Freude über Lys, Staunen über Monfils, Ärger über Eurosport

Happy Slam nennen alle auch die Australian Open wegen der ausgelassenen Stimmung dort. Auch die Ausgabe 2025 bietet so manche hübsche Geschichte.

 

Lucky Lys

 

Warum ich Sport so mag? Wegen Geschichten wie dieser: Eva Lys gilt schon länger als sehr begabte Tennisspielerin. Die allerdings wegen einer Immunschwäche immer wieder gesundheitliche Probleme hat. Was sie jetzt Down under (wo es schön warm ist) in Melbourne erlebte und vielleicht noch erlebt, ist ein Märchen. Das ziemlich traurig begann, denn in der 3. Qualifikationsrunde für die Australian Open unterlag sie der Einheimischen Destanee Aiava. Vorbei war eine erstaunliche Serie, denn 2024 hatte sie das Kunststück geschafft, in allen vier Grand-Slam-Turnieren die Qualifikation zu überstehen; sie scheiterte dann jeweils in der 1. Runde.
Eva Lys saß im Wortsinn auf gepackten Koffern auf dem Weg nach Hause (der Vater war schon heimgeflogen), da ereilte sie (angeblich eine Viertelstunde vor dem Aufbruch) der Anruf der Turnierdirektion, den sich alle in der letzten Runde ausgeschiedenen Qualifikanten im gar nicht so Geheimen erhoffen. Die Russin Kalinskaja hatte ihre Teilnahme abgesagt, und Lys rückte als sogenannte Lucky Loserin ins Hauptfeld nach. Dort besiegte sie in der 1. Runde die Qualifikantin Kimberly Birrell, in der 2. Runde Varvara Gracheva. Diese Nacht kam es zum Duell gegen die Rumänin Dominique Cristian, die sie zuvor dreimal hintereinander schon bezwungen hatte. Nach verlorenem ersten Satz steigerte sich Eva Lys und siegte letztlich mit 4:6, 6:3, 6:3. Überwältigende Freude, herzliche Umarmung mit der dagebliebenen Mutter und der kleinen Schwester, die ihr unglaublich ähnlich sieht (hoffentlich schaut das zuständige Schulamt nicht so genau hin …)
Damit steht Lys im Achtelfinale, als erste Lucky Loserin überhaupt bei den Australian Open und als insgesamt Sechste Spie,erin (oder Spieler) bei einem Grand-Slam-Turnier. Der Lohn: Gut 250.000 Euro und der Sprung in die Top 100 der Weltrangliste. Ach ja: Geburtstag gefeiert hat Lys auch noch so zwischendurch, wurde am Sonntag 23 Jahre alt. Im Achtelfinale trifft sie auf die Polin Iga Swiatek, eine vermeintlich unlösbare Aufgabe, die Lys aber frohgemut angeht. „Beim Tennis weß man nie, und wenn mein Arm locker ist …“ Allerdings zeigte die ehemalige Weltranglistenerste und vierfache Paris-SiegerinSwiatek  bisher eine nahezu makellose Leistung, schoss ebenfalls am Samstag in der 3. Runde Emma Raducanu mit 6:0 und 6:1 vom Platz.

Und Eurosport? Der Rechte-Inhaber versteckte das Lys-Match in seinem Bezahl-Kanal Discovery+, zeigte im Hauptsender wie in den vergangenen Tagen geradezu sklavisch das Geschehen auf dem Center Court, wo sich Alex de Minaur und der Francisco Cerundolo duellierten (mit dem besseren Ende des Aussies de Minaur). Für mich ein Unding, ja indiskutabel, auch ohne deutsche Brille. Der Reiz der ersten Woche liegt ja gerade im Hin- und Herschalten zwischen den Courts – und das bleibt dieses Jahr völlig außen vor. Richtig ärgerlich wird es dann, wenn ich die Relive-Aufzeichnung aus der Nacht bei Discovery suche und mir eine riesig prangende Lys-Überschrift die Spannung wegnimmt. Dass zudem die Übertragung nur mit englischen (und rumänischen!) Kommentar zu hören war, ist eines Bezahlsenders unwürdig. Obwohl: Englische Reporter sind sehr viel angenehmer als ihre deutschen Kollegen bei deutschen Matches. Wohltuend entspannt, enorm kenntnisreich. Trotzdem ein absolutes Armutszeugnis, wenn die letzte verbliebene deutsche Spielerin so vernachlässigt wird, da rettet auch das nachgeschobene Interview (Lys wurde virtuell ins Studio gebeamt) nicht viel. Immerhin: Ab dem Achtelfinale laufen alle Einzel-Spiele entweder bei ES1 oder ES2.

 

Gael Monfils: je älter, desto besser

 

Der Franzose gehört schon sehr lange zu meinen absoluten Lieblingsspielern: spektakuläre Schläge, eine wunderbare einhändige Rückhand, und er ist ein echter Showman, der jedes Match zu einem Ereignis macht. Sein Problem: viele Verletzungen und mangelnde Konstanz und manchmal auch eine geradezu chronische Unlust, wenn es nicht so läuft.. Gerade in einem Grand-Slam-Turnier mit den Best-of-5-Partien leistete er sich zu oft einen Durchhänger, die ihn allzu früh überflüssigerweise scheitern ließen.
Und jetzt? Spielt er mit seinen 38 Jahren ein unfassbares Turnier. Am Samstag bezwang er in einem spektakulären Match den Amerikaner Taylor Fritz, dem einige Experten sogar den Turniersieg zugetraut hatten. Diesmal hielt der Franzose sein hohes Niveau fast über die gesamte Zeit, schlug konstant gut auf und entnervte Fritz mit brillanten Returns. Der Lohn war ein grandioser Viersatz-Erfolg, der ihn ins Achtelfinale beförderte, wo er auf den Amerikaner Ben Shelton trifft: auf alle Tennisfans wartet ein fantastischer Showdown zweier toller Spieler, zweier Publikumslieblinge.
Das Samstags-Glück perfekt für Monfils machte der Überraschungssieg seiner Ehefrau Elena Svitolina, die sich ebenfalls fürs Achtelfinale qualifizierte durch einen Erfolg über die Italienerin Yasmine Paolini. Witzige Parallele: Wie Taylor Fritz war Paolini als Nummer 4 gesetzt. Die Ukrainerin Svitolina trifft nun auf die Russin Veronika Kudermertova, und da kann ich nur hoffen, dass die Veranstalter so freundlich sind, diese beiden Partien nicht gleichzeitig ansetzen. Denn gerade Svitolina wird in diesem auch persönlich schwierigen Match (ich glaube, ich muss das nicht näher beleuchten) jeden Bestand von außen brauchen. Aber egal wie es ausgeht: FAmilie Monfis wird mit der gemeinsamen Tochter eine schöne Zeit down under haben. Großer Seufzer.