Alles klar für Verstappen – oder etwa doch Spannung?
Ich habe es in meiner Wochenvorschau glatt vergessen oder besser gesagt verdrängt: Dieses Wochenende startet in Melbourne die Formel-1-Saison. Auch wenn mein Interesse an der Königsklasse des Motorsports mit den Jahren erheblich gesunken ist (wie groß war das beim ORF in den 70ern und 80ern mit den Prüllereien, seufz), ein gewisses Kribbeln gerade zum Saisonstart ist gegeben, weil doch einige Fragen offen sind,: Auf die bisherigen Tests gebe ich wenig bis nichts, klare Antworten habe ich ebensowenig weit weg vom Geschehen. Alle Expertisen laufen allerdings darauf hinaus, dass es mit einer Alleinherrschaft eines einzigen Teams vorbei sein dürfte. Die Formel 1 hat sich hübsch gemacht; sie feiert ja im Mai den 75. Geburtstag.
Allgemeine Fakten
Gleich 24 Rennen sind bis zum 7. Dezember geplant, wenn im besten Fall erst in Abu Dhabi die WM entschieden wird. Was für eine Parforcejagd quer über den Erdball. In der Heimat des Motorsports Europa sind es allerdings nur noch 10 Veranstaltungen. Deutschland ist wie in den vergangenen Jahren nicht mehr dabei, weil weder Nürburg- noch Hockenheimring die aufgerufenen Irrsinnssummen aufbringen können und wollen. Auch Frankreich schaut nur von außen zu.
Einmal gibt es den berüchtigten Triple-Header mit 3 Rennen an 3 Wochenenden hintereinander (18. Mai bis 1. Juni), gnädigerweise alle in Europa, also ohne große Reiserei. 4 Rennen sind in Anrainerstaaten des Persischen Golfs (hier ist das Geld ja kein Problem), 3 in den USA (Miami, Austin und Las Vegas). Der Rest verteilt sich auf Asien (China, Japan, Singapur) und Amerika (Brasilien, Mexiko, Kanada) und eben der Saisonstart in Australien.
An 6 der 24 Wochenenden gibt es auch wieder die sogenanten Sprintrennen am Samstag mit etwa einem Drittel der Renndistanz. Gerade am Saisonende, wenn es in 3 der 6 Austragungsorte zusätzliche Punkte gibt, könnten diese mitentscheiden im WM-Kampf. Ich pesönlich bin kein großer Freund dieses Formats, die „tolle Spannung und Action“, die vesprochen wird, konnte ich bisher nicht entdecken.
Wie gehabt gehen 10 Teams mit 20 Fahrern an den Start. Erst 2026 greift mit dem US-Konsortium um Cadillac ein 11. Rennstall ins Geschehen ein (nach alangem Hin und Her und Androhen einer Klage). Für 2026 ist auch der Einstieg des Audi-Teams geplant, in dem Sauber aufgehen soll. Wie sich das entwickelt, dürfte einer der interessantesten Begleiterscheinungen des Jahres sein. Nicht nur ich habe da noch einige Fragezeichen.
Sechs neue Piloten (mein früherer Sportchef Jürgen Leibner hasst dieses Wort im Mortorsport) werden eine ganze Saison in Angriff nehmen. Sehr gespannt bin ich auf den Neuseeländer Liam Lawson (Red Bull) und Kimi Antonelli (Mercedes), die in absolut konkurrenzfähigen Autos (RB mehr, Mercedes weniger) auf jeden Fall in die Punkteränge fahren müssten.
Das Gegenstück ist Fernando Alonso: Der Spanier ist seit 2001 in der Formel 1 dabei und hat bisher 403 (!) Rennen in der Königsklasse bestritten, einsamer Rekord. Ebenso ein ganz alter Hase ist der 7-fache Weltmeister Lewis Hamilton, der 2007 sein erstes von 355 Rennen bestritt, von denen er 105 gewann (Rekord).
Wie stark sind Verstappen und sein Red Bull?
Viermal in Folge ist der Holländer in seinem Brauserennstall Weltmeister geworden. Doch zumindest in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres war zumindest sein Auto nicht mehr haushoch überlegen, wie auch die bescheidenen Ergebnisse des Teamkollegen Sergieo Perez und vor allem der Verlust der Konstrukteurs-WM an McLaren zeigten Immerhin überwand Verstappen mit seiner fahrerischen Ausnahmeklasse sein Sommer-Tief und fuhr letztlich souverän zum Titel. Die Frage ist: Kann sich der Holländer neu motivieren, vielleicht tatsächlich angepickt durch die erwachende Konkurrenz, vor allem der Ferraris und McLarens?
Interessant wird sein, wie sich der Neuseeländer Liam Lawson bei seiner ersten vollen Saison macht, noch dazu in einem absoluten Topteam. Ketzerisch gefragt: War der gefeuerte Sergio Perez tatsächlich so eine Graupe oder hat die fahrerische Ausnahmestellung von Verstappen grundsätzliche Schwächen des Teams kaschiert?
Härteste Konkurrenten
Das dürften McLaren und Ferrari werden, die ich auf Augenhöhe sehe. McLaren sicherte sich schon 2024 die sehr begehrte Konstrukteurs-WM, und Lando Norris durfte sich zumindest bis Spätherbst sogar Hoffnungen auf den Einzeltitel machen. Das britische Team vertraut erneut auf die Paarung Lando Norris/Oscar Piastri. Faustpfand und vielleicht Problem zugleich: Beide Fahrer sind erst mal absolut gleichberechtigt, könnten sich also gegenseitig Punkte wegnehmen. Auch stellt sich die Frage, ob die Briten den nächsten Entwicklungsschritt schaffen und ob vor allem Norris seine Leichtsinnsfehler abstellt.
Auch Ferrari geht mit 2 auf dem Papier gleichstarken und -berechtigten Fahrern ins WM-Rennen. Der Unterschied: Lewis Hamilton muss sich nach seinem Wechsel von Mercedes neu orientieren, integrieren, was angeblich hervorragend gelungen ist. Allerdings hat der Engländer auch neue Motivation bei den Italienern, immer noch das Herzensteam vieler Formel-1-Fans. Charles LeClerc ist der Alteingesessene, der das Feld bestimmt nicht kampflos überlassen wird. Eine Frage: Befruchten sich die beiden oder behindern sie sich einander? Und was bedeutet der Abgang des im Team sehr beliebten Carlos Sainz?
Die Silberpfeile
„Zwischen Baum und Borke“ – das trifft es doch gut. Allgemein gilt Mercedes für zu schwach, als dass es ernsthaft in den Titelkampf eingreifen könnte. Andererseits ist vielleicht mit dem Abgang von Lewis Hamilton (und seiner bisweilen zur Schau gestellten Lustlosigkeit) auch ein wenig Mehltau beseitigt. An der fahrerischen Klasse von George Russell gibt es wenig Zweifel, und Kimi Antonelli hat schon angedeutet, dass er zu großen Taten befähigt ist. Wahrscheinlich werden die Silberpfeile tatsächlich nicht ganz vorne mitmischen können, für Tagessiege dürfte es allerdings ebenso reichen wie für den (sinnlosen) Titel „Best of the Rest“.
Zwischen Hoffen und Bangen
Zwei Teams sehe ich auf dem Sprung nach vorn: Aston Martin und Haas. Die Hoffnungen bei Aston Martin trägt vor allem ein Name: Technikgenie Adrian Newey, bei dem bisher fast alles zu Gold wurde, was er angepackt hat, zuletzt beim Wunderauto Red Bull. Auch wenn das Projekt mittel- und langfristig angelegt ist – schon 2025 müssten wir erste Früchte in Form von Erfolgserlebnissen sehen.
Haas hat sich mittlerweile in der Formel 1 eingelebt: Der in den US-Serien sehr erfolgreiche Rennstall hat die Eigenheiten der Königsklasse gelernt und dürfte den Aufwärtstrend fortsetzen. Ganz nach vorne werden sie noch nicht eindringen, zumindest nicht regelmäßig, aber sie könnten erstaunliche Rennverläufe durch Wetterkapriolen und Ähnliches (Gelbphasen zum richtigen Zeitpunkt) durchaus nutzen.
Es kann nur besser werden
Die traurigen 4 heißen Alpine, Williams, Sauber und Racing Bulls, die allesamt nur positiv überraschen können. Sie dürften mit der Spitze Nullkommajosef zu tun haben, es bleiben allerdings Abstauberpunkte, wenn die anderen Teams patzen. Die 8 Fahrer werden sich bemühen, Talentproben ihres großen Könnens abzuliefern und sich für höhere Aufgaben empfehlen. Die Rennställe ihrerseits werden ihre Boliden schon aufs Jahr 2026 trimmen.
Wenn mich nicht alles täuscht, werden sie sich dennoch spannende Rennen im Rennen liefern, weil ein Konstrukteursplatz 7 sehr viel besser dotiert ist als der 10. Rang.
Fernsehen
Zu sehen ist das Ganze komplett nur bei Sky, das an allen Rennwochenenden jede Trainingssession, jedes Qualifying, jeden Sprint und natürlich jedes Rennen live zeigen – mit ewig langer Vor- und Nachbetrachtung auf einem eigenen Kanal.
RTL hat wie vergangenes jahr eine Sublizenz für 7 Rennen erhalten und ist unter anderem beim Europa-Auftakt in Imola (18. Mai) dabei, aber auch in Kanada zur besten Sendezeit (25. Juni), beim tollen Ardennenkurs in Spa (27. Juli).
Der RTL-Bezahlsender RTL+ hat Rechte an mehreren Qualifikations-Sessions und Sprintrennen.
Als Kommentatoren werden wir alte Bekannte wiedertreffen bei Sky (Sascha Roos, Ralf Schumacher) und RTL (Heiko Waßer, Christian Danner).
Jetzt habe ich mich tatsächlich selbst angefixt und freue mich zumindest auf Australia.
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