Urteil gegen Fanprojekte, und letztlich gegen den Fußball

Im Namen des Volkes. Aber bestimmt nicht ein Urteil im Sinn des Fußballs und vor allem diejenigen, die das Fanwesen zumindest ein bisschen einhegen wollten. Am Montag befand das Amtsgericht Karlsruhe drei Mitarbeiter eines Fanprojekts des KSC der „versuchten Strafvereitelung“ für schuldig. Diese hatten sich in einem anderen Fall, in der die Staatsanwaltschaft wegen eines Pyrotechnik-Vorfalls mit 11 Verletzten ermittelte, die Aussage verweigert und beriefen sich auf ein Zeugnis-Verweigerungsrecht. Dieses allerdings gibt es für diese Mitarbeiter eines sozialen Dienstes nicht und das war ihnen auch bewusst. Das Gericht blieb bei seinem Strafmaß unter dem Strafbefehl von 120 Tagessätzen und mit 90  haarscharf unter der Grenze von 91, damit die drei Frauen wenigstens nicht vorbestraft sind. Die Staatsanwaltschaft hatte gar 160 Tagessätze gefordert. Nur mal zum Vergleich: Jens Lehmann wurde zu einer Geldstrafe mit 150 Tagessätzen verurteilt wegen Sachbeschädigung und versuchten Betrug. Er hatte mit einer Kettensäge den Dachbalken eines Nachbarn angesägt.

So weit, so ungut. Fan-Beauftragte sind im durchaus zerrütteten Verhältnis zwischen Fans und Staatsgewalt (Polizei) ein mediativ arbeitendes Organ. Oft haben nur noch sie von außen  Zugang zu den Ultras. Eben durch Vertrauen, das sie sich nach und nach erarbeitet haben. Dieses Vertrauen basiert elementar darauf, dass Sachen, die die Mitarbeiter erfahren, nicht an die Öffentlichkeit geraten auch nicht an Staatsorgane. Wenn jetzt diese Mitarbeiter per drohender Strafe, die ja durchaus auch noch viel höher ausfallen  und schlimmstenfalls sogar Haft bedeuten kann, ist dieses Vertrauen naturgemäß weg. Davon abgesehen, dass kaum ein vernünftiger Mensch sich der Gefahr einer Ermittlung noch aussetzen will und diese so elementar wichtige Tätigkeit also überhaupt ausüben will. Die große Frage lautet also, die im übrigen auch der urteilenden Richterin klar war und die sie auch benannte: Sollen derlei Fanprojekte, die ja oft Projekte einer Stadt oder öffentlichen Einrichtung sind, und ihre Mitarbeiter von einem Zeugnisverweigerungsrecht geschützt werden. Wie also ein Rechtsanwalt, ein Geistlicher, aber auch ein Journalist, aber bisher bei Sozialarbeitern nur in absoluten Ausnahmefällen. Im vorliegenden Fall beriefen sich die Mitarbeiterinnen darauf, dass sie ihre Arbeit schützen wollten, aber nicht eventuelle Straftäter. Nebenbei angemerkt sei es auch sehr unwahrscheinlich, dass sie zur Lösung des ursprünglichen Falls beitragen hätten können, auch weil die Täter vermummt gewesen wären.

Wegen der besonderen Bedeutung von solchen Fanprojekte bundesweit geht der Fall in die nächste Instanz, vielleicht sogar bis zum bundesverfassungsgericht, wo dann vielleicht in 5 Jahren ode so ein endgültiges Urteil gesprochen wird. Es geht darum, dass die vor allem jugendlichen Fans einen Ansprechpartner außerhalb ihrer Blase finden. Mit denen sie über alles reden können, die ihnen auch andere Wege aufzeigen können. Die sie vor allem nicht sofort verurteilen. Und es geht meistens ja nicht um schwere Straftaten.Ich frage mich: Warum werden Mitarbeiter eines Sozialdienstes wie auch Streetworker, die so wertvolle Arbeit leisten (nicht nur bei Fanprojekten), nicht besser geschützt, wenn sie schon so dürftig bezahlt werden. Ist der jetzigen Regierung nicht sexy genug.

Wie zerrüttet das Verhältnis Fans/Obrigkeit grundsätzlich ist, zeigte sich ja eine Woche vorher. Da tagte die Sportminister-Konferenz, und einige der Teilnehmer wie etwa CSU-Innenminister Joachim Herrmann überboten sich in Aushandeln eines möglichen Strafenkatalogs. Als sei ein Stadion der reinste Sündenpfuhl, wo es nur Mord und Torschlag gäbe und es vor Chaoten und Kriminellen nur so wimmele. Fußball-Schnellgerichte, Kollektivstrafen, Geisterspiele, Punktabzüge und personalisierte Tickets – ohne diese Maßnahmen würde es nicht gehen, um diesem sündhaften Treiben ein Ende zu bereiten.
Es gab also einen Austausch der Politiker mit Innenministerin Nancy Faeser und eben Herrmann, Mäurer (Bremen), Behrens (Niedersachsen) unc Co., zu dem auch Vertreter von DFL und DFB geladen wurden. Es fehlten: Die Fans und auch alle Fan-Vertreter, die deren Ansicht hätten vortragen können.Die Zahlen belegen eher, dass die Horror-Szenarien eines Herrmann eher eine Gewaltfantasie sind. In der Saison 2022/23 wurden in den ersten drei Bundesligen insgesamt 1176 Fans verletzt, bei insgesamt 22,8 Millionen Besuchern. Das sind 0,00516 Prozent, inklusive derjenigen, die von der Polizei bei ihren Einsätzen verletzt wurden.

Jeder Verletzte ist natürlich einer zu viel. Aber (nicht nur statistisch): Ein Fußball-Stadion viel sicherer als etwa der Besuch eines Wiesnzeltes. Wirklich nervend und auch gefährlich sind sogenannte Fans, die auf dem Weg ins Stadion und gerne schon auf den Auswärtsfahrten im Zug randalieren. Da kann ich tatsächlich die Bahn verstehen, die diese Leute nicht mehr transportieren will, auch wenn auch friedliche Schlachtenbummler von ausfallenden Zügen betroffen wären.