Warum ich Sport so liebe

Rory McIlroy puttet sich zur Legende

 

Da stand Rory McIlroy an Loch 18 des Augusta-Kurses vor seinem 1-Meter-Putt wenn überhaupt, der ihn in die Unsterblichkeit bringen könnte. Diese Entfernung ist ein Witz für jeden ambitionierten Golfprofi. Wenn allerdings – ich übertreibe jetzt maßlos – nicht nur der  erste Masters-Sieg, sondern das Wohl und Wehe einer ganzen Karriere dranhängt, dann ist das unendlich weit und das Loch scheint so klein wie ein Centstück. Gut eine Viertelstunde zuvor hatte McIlroy schon mal die Chance gehabt, ebenfalls an Loch 18, als er aus der etwa gleichen Entfernung den Ball am Loch vorbeirollen ließ.

Jetzt also die 2. Chance – im Stechen gegen seinen guten Ryder-Cup-Kumpel Justin Rose: Rory McIlroy nahm sich der herkulisch anmutenden Aufgabe an, und der Ball rollte anstandslos ins Loch. Es war vollbracht: der Karriere-Grand-Slam, der Olymp für jeden Golfer, dem nur die Allergrößten dieses Sportes angehören, dem zuletzt Tiger Woods beitrat vor gut 20 Jahren. McIlroy sank in die Knie, endlich befreit vom gewaltigen Druck: Denn der beste Golfer dieses Jahrzehnts war so lange sieglos gewesen in einem Major, genauer gesagt seit 2014. Statistiker zählten, dass er seitdem zehnmal in Augusta gescheitert sei, den Karriere-Grand-Slam zu vollenden, also die Majorsiege US Open, British Open, PGA Championship und eben das Masters. Die Amerikaner jubelten McIlroy zu wie einem der ihren. Sie leiben diesen charismatioschen Nordiren, seine so lange vergebliche Jagd nach dem großen Sieg ließ niemanden kalt. Immer war er Mitfavorit, immer geschah etwas, das den Triumph verhinderte; doofe Schläge, ein Gegner in Überform.

Es war eine ikonische Schlussrunde mit unzähligen Auf und Abs, die McIlroy und seine Kombatanten auf dem herrlichen Kurs bei strahlendem Sonnenschein von Augusta hinlegten. Mit Dramen und Volten, die kein Drehbuchschreiber sich je auszudenken wagte. McIroy, als Führender in die Schlussrunde gestartet, begann mit einem Doppel-Bogey, schlimmer gehts nimmer. Doch er fing sich erstaunlich schnell, und nach den ersten 10 Löchern schien der Nordire unaufhaltsam dem Triumph entgegenzugolfen, zumal der vermeintlich schärfste Konkurrent Bryson DeCambeau einen gebrauchten Tag hatte und Schlag um Schlag verlor. Sogar seine Nemesis 2011, die 10. Bahn,, als McIlroy ebenfalls klar in Führung liegend einen Triple-Bogey fabrizierte und den vermeintlich sicheren Turniersieg verhunzte, überstand er schadlos. McIlroy gelangen Traumschläge. Doch Golf ist eine böses Spiel mit so vielen Tücken. Eine solche ereilte den mittlerweile 35-Jährigen an Loch 13, auf dem Papier ein eher einfaches Par 5. Er lag glänzend und drosch seinen 3. Schlag völlig absurd ins Wasser, Doppel-Bogey statt Birdie. Ewiges Golferschicksal

Ein faszinierender Zweikampf mit Rose auf den letzten Löchern begann. Die beiden – in unterschiedlichen Flights eingeteilt – schafften Traumschläge, produzierten aber auch haarsträubende Fehler. Am Ende der insgesamt 72 Bahnen lagen sie gleichauf, also Stechen: Wer beim ersten Loch besser ist, gewinnt. Sudden Death! Der an diesem Tag so großartige Rose legte mit einer fantastischen Annäherung vor, McIlroy konterte mit einer noch besseren. Rose verpasste den Putt um Millimeter, McIlroy vollendete sicher. Jetzt gehört auch ihm das Grüne Jackett des Masters-Sieges, die begehrteste Trophäe im Golf. Wirklich zu Herzen ging mir, wie fair Justin Rose sofort mit einer innigen Umarmung gratulierte. Thats sportsmanship at its best.

Das alles als McIlroy-Fan zu verfolgen, der ich seit Jahren bin, kostete enorm Nerven. Jubel nach einem unglaublichen Schlag hier, Entsetzen nach einem Katastrophenball hier. Kaum auszuhalten dieses Nichtwissen, wie es ausgeht, aber eben das ist es, was den Sport ausmacht.