Theo Waigel – schön kuschlig beim Markus Lanz

Dass Markus Lanz eher der Union zugeneigt ist, wird der Südtiroler selbst kaum bestreiten wollen, es wäre auch zu unglaubwürdig. Dass er sich allerdings in der nach ihm benannten Talkshow zum Pressesprecher und kumpeligen Stichwortgeber des ehemaligen Fiananzministers Theo Waigel aufschwingt (oder ist das doch eher ein duckmäuserisches Kriechen und Schleimen?), hätte ich in der Form dann doch nicht erwartet.
Es geht überhaupt nicht darum, dass er den 85-jährigen,  geistig und körperlich beneidenswert fitten Waigel als einzigen Gast begrüßte, das macht er ja häufig. Aber Waigel (Sportbezug: Er ist mit der ehemaligen Klasseskifahrerin und Silbermedaillengewinnerin bei Olympia und WMs Irene Epple verheiratet) unwidersprochen auf die SPD und vor allem den Grünen-Habeck schimpfen (eher: schwadronieren) ließ, fand ich doch befremdlich.

Es ist bei Lanz eher Regel als Ausnahme, den Gesprächspartner permanent ins Wort zu fallen, weil er eh alles besser weiß (zu wissen glaubt). Jetzt durfte Waigel in epischer Breite, aber reichlich unkonkret alles als katastrophal abkanzeln. Habeck habe alles, abe auch alles falsch gemacht. Und die Lindner-FDP stellte er als armes Opfer der beiden bösen linken Parteien hin. Wo war hier zB die Frage, ob er Lindner glaubt, dass er vom DDay-Papier nichts wusste und ob nicht Scholz ein klitzekleines Bisschen recht habe, den FDP-Chef abzukanzlern. Auch keinerlei Frage nach den fantastischen CSU-Verkehrsministern, die die Bahn völlig ruiniert haben. Das mit viel krimineller Energie durchgepaukte Mautdebakel wurde fast lächeln als dummer Fehler abgetan. Und als Waigel (sicher nicht ganz zu Unrecht) bemängelte, die Koalition habe ihren Bürgern zu wenig zugemutet: Wo blieb da das naheliegende Nachhaken, dass diese Regierung Landwirten Subventionen kürzen wollte, dies aber von der Union und vor allem der Bauern-freundlichen CSU wieder einkassiert wurde.

Waigel durfte in der Vergangenheit schwelgen, wo man sich zwar gegenseitig kritisert habe doch menschlich respektiert. Dass die CSU Willy Brand als „Volksverräter“ hinstellte wg der Ostverträge und des Kniefalls zu Warschau und ihn  „an die Wand stellen“ wollte – das war natürlich kein Thema.

Ein Waigel-Interview hätte durchaus interessant werden können. So war es eine vertane Chance, die höchstens in CSU-Werbefilmchen gut herüberkommt.

 

 

Hochamt der Satire bei Markus Lanz

Über Markus Lanz und seinen Talk ist schon viel gemeckert worden. Er lasse die Gäste nicht ausreden, habe seine vorgefasste (Union-nahe) Meinung, von der er sich aufs Verrecken nicht abbringen lässt. Und doch gelingt es ihm jede Woche, dreimal in der Woche meist hochkarätige Gäste in seinen Talk einzuladen.

Doch so lustig wie am Donnerstag war es selten, weil er sich ins Fach der Satire wagte. Geladen waren zwei Schauspieler, die den CSU-Generalsekretär Martin Blume und Grünen-Flaggschiff Anton Hofreiter mimten, dazu Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann als Mediatorin. Gerade der Blume-Bua spielte seine Rolle grandios, überzeichnete fantastisch den Hass der CSU auf die Grünen. Wie ein Panther saß er jederzeit sprungbereit auf seinem Stuhl. Ich wartete förmlich darauf, wie er Hofreiter und dessen Partei nicht nur seinen Worten („unfähig, an allem Schuld, nur Verbote“) an die Gurgel ging, sondern auch mit den Händen. Und gleichzeitig geradezu maliziös offen ließ, was der auserkorene (ausbaldowerte?) Kanzlerkandidat Friedrich Merz denn nun besser könne als Markus Söder. So geht das: Der vermeintlich gute Verlierer Blume (in Vertretung von  Söder: Ich bin fein damit) lässt mit seiner ganzen Körpersprache wissen, wie sauer er über den Merz-Deal ist.
Aber auch Hofreiter wurde glänzend gespielt. wie er in der besten bayerischen Art Blume auflaufen ließ. Grandios auch der Einfall des Gag-Schreibers, als Hofreiter bekannte, er sein mit einigen Union-Leuten per Du, darunter auch CSU-Leuchtturm Alexander Dobrindt, dem er Intelligenz (!) bescheinigte. Wie da dem Blume die Sprache und Spucke wegblieb, einfach köstlich.
Markus Lanz spielte toll mit, versuchte es immer wieder mit ernsthaften Fragen wie: „wird die Union wirklich nicht mir den Grünen koalieren, wirklich auf keinen Fall, lieber in Opposition gehen?“. Natürlich beantwortete die Huber-Mine diese Frage nicht (das gehört sich nicht für einen Politiker, wie das Drehbuch richtig erkannte., Vielmehr polterte er, eine Dreier-Kolition werde es aufgrund der extrem starken Union (Lachtränen) und ebenfalls starken SPD (da übertrieb der Drehbuchschreiber meines Erachtens ein wenig) nicht geben.

Und auch das Ernsthafte, das war ja das Tolle an der Sendung, dass sie sich ziemlich an der Realität hielt, wurde gut über die Bühne gebracht. Etwa als der Hofreiter Toni bekannte, wie ihn der Hass, der ihn in Bayern überall entgegenbläst, belastet. Entfacht wurde der laut Hofreiter durch den Söder-Spruch, Hofreiter und seine Grünen gehörten nicht zu Bayern. Wie der Toni diese entkräftete, indem er in den schönsten Original-Ton Süd verfiel (hier fehlten allerdings die Untertitel, das könnt ihr besser, liebes ZDF, remember Wasi 1985), grandios. Bemerkenswert subtil war dann, wie ausgerechnet ein Grüner die bayerische Polizei ausdrücklich lobte, die ihn dankenswerterweise vorm Mob schützte. Wunderbar, wie Blume erst beteuerte, wie leid ihm das täte und dass Gewalt gegen Parlamentarier überhaupt nicht gehe, um sofort zu wettern, die Grünen seien  an diesem Hass allein Schuld (Heizungsgesetz!) und natürlich nicht der diffamierende Söder-Sager, den er weder dementierte noch bestätigte.

Eine rundum gelungene Sendung also. Die Figur der Amann habe ich allerdings nicht begriffen. Sie wirkte so ernsthaft verzweifelt, als sich Hofreiter-Blume karikaturreif-übertrieben gegenseitig ins Wort fielen. So geht Fernsehen, lieber Luke Mockridge. Man kann absurde Leute wie Markus Blume bloßstellen, ohne sie zu beleidigen.

Discaimer: Und wer waren die fantastischen Blume und Hofreiter-Mimen? Das war tatsächlich die Sensation des Abends. Sie spielten sich selbst. Chapeau, so viel Selbstironie hätte ich vor allem Martin Blume wirklich nicht zugetraut in diesen schweren Zeiten.