. Eine gewagte Behauptung, denn der Wind und eher nicht die Anlauflänge verhinderte Krafts Sprung.
Was bleibt, ist ein in der Tat historisches Ergebnis für Österreich: In den vier Tourneespringen in Oberstdorf, Garmisch, Innsbruck und Bischofshofen siegte Austria viermal und eroberte elf von zwölf möglichen Stockerlplätzen. Nur der Schweizer Gregor Deschwanden drang als Garmisch-Zweiter in diese Podest-Phalanx ein. Die Deutschen, zu Saisonbeginn neben Österreich die dominierende Nation, enttäuschte letztlich (ich schreib jetzt „erneut bei der Tournee“). Pius Paschke, fünffacher Weltcupsieger im November und Dezember wurde von Station zu Station schwächer, belegte am Ende nur den sechsten Platz. Sicher ordentlich für den bereits 34-Jährigen, aber die Erwartungen hatte er selbst durch brillante Leistungen viel höher geschraubt. Noch schlechter erging es Andreas Wellinger auf Platz 11 und vor allem Karl Geiger auf Rang 17. „Best of the Rest“ also bester Nicht-Österreicher war Johan Andre Forfang als Vierter mit dem Respektabstand von 36 Punkten auf den Dritte3n Kraft.
Jetzt haben die Skispringer erst mal Pause bis zum 18. Januar. Die Austria-Springer werden schauen, ihre Überform zu transportieren, der Rest sucht nach Aufholmöglichkeiten. Ode ist gar alles eine Frage von Wunder-Anzügen?
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