Das war monympia, Resümee I

Olympia ist vorbei. Zeit für Zusammenfassungen, von Auffälligkeiten, was gefiel und auch missfiel. Im Lauf der Woche werde ich mehrere Texte liefern mit jeweils höchstens zwei dieser Gesichtspunkte. Wie immer bei mir ohne Anspruch auf Vollständigkeit und rein subjektives Empfinden, das ich leider nicht vor Ort, sondern am Fernsehgerät gesammelt habe.

Tops und Flops

Anmerkung: Hier soll es nicht um sportliche Leistungen gehen, sondern die Veranstaltung an sich und ihre Begleiterscheungen.

TOPS

Fantastische Sportstätten

Paris und die Veranstalter haben Maßstäbe gesetzt, und es ist ihnen perfekt gelungen, die Stadt und ihre Wunderschönheit bestens einzugliedern. Streit gibt es höchstens, was am schönsten war: Reiten im Schlosspark in VersaillesBeachvolleyball vorm Eiffelturm,  Fechten und Taekwondo im Grand Palais mit der grandiosen Kuppel, die Zielankunft im Marathon, Gehen und Radsport vorm Invalidendom. Besser geht es nicht, höchstens anders. Einige Sportstätten wurden auch für mehrere Sportarten genutz: Roland Garros erst fürs Tennis, dann Boxen, der Grand Palais (Fechten/Taekwondo), Bercy (Turnen/Basketball). Wenn ich es richtig sehe, wurde ncht eine neue bleibende Arena/Halle eigens für die Spiele neu gebaut. Nur das Schwimmen in der Seine, das hat nicht gepasst, siehe Flops.
All das wird meines Erachtens allerdings vom Austragungsort der Surfer übertroffen. In Paris naturgemaß nicht möglich, dafür auf Tahiti, wo am Strand vor Teahup´o  der beliebteste Surfspot der Welt liegt mit der perfekten Welle, die allerdings auch nicht immer kommt. Praktisch, wenn das Gastgeberland eine solche Dependance hat. Dort gelang das ikonischste Foto überhaupt. Sucht unter Surfen Tahiti Foto selbst wg. Urheber.

Tolle Gastgeber: Wie gesagt, ich war nicht selbst in Paris, aber auch langjährige Korrespondenten können sich nicht erinnern, dass jemals die sehr eigenen Pariser  so aufgeschlossen, herzlich und freundlich Besuchern gegenüber auftraten. Sogar die Sprachbarriere war plötzlich keine Barriere mehr. Die freundlichen und bestens ratgebenden Volunteers taten ihr übrigens. Und die Besucher-Rekorde vielleicht für die Ewigkeit mit meist sehr ausgelassener Stimmung zeigten, dass die Pariser „ihre“ Spiele nach anfänglicher Skepsis sehr willkommen hießen. Es wird sogar von Bewohnern berichtet, die erst vorm Trubel ans Meer flüchteten (wie gar nicht wenige Münchner vorm Oktoberfest), schnell aber wieder zurückkehrten, um selbst am einmaligen Erlebnis teilzuhaben.

Charmante Einfälle: Auch hatten die Organisatoren so einige sehr hübsche Ideen, Paris nicht nur von seiner sportlichen Seite zu zeigen. Wunderbar etwa, dass vor jeder olympischen Entcheidung eine prominente Person dreimal mit dem Stock die Veranstaltung eröffnete, wie es im Theater seit langer Zeit de Brauch ist. Das durften auch gerne Ausländer sein wie die deutsche Radsportlerin Kristina Vogel, die nach einem Unfall gelähmt ist. Wunderbar auch, dass jeder Leichtathletik-Olympiasieger im Stade de France eine Glocke läuten durfte. Bilder für die Ewigkeit, und die Glocke wird bald in Notre Dame zu bewundern sein. Dass die Hindernisse beim Reiten viele Pariser Mottive nachbauten, ist auch positiv zu erwähnen, aber das haben andere Gastgeber auch schon geschafft.

Perfektes Fernsehen

Die beste Unterhaltung nutzt nichts, wenn ich es am Fernseher nicht sehen kann. Und dort hat der Live-Stream endgültig Einzug gehalten, mittlerweile über Mediatheken am Fernsehgerät und nicht nur am Laptop zu verfolgen. Jeder konnte also sein eigener Regisseur sein, unabhängig von dem, was die Fernsehsender in ihrem analogen Programm anboten. Die beiden deutschen Sender ARD und ZDF boten fast alle Entscheidungen zusätzlich per Stream an, Discovery plus jede sportliche Tätigkeit überhaupt, also zB in der Leichtathletik ausschließlich die technischen Wettbewerbe Werfen und Springen, die im sogenannten World Feed seit Jahrzehnten eher vernachlässigt werden gegenüber dem Laufen. Und wer wollte, konnte sich vieles in mehreren Sprachen anschauen. Volleyball mit italienischer Beteiligung also auf Italienisch, ein zusätzlicher Reiz.
Die angebotenen Bilder waren spektakulär. Unzählige hochauflösende Kameras brachten unglaubliche Perspektiven. So ein Standbild mit der Turnerin Simone Biles gefühlt 10 Meter über dem Boden, fantastisch. Und 4k hält langsam Einzug

Neue Sportarten: Also jede, die noch nicht so etabliert sind. 3×3-Basketball, also die Streetball-Variante auf einen. Korb, hat es mir besonders angetan. Auch BMX, zumindest die Kür-Version nicht auf Schnelligkeit sondern mit den waghalsigen Sprüngen, hat mich begeistert.

FLOPS

Die Seine: Wer viel wagt, kann auch verlieren. Charmant war die Idee, die Seine für die Pariser wieder schwimmbar zu machen nach 101 Jahren. 1,5 Milliarden Euro hat die Stadt in ein Abwassersystem hineingepumpt. Allein – das Wetter spielte nicht mit. Auch in Frankreich offenbar ein viel zu nasser Frühling mit der Folge, dass der Fluss mit Fäkalien überschwemmt wurde. Und überdies eine Strömung hatte, die Schwimmwettbewerbe nachhaltig veränderten. Angeblich waren Grenzwerte dann doch unterschritten (die Bürgermeisterin Anne Hidalgo nahm ein Bad), und Triathleten sowie sowie Distanzschwimmer wurden in die Seine gelassen. Dort kämpften sie  mit und gegen die Strömung einerseitsund gegen Koli- und sonstige Bakterien andererseits Erfreulich: Niemand ist ertrunken und auch von bleibenden Schäden ist nichts bekannt. Doch mancher kotzte sich die Seele aus dem Leib und vebrachte lange Tage im Krankenhaus oder zumindest auf der Toilette. Da wurden die Sportler zugunsten schöner Bilder missbraucht

Das IOC: Positiv angemerkt sei, dass es sehr zurückhielt. Oder die SZ es so hübsch formulierte. Noch nicht einmal dessen Funktionäre konnten die Spiele kaputtmachen. Doch ein Mal war das IOC wirklich gefragt, und da versagte es (und andere Institutionen auch) auf jämmerliche Art und Weise. Ich spreche von der Box-Olympiasiegerin Imane Khelif hinreichend diskutiert. Sie war mit Sicherheit die umstrittenste Athletin der Spiele. Nach ihrem ersten Sieg über eine Italienerin entbrannte eine Diskussion über die Startberechtigung von Khelif, weil diese intersexuell ist, also auch ein männliches y-Chromosm hat, aber keine. männlichen äußeren Geschlechtsorgane.  Traumatisch genug für sie und ihr Leben. Ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren, aber soviel. Dieses „Problem“ war absehbar, spätestens, als der Box-Weltverband Khelif vergangenes Jahr aus diesem Grund von der WM ausschloss. Dazu muss man sagen, dass dieser Weltverband nach Ansicht des IOC so korrupt ist, dass er offiziell von den Spielen ausgeschlossen ist. Vielmehr übernimmt das IOC die Box-Organisation samt Verteilung der Startrechte. Und fand offenbar nichts dabei, Khelif starten zu lassen. Im stillen Kämmerlein, denn zumindest ich habe über eine Diskussion darüber nichts mitbekommen. Und auch die Gründe des von einem Putin-Freund angeführten Box-Weltverbandes sind offiziell nichts bekannt, höchstens nicht verifizierte Durvcchstechereien.
Nun denn: Als die Italienerin aufgab ob der Härte der Schläge der Algerierin, begann ein unguter Mix aus Rassismus (Meloni, Trump) Woke-Diskussion (Alice Schwarzer). Genauso mit Verve verteidigten die Algerier „ihre“ Sportlerin, die es in diesem Land bisher so schwer hatte. Das IOC tat nichts: keine Verteidigung der Sportlerin, keine schlüssige Begründung der Startzulassung. Was bleibt, ist ein ungutes Gefühl. Und leider keine Lösung, wie man dieser Problematik begegnen kann.

Das Fernsehen: Wie gesagt: Ich persönlich habe Olympia weitestgehend über Streams verfolgt. Und deshalb blieb mir Ärger übers ZDF erspart. Das brachte es fertig, den 100-Meter-Lauf der Frauen nicht live zu zeigen, sondern, Überraschung: endlich mal wieder Fußball. Noch schlimmer die beinahe geistesgestörte Entscheidung, im 3×3-Basketball-Halbfinale mit deutscher Beteiligung und noch offenem Ausgang 45 Sekunden, sich 45 Sekunden vor der Schlusssirene in Richtung Werbung zu verabschieden. Schlimmste Erinnerungen kommen da bei mir an hoch 1980 (!) , als ebenfalls das ZDF das Kunststück vollbrachte, sich im 5. Satz beim Stand von 5:5 aus dem epischen Wimbledon-Finale McEnroe vs Borg ebenfalls in Richtung Mainzelmännchen zu verabschieden. Wenn ich da nicht das (graupelige) Bild des ORF gehabt hätte …
Ärgerlich auch, der überbordende Nationalismus, der zu ertragen war. Das lächerliche Hoffen auf eine Medaille, wenn schon alles verloren war. Da muss ich allerdings konzedieren, dass das in anderen Ländern genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer gehandhabt wird.

Fußball: Überall volle Arenen und tolle Stimmung (allerdings manchmal auch extrem französischer Chauvinismus samt Pfeifkonzerte gegen den Gegner. Bei ganz Olympia? Nein, Fußball, das bis aufs Männerfinale ausschließlich außerhalb von Paris stattfand, zog offenbar überhaupt nicht. So leere Tribünen wie in Marseille, Lyon und St. Etienne gab es sonst nirgends, wo meist ausverkauftes Haus vermeldet wurde. Das lag auch daran, dass die Stadien überdimensioniert waren. Die Besucherzahlen per se waren sogar in Ordnung, nur verlaufen sich halt 10 000 in einer 60 000 Zuschauer fassenden Arena mit dann 50 000 freien Sitzschalen. Männer-Fußball ist halt die einzige Sportart überhaupt, in der von vornherein per Satzung die besten Spieler ausgeschlossen sind und nur U-21-Mannschaften antreten.

Neue Sportarten: Zwei Sportarten/Disziplinen gab es, die ich bis dato gar nicht kannte: Breaking-B und Kanu-Cross. Beide haben mich absolut kaltgelassen. Breaking ist nichts anderes als Breakdance. Es steckt eine besondere Philosophie und strenge Regeln dahinter, die mir allerdings weitgehend verborgen blieben. Und Kanucross, 4 Boote gleichzeitig im Eis-Kanal, war ein lächerliches Schubsen der Boote und erinnerte sehr an Autoscooter. Wo da ein sportlicher Wert ist, hat sich mir nicht erschlossen.